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Solarstrom
Wenn aus Hauseigentümern Energieversorger werden

Immer mehr Betreiber von Photovoltaik-Anlagen liefern den erzeugten Strom an Nachbarn, Mieter im Haus oder Betriebe in der Umgebung. Die dadurch wachsende Zahl an neuen Stromversorgern dürfte in den nächsten 20 Jahren den Energiemarkt aufmischen.

Von Ines Rutschmann | 10.06.2014
    Dutzende Sonnenkollektoren stehen am in einem Solarpark des Photovoltaik-Spezialisten IBC Solar an der Autobahn 70 bei Buckendorf (Bayern).
    Machen den großen Energieversorgern Konkurrenz: Photovoltaik-Anlagen (dpa / David Ebener)
    In der Vergangenheit war alles recht einfach: Betreiber von Photovoltaikanlagen speisten ihren Strom zumeist komplett ins öffentliche Stromnetz und erhielten dafür einen festen Preis über das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG. Wohin die Energie floss und wer sie abnahm - das konnte ihnen egal sein. Inzwischen sind die Einspeisetarife für Solarstrom so stark gesunken, dass es sich eher lohnt, den Strom direkt zu verkaufen.
    EEG-Umlage nach einem reduzierten Satz
    Immer mehr Anlagenbetreiber liefern daher an Abnehmer in unmittelbarer Nähe: an Mieter, an Nachbarn, an Betriebe im eigenen Gebäude. Der Vorteil dabei ist, dass das öffentliche Stromnetz nicht genutzt werden muss. Damit entfallen Netzentgelte und mehrere Steuern und Abgaben, die gewöhnlich über den Strompreis zu entrichten sind. Der Anlagenbetreiber kann die Energie also günstig anbieten. Vor dem Gesetz ist er aber dann nicht mehr bloß Stromerzeuger, sondern auch Elektrizitätsversorger.
    "Das bedeutet, dass er dann nach dem EEG, nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, verpflichtet ist, an den Übertragungsnetzbetreiber die EEG-Umlage zu bezahlen. Zwar nach einem reduzierten Satz, aber er ist erst einmal zahlungspflichtig."
    Andreas Kretzschmar nimmt die Stromlieferdaten bei 50Hertz Transmission entgegen. Das ist der Übertragungsnetzbetreiber für das Gebiet zwischen Thüringer Wald und Usedom. Entsprechend den Meldungen erhalten die Solarstromanbieter Rechnungen zur Zahlung der EEG-Umlage. Derzeit beläuft sich der reduzierte Satz für jede Kilowattstunde auf 4,24 Cent. Ab August soll dieser reduzierte Tarif allerdings entfallen. Um ihre Zahlungspflicht anzuzeigen, müssen sich die Stromversorger von selbst bei einem der vier Übertragungsnetzbetreiber melden. Dazu gibt es ein Formular auf der Internetseite Netztransparenz.de. Wer die Registrierung unterlässt, muss mit rückwirkenden Forderungen rechnen, sagt Andreas Kretzschmar. Nach der Anmeldung bei 50Hertz passiert dagegen das Folgende:
    "Wir würden den Anlagenbetreiber dann in unserem System aufbauen und berücksichtigen und in der Folge wäre der Anlagenbetreiber verpflichtet, zwölf Prognosewerte fürs Jahr einzutragen. Das kann er jeden Monat einzeln machen oder aber auch schon im Voraus und in der Folge werden natürlich dann zwölf Abschlagsrechnungen gelegt, die der Anlagenbetreiber bezahlen muss, und fünf Monate später zum 31. Mai des Folgejahres muss uns der Anlagenbetreiber eine Endabrechnung nachweisen und auf der erfolgt dann die Jahresabrechnung."
    Bewegung auf dem Energiemarkt
    Der zeitliche Aufwand dafür betrage etwa fünf Stunden im Jahr. Zusätzlich sind die Liefermengen der Bundesnetzagentur zu melden und mit den Kunden Lieferverträge zu schließen. Diese sollen transparent, einfach und verständlich sein. Musterverträge hat der Bundesverband Solarwirtschaft erarbeitet. Sie gehören zu einem Leitfaden, den der Verband zum Kauf anbietet. 50Hertz zählt bislang 70 solare Stromversorger, die den gesetzlichen Pflichten nachkommen. Bei den anderen drei Übertragungsnetzbetreibern sind mehrere Hundert gemeldet. Die Zahl der solaren Stromversorger in Deutschland werde durch den Ausbau der Photovoltaik weiter wachsen, sagt Energieexperte Holger Krawinkel von der Verbraucherzentrale Bundesverband.
    "Das ist wie der Umstieg von der Eisenbahn aufs Auto, fast eine zwangsläufige Entwicklung und deswegen wird sich die konventionelle Energiewirtschaft und auch die Politik darauf einstellen müssen."
    Ab 2021 kann sich zudem eine neue Dynamik entfalten. Dann läuft für die ersten Solaranlagen die Förderung über das EEG aus. Sind diese noch betriebsfähig, können die Eigentümer sie natürlich weiter nutzen und die Energie selbst verbrauchen, an einen Händler verkaufen oder eben Stromversorger werden.
    "Ich vermute mal, dass die Batteriespeicher dann so günstig sind, dass zunächst einmal ein Großteil des Stroms selber genutzt wird. Und der Rest natürlich dann auch gern an Nachbarn und so weiter verkauft werden kann. Das wird sicherlich noch einmal einen Schub geben für diese Entwicklung, weil der Strom, der kostet dann praktisch nichts mehr, weil die Anlagen abgeschrieben sind,"
    sagt Holger Krawinkel. In Deutschland gibt es heute 1,4 Millionen Photovoltaikanlagen. Sollte nur jeder hundertste Betreiber seine Energie direkt vertreiben - es wären mehr als 10.000 neue Stromversorger, die in den nächsten 20 Jahren den Energiemarkt aufmischen. Dieser zählte zuletzt gerade einmal rund 650 Unternehmen, die Verbraucher belieferten.