Mit der Mission Chang’e 3 gelang China 2013 die erste Landung auf dem Mond. Anfang dieses Jahres hat Chang’e 4 auf der Mondrückseite aufgesetzt. Schon stehen die Nachfolger Chang’e 6, 7 und 8 bereit. Aber – warum das alles? Die erste bemannte Mondlandung jährt sich in diesem Jahr zum 50. Mal. So lange schon verfügen Wissenschaftler auf der Erde über Mondgestein. Ist das nicht ein bisschen viel Aufwand, nur um des Prestiges willen?
Ja, das wäre es, sagt der ehemalige Direktor des Institute for Space Systems Operations der Universität von Houston, David Criswell. China verfolge einen umfangreicheren Plan – nämlich auf dem Mond eine Anlage zur Energiegewinnung zu errichten. Die Chinesen würden den Mond als einen einzigen, riesigen Satelliten zum Einfangen von Sonnenenergie betrachten, so der US-Physiker.
"Man kann Bodenstationen auf beiden Seiten des Mondes errichten. Auf diese Weise wird eine von beiden immer von den Sonnenstrahlen getroffen. Solarkollektoren auf der bestrahlten Seite fangen das Licht ein, wandeln es um in Mikrowellen und leiten diese als gebündelten Strahl über einen Relaissatelliten weiter auf die Erde. So würde ein Energiestrom vom Mond entstehen, der nie abreißt."
Pioniere der Technologie treten auf der Stelle
Ein Mikrowellenstrahl, der über eine große Entfernung geschickt wird, "franst aus" – so wie der Lichtkegel einer Taschenlampe, der mit zunehmender Entfernung von der Lichtquelle immer mehr streut. Deswegen müssten die Empfangsantennen, die das Sonnenlicht einsammeln, enorme Ausmaße annehmen – einer der Gründe, warum die Idee von Space Solar Power bislang noch nie in die Tat umgesetzt worden ist. Und dennoch: Zwei Unternehmen waren in den vergangenen Jahren vorangeprescht. Zum einen will ein lokaler Stromversorger den südlichen Teil Kaliforniens mit Strom aus dem All beliefern. Bereitstellen soll ihn die kalifornische Firma Solaren. Deren Vizepräsident Calvin Boerman:
"Wir werden einzelne Bauteile in eine Erdumlaufbahn bringen, die entweder unabhänging voneinander oder zusammen arbeiten können."
Das sagt Solaren jedoch schon seit mehr als zehn Jahren. Über Ankündigungen ist die Firma bislang nicht hinaus gekommen.– Ein anderes, europäisches Unternehmen traf es noch härter: Space Energy aus Schaffhausen hatte ebenfalls Pläne für eine Space-Solar-Power-Station im All. Stephan Tennsel, der Gründer der Schweizer Firma:
"Die Station muss eine gewisse Größe haben, in etwa zwei Quadratmeilen, um eine so hohe Kapazität wie ein Gigawatt zu produzieren."
China arbeitet an einem Prototypen
Mit diesen Ausmaßen hat sich Space Energy jedoch überhoben – logistisch und finanziell. Die Firma musste 2013 Konkurs anmelden. Und so scheint derzeit alles auf die Chinesen zuzulaufen. Schon 2021 wollen sie einen Prototypen ins All schicken, der in der Erdumlaufbahn das Sonnenlicht einsammeln soll. Er wird derzeit in Chongqing im Südwesten Chinas zusammengebaut. Der Mond sei dann der nächste Schritt, betont David Criswell.
"Sie fliegen Maschinen zum Mond, die aus dem Mondstaub Solarzellen und Sendeanlagen herstellen können. Sie schicken also keine fertigen Anlagen hin, sondern Hardware zur Produktion von Anlagen."
Der US-Physiker hat China in den vergangenen Jahrzehnten beim Thema Space Solar Power beraten. Er bestätigt, dass das Land schon seit den 90er Jahren an diesen Plänen arbeitet. Denn auf dem Mond ist Platz. Solarkollektoren könnten somit beliebig groß sein. Und es scheint immer irgendwo auf dem Mond die Sonne. Den Rest würden 3D-Drucker besorgen. China kann Menschen ins All schießen, will in ein paar Jahren Astronauten auf den Mond schicken und demnächst Mondgestein zur Erde transportieren – alles Vorarbeiten, um auf dem Mond die erste Lunar-Solar-Power-Anlage des Planeten Erde zu bauen.