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Solidaritätszuschlag
FDP beharrt auf vollständiger Abschaffung des Soli

Der FDP-Fraktionsvize Michael Theurer hat den Gesetzentwurf von Finanzminister Olaf Scholz zur Teilabschaffung des Solidaritätszuschlages kritisiert. Dieser sei "löchrig wie ein Schweizer Käse", sagte er im Dlf. Den Soli nur teilweise abzuschaffen, sei ungerecht und verfassungsrechtlich bedenklich.

Michael Theurer im Gespräch mit Christiane Kaess |
Michael Theurer, Landesvorsitzender der FDP Baden-Württemberg
Dass Spitzenverdiener weiter den Soli bezahlen müssten, sei ungerecht, sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer im Dlf (picture alliance / dpa / Bernd Weißbrod)
Christiane Kaess: Etwas sperrig wird der Solidaritätszuschlag offiziell als Ergänzungsabgabe zur Einkommenssteuer und Körperschaftssteuer bezeichnet, aber in der Umgangssprache hat er sich längst als Soli etabliert. Er ist für die meisten Steuerzahler eine feste Größe geworden. Obwohl er in erster Linie für die Kosten der deutschen Einheit gedacht war, besteht er seit 1991 bis heute. Die Große Koalition will das ändern und ihn zum Großteil abschaffen. Jetzt hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz von der SPD einen Gesetzentwurf vorgelegt. Ich kann über das Thema jetzt sprechen mit Michael Theurer, er ist stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Bundestag. Guten Tag, Herr Theurer!
Michael Theurer: Guten Tag, Frau Kaess!
Kaess: Die FDP ist ja für die Abschaffung des Solis. Handelt der SPD-Finanzminister jetzt also ganz in Ihrem Sinne?
Theurer: Der Gesetzentwurf von Olaf Scholz, der jetzt angekündigt ist mit den Details, die bekannt geworden sind, überzeugt überhaupt nicht. Der ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Wir fordern nach wie vor die Komplettabschaffung des Soli. Wir stehen an einer Schwelle der Rezession, und wir brauchen vor allen Dingen für Mittelständler, für Leistungsträger, für Selbstständige eine Entlastung. Drei Millionen Unternehmen in Deutschland sind Personengesellschaften, zahlen also als Unternehmenssteuer die Einkommenssteuer, und bei dem Vorschlag von Finanzminister Scholz gehen die jetzt wieder ohne Entlastung raus, und das ist das eindeutig falsche Signal, mal ganz abgesehen davon, dass die Bundesregierung versprochen hat, dass das Soli ausläuft, wenn die Aufgabe Solidarität abgeschlossen ist, und das wird 2021 der Fall sein.
Also wir glauben, eine teilweise Abschaffung des Soli ist verfassungswidrig und werden gegebenenfalls den Soli dann auch wegklagen.
Teilabschaffung "kein überzeugendes Konzept"
Kaess: Ja, wenn Sie das schaffen, denn das können Sie nicht alleine machen. Da ist die Frage, wer das mit Ihnen vor das Bundesverfassungsgericht bringen sollte. Aber noch mal zu Ihrer Aussage, dass dieser Entwurf löchrig ist wie ein Schweizer Käse, was meinen Sie damit genau?
Theurer: Na ja, jetzt zu kommen mit einer Teilentlastung und dann für eine Übergangszone bei einigen noch ein paar Ausnahmen zu machen, das ist ja kein überzeugendes Konzept. Der CDU-Fraktionschef Brinkhaus sagte, die Komplettabschaffung des Soli sei eine moralische Verantwortung, da kann ich nur zustimmen. Annegret Kramp-Karrenbauer hat das gefordert, der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier fordert die komplette Abschaffung, Markus Söder von der CSU auch.
Ich kann hier nur noch an die GroKo appellieren. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, ob die Bundesregierung jetzt den Soli komplett abschafft. Man hat versprochen, dass man ihn abschafft, und wir beharren, wir bestehen auf die Komplettabschaffung, denn die Steuerquote ist in der Regierungszeit von Angela Merkel von unter 20 Prozent auf jetzt 23 Prozent gestiegen. Die Steuereinnahmen insgesamt haben sich verdoppelt. Der Staat hat also kein Einnahmenproblem, sondern der Staat hat ein Ausgabenproblem.
"Wir haben große verfassungsmäßige Bedenken"
Kaess: Aber dann schauen wir uns doch noch mal genauer an, was Herr Scholz da jetzt vorgelegt hat. Wir haben das gerade im Bericht schon gehört, rund 90 Prozent der Steuerzahler werden erst mal entlastet und darüber hinaus sogar, laut diesem Gesetzentwurf, noch mal 6,5 Prozent zumindest teilweise entlastet. Es geht also dann um die Besserverdienenden, die dann übrigbleiben. Warum sollten diejenigen auch noch entlastet werden, die es im Vergleich zu anderen ganz einfach haben, diese Last – wenn man es überhaupt als Last bezeichnen kann – zu tragen?
Theurer: Also es geht ja vor allen Dingen darum, dass es sich um eine Sonderabgabe handelt. Wenn der Staat dauerhaft die Einkommenssteuer erhöhen wollte, müsste er die Einkommenssteuergesetze anpassen, dann würden auch die Länder und die Kommunen davon profitieren. Das tut er nicht. Also man bleibt bei einer Sonderabgabe, und dann auch nur für einen kleinen Teil der Steuerpflichtigen. Also da ist der Gleichheitsgrundsatz mit Sicherheit verletzt. Wir haben große verfassungsmäßige Bedenken, das ist das erste, aber das Zweite ist natürlich noch mal das Argument mit den Personengesellschaften. Wir haben Handwerksbetriebe, wir haben Selbstständige, Freiberufler, also vor allen Dingen der kleine Mittelstand, der 99,6 Prozent unserer Unternehmen ausmacht, der wird betroffen durch die Einkommenssteuer, und die zahlen alle den Soli, und genau diejenigen werden jetzt nicht entlastet. Das halten wir für entscheidend falsch, und gerade jetzt an der Schwelle einer Rezession brauchen wir eine Entlastung, insbesondere für die mittelständischen Unternehmen, weil da auch viele Arbeitsplätze dranhängen.
Kaess: Das ist die eine Seite, aber wir haben das auch schon gehört, es ist auf der anderen Seite so, dass dem Staat jetzt schon durch diese teilweise Abschaffung etwa zehn Milliarden Euro verlorengehen. Da muss man sich doch auf der anderen Seite fragen, wenn es jetzt für Spitzenverdiener, im Durchschnitt sollen das in etwa 150 Euro sein, die da weiterhin zu zahlen sind, ist das tatsächlich so schmerzhaft für jemanden, der im obersten Einkommensbereich liegt?
Theurer: Also das ist ja die falsche Frage, denn derjenige, der viel verdient, zahlt ja auch viel Steuern. Wir haben ja ein entsprechendes System bei der Einkommenssteuer. Die Leistungsfähigkeit wird ja dabei berücksichtigt. Die richtige Frage an der Stelle ist, warum kann ein Staat, der einen immer höheren Anteil dessen, was die Menschen in diesem Land erwirtschaften, für sich beansprucht, warum kann ein Staat, der unter der Regierungszeit von Angela Merkel doppelt so viele Steuern einnimmt insgesamt für Bund, Länder und Gemeinden als früher, nicht auch mal sich selbst bescheiden und dann ein Versprechen einlösen.
Kaess: Herr Theurer, die Frage ist ja schon auch …
Theurer: Ein Versprechen einlösen, das ja den Bürgern gegeben worden ist. Warum werden da jetzt einige ausgenommen.
Kaess: Das wird ja auch schrittweise gemacht.
Theurer: Das ist doch ungerecht. Also das ist überzeugt einfach nicht. Die Komplettabschaffung wäre das überzeugende, und wir haben als FDP, wenn ich das noch sagen darf …
"Man kann den Soli abschaffen, ohne in neue Schulden zu gehen"
Kaess: Das wird ja auch, Herr Theurer, wenn ich da gerade kurz reingehen darf, das wird ja auch schrittweise jetzt gemacht, aber wir haben gerade Herrn Rehberg gehört in diesem Beitrag, und da ist die richtige Frage ja auch schon, wie kann man auf zum Beispiel diese etwa zehn Milliarden Euro verzichten, wenn dafür dann erstens neue Schulden gemacht werden müssen und, zweitens, wenn wir eine Diskussion haben über Investitionen, die notwendig sind, die man zum Beispiel gerade auf dem Land braucht, in Regionen, die davon bedroht sind, abgehängt zu werden.
Theurer: Das ist genau die Frage, auf die ich ja eingehen wollte. Wir haben als Freie Demokraten schon bei der letzten Haushaltsberatung die Komplettabschaffung des Soli gegenfinanziert. Wir haben kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenthema, und wir werden auch für die nächsten Haushaltsberatungen, die ja unmittelbar nach der Sommerpause anstehen, Gegenfinanzierungsvorschläge vorlegen. Also man kann den Soli komplett abschaffen, ohne in neue Schulden zu gehen. Das ist doch die zentrale Botschaft. Jetzt ist Entlastung notwendig.
Kaess: Ich muss noch mal hinaus auf diesen Punkt der Entlastung der Spitzenverdiener in Deutschland. Wie wollen Sie, wie will die FDP – dann ist ja Ihre Position – das vermitteln vor dem Hintergrund, dass wir immer mehr darüber diskutieren, über die immer größer werdenden Gräben in der Gesellschaft? Da bleibt der FPD letztendlich doch immer noch dieser Stempel, dass sie die Partei der Besserverdienenden ist.
Theurer: Das ist aus unserer Sicht ja nicht der richtige Punkt, denn jetzt werden 96 Prozent vom Soli entlastet und ein ganz kleiner Teil eben nicht. Das ist doch ungerecht, nachdem die Regierung versprochen hat …
Theurer: Bundeswirtschaftsminister Altmaier hat recht
Kaess: Die Spitzenverdiener.
Theurer: Nein, die Regierung hat versprochen, der Soli wird eingeführt für eine Aufgabe. Wenn die erledigt wird, wird er abgeschafft, und jetzt wird er nicht abgeschafft für alle, sondern nur für 96 Prozent. Da kann man sagen, ist ein erster Schritt. Sagen wir: warum denn nicht für alle. Das ist ja eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wie glaubwürdig ist eigentlich eine Große Koalition, die was versprochen hat, aber dann nachher nicht einlöst. Ich komme noch mal auf das entscheidende Argument der Wettbewerbsfähigkeit. Drei Millionen Unternehmen in Deutschland sind Personengesellschaften, zahlen Einkommenssteuer als Unternehmenssteuer, müssen den Soli bezahlen, das ist der berühmte Mittelstand, das Rückgrat unserer Wirtschaft, und der wird jetzt nicht entlastet. Vor dem Hintergrund kann ich nur sagen, Bundeswirtschaftsminister Altmaier, der die Komplettabschaffung des Soli fordert, der hat recht. Ich frage mich an der Stelle, ob er und auch Annegret Kramp-Karrenbauer sich jetzt mal in der Großen Koalition durchsetzen können oder nicht.
"Es ist gerecht, die Soli komplett abzuschaffen"
Kaess: Den Punkt haben wir verstanden, Herr Theurer. Sagen Sie uns noch kurz zum Schluss, wie wollen Sie das Loch kompensieren, das im Haushalt entstehen würde, wenn man noch mehr vom Soli oder den ganzen Soli abschaffen würde?
Theurer: Wir haben eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht, zum Beispiel Steuersubventionen zu streichen, etwa die nicht abgerufenen Subventionen für die Elektromobilität. Wir sehen auch Möglichkeiten im Gesundheitsfonds. Also wir haben eine ganze Liste vorgelegt, um das solide gegenzufinanzieren. Das ist das zentrale Signal. Es ist gerecht, den Soli komplett abzuschaffen, und dafür müssen die Schulden nicht erhöht werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.