Messerangriffe
Auch kurze Klingen können tödlich sein

Nicht erst seit dem Angriff in Solingen wird über strengere Regeln für Messer diskutiert. Die Bundesregierung plant, das Waffenrecht zu verschärfen. Die Vorschläge von Innenministerin Faeser sind umstritten. Können sie Gewalt mit Messern verhindern?

    Von der Polizei sichergestellte Waffen liegen auf einem Tisch im Waffenmuseum des bayerischen Landeskriminalamts.
    Von der Polizei in Bayern sichergestellte Waffen: Vor allem die ganz normalen Gebrauchsmesser kommen bei Straftaten oft zum Einsatz, sagt die Kriminologin Elena Rausch. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Straftaten mit Messern nehmen zu und damit auch der Druck auf die Politik, etwas dagegen zu unternehmen. Zuletzt gab es mehrere schwere Messerangriffe: die Attacke in einem Regionalzug bei Brokstedt im Januar 2023, bei der zwei Fahrgäste erstochen wurden; der Messerangriff von Mannheim im Mai 2024, bei dem ein Polizist getötet wurde, und nun das Attentat auf dem Stadtfest in Solingen mit drei Toten.
    Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte bei einem Besuch in Solingen an, die waffenrechtlichen Regelungen zu verschärfen: „Das soll und das wird jetzt auch ganz schnell passieren.“ Doch werden strengere Gesetze helfen? Ein Überblick.

    Inhalt

    Wie häufig sind Messerangriffe?

    Laut Polizeistatistik gab es 2023 fast 9000 Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung, bei denen Messer zum Einsatz kamen, um entweder jemanden zu verletzen oder damit zu drohen. Das waren knapp 9,7 Prozent mehr Fälle als im Jahr zuvor. Generell gibt es in Deutschland seit 2022 mehr Gewalttaten, nachdem diese zuvor jahrelang zurückgegangen waren.

    Wie will die Bundesregierung das Waffenrecht verschärfen?

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat Mitte August 2024 schärfere Regeln für Messer angekündigt. Demnach sollen in Zukunft nur noch Messer mit einer Klingenlänge von maximal sechs Zentimetern mitgeführt werden dürfen. Bisher ist eine Klingenlänge von zwölf Zentimetern erlaubt.

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    Das bedeutet: Fürs Picknick ein Obstmesser mitzunehmen, soll weiterhin möglich sein, das große Küchenmesser müsste aber zu Hause bleiben. Wer in einem Geschäft ein solches Messer kauft, darf dieses originalverpackt und mit Quittung nach Hause transportieren.

    Springmesser sollen verboten werden

    Außerdem plant die Innenministerin, Springmesser auf die Liste jener Messer zu setzen, deren Gebrauch in Deutschland ganz verboten ist: Diese Messer darf man nicht nur nicht dabeihaben, sondern auch nicht kaufen oder nach Deutschland einführen. Dieses Umgangsverbot gilt bereits für Butterfly- und Fallmesser.
    Bereits seit dem Beginn ihrer Amtszeit will Faeser das Waffenrecht nicht nur bei Messern verschärfen: Unter anderem soll es mehr Befugnisse der Waffenbehörden gegenüber Waffenbesitzern und ein Verbot von kriegswaffenähnlichen, halb automatischen Feuerwaffen geben. Bislang blockierte jedoch der Koalitionspartner FDP die Pläne der Innenministerin.

    Welche Reaktionen gibt es auf den Vorstoß?

    Der FDP-Innenpolitiker Manuel Höferlin findet die Vorschläge „wenig überzeugend“ und spricht von Symbolpolitik: „Bereits jetzt ist im öffentlichen Raum, auf Veranstaltungen beispielsweise, auch auf Volksfesten, das Führen von Waffen – und dazu zählen auch Messer, die dazu geeignet sind – verboten“, sagt er. „Die Länder und Kommunen können bereits jetzt in besonders sensiblen Bereichen Messerverbotszonen einrichten.“ Wichtiger als generelle Verbote sei es, dass der Staat und seine Organe das geltende Recht durchsetzten.  
    Sein Parteikollege und Bundesjustizminister Marco Buschmann kündigte allerdings gleichzeitig Verhandlungen über das Waffenrecht für Messer an. „Wir werden nun in der Bundesregierung darüber beraten, wie wir den Kampf gegen diese Art der Messerkriminalität weiter voranbringen“, sagte der FDP-Politiker der "Bild am Sonntag".

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    Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hält die Pläne von Faeser für nicht ausreichend. „Ich finde, wir brauchen keine Diskussionen über Größen und Längen von Messern. Wir müssen über die Ursachen sprechen, wir müssen über Täterkreise sprechen und wir müssen durchsetzen, dass Messer gar nicht erst mitgeführt werden“, sagte er der "Rheinischen Post". Wegner zeigte sich offen gegenüber einem Komplettverbot für das Tragen von Messern im öffentlichen Raum. Allerdings gäbe es Probleme bei der Durchsetzbarkeit, räumte er ein.

    Mehr Befugnisse für die Polizei gefordert

    Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, die Diskussion über schärfere Regeln für Messer dauere zu lange, nach eineinhalb Jahren Ankündigungen liege noch immer kein konkreter Gesetzentwurf vor. Er forderte zudem mehr Kontrollbefugnisse für die Polizei, und dass gegenüber einer Person, die bereits als Gewalttäter auffällig geworden ist, ein allgemeines Messerverbot ausgesprochen werden kann.
    Man dürfe sich allerdings keine falschen Hoffnungen machen, dass durch Verbote allein das Problem der Messerangriffe gelöst werde, betonte Herrmann: „Jemand, der von vorneherein auf die Straße geht, um jemand anderen umzubringen oder schwer zu verletzen, dem sind solche Messerverbote ziemlich egal.“
    Die Gewerkschaft der Polizei hat zudem eine Messeramnestie vorgeschlagen, damit verbotene Stichwaffen abgegeben werden. Zusätzlich könnte als Belohnung ein Abonnement für einen Streamingdienst verschenkt werden.
    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und CDU-Chef Friedrich Merz haben unterdessen die geplante Verschärfung der Waffengesetze als Nebensächlichkeit bezeichnet. Dies sei "barer Unfug", der in Wirklichkeit nichts bewirken würde, sagt Merz auf einer CDU-Wahlkampfveranstaltung. "Nicht die Messer sind das Problem. Die Leute, die sie herumtragen, sind das Problem."

    Kann die vorgeschlagene Verschärfung des Waffenrechts helfen, Straftaten zu verhindern?

    Gesetzliche Regelungen können wohl nur gegen einen Teil der Straftaten mit Messern helfen. Es gebe nicht die eine Form von Messergewalt, betont die Kriminologin Elena Rausch.
    Angriffe im öffentlichen Raum wie in Solingen sind beispielsweise anders als Fälle im privaten Raum, etwa bei Partnerschaftsgewalt, oder wenn jemand in einem psychischen Ausnahmezustand zum Messer greift. Gesetzliche Regelungen könnten immer nur für einen Ausschnitt der Fälle eine Lösung sein, meint Rausch.
    Die Verfügbarkeit eines Messers in einer Konfliktsituation ist aber ein entscheidender Faktor: „Es sind meistens gar nicht die Butterflymesser oder die waffenrechtlich relevanten Messer, die mitgeführt und dann auch eingesetzt werden“, betont Kriminologin Rausch. Vielmehr seien es „Gebrauchsmesser, Taschenmesser, Küchenmesser".

    Keine Messerpräventionsprojekte

    Auch Messer mit kurzer Klinge könnten tödliche Verletzungen verursachen, gibt zudem der Gewaltforscher Dirk Baier zu bedenken. Der Soziologe leitet das Institut für Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Er betont, dass langfristig Präventionsmaßnahmen nötig seien.
    „Es gibt meines Wissens bislang keine etablierten, wissenschaftlich als wirksam nachgewiesenen Messerpräventionsprojekte“, sagt Baier. „Das heißt, wir müssen diesen Bereich ein Stück weit neu erfinden.“ Wichtig sei, als Gesellschaft zusammen gegen das Problem der Messerkriminalität vorzugehen.

    jfr