Die Massenmedien sorgten heute dafür, dass uns das global stattfindende Elend ständig bewusst sei. Gleichzeitig seien wir aber nur bedingt aufnahmefähig für die vielen Krisen und Katastrophen in der Welt, sagte der Soziologe Tobias Scholz im Interview mit dem Deutschlandfunk: "Wir sind nicht in der Lage, an allen Leidensereignissen emotional teilzuhaben. Deshalb suchen wir uns die Ereignisse aus, wo wir mit unserem Mitleid anschließen."
Dann litten die Menschen mit und seien durch die schlimmen Bilder emotional aufgewühlt, allerdings auch von Handlungsoptionen abgeschnitten. Scholz spricht deshalb von einem "distanzierten Mitleid". Er bestätigte, dass es für viele Menschen geradezu eine Art Befreiungsschlag sei, wenn sie Flüchtlingen vor Ort in Deutschland helfen könnten. Das betreffe insbesondere solche Flüchtlinge, die vor dem Krieg beispielsweise im Irak oder in Syrien geflohen seien. "Da leiden wir bereitwilliger mit als dort, wo ein lebensökonomischer Grund die Menschen motiviert, ihr Land zu verlassen", so Scholz. Auch Opfer von Naturkatastrophen erregten schneller unser Mitleid als Menschen in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen.
Kritische Einstellungen Flüchtlingen gegenüber änderten sich aber, sobald das individuelle Schicksal von Menschen erzählt würde. Dann sei es einfacher möglich, "mit unseren Gefühlen einzusteigen". Das erklärt für Scholz auch die fehlende Solidarität mit Griechenland innerhalb der Europäischen Union: "Es kursieren nur wenige Geschichten von der Eurokrise, die den Menschen ermöglicht haben, wirklich zu verstehen, was die Sparmaßnahmen mit den Menschen in Griechenland gemacht haben."
Das vollständige Interview können Sie mindestens fünf Monate lang in unserem Audio-on-demand-Player nachhören.