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Solms: Steuererhöhungen sind falsche Botschaft

Der FDP-Finanzpolitiker Hermann Otto Solms hat den Vorschlag aus den Reihen der CDU kritisiert, Steuersenkungen für kleine und mittlere Einkommen durch Steuererhöhungen für Besserverdienende zu finanzieren. Deren Arbeit müsse sich weiterhin lohnen, sagte Solms.

Hermann Otto Solms im Gepräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Norbert Barthle hat es auf die Titelseiten mehrerer Zeitungen gebracht. Der CDU-Haushaltsexperte hat vorgeschlagen, eine zusätzliche Stufe im oberen Bereich des Einkommenssteuertarifs einzuführen. Jetzt folgen ein paar Zahlen: Derzeit wird der Spitzensteuersatz von 42 Prozent ab rund 53.000 Euro Jahreseinkommen fällig. Erst nach gut 250.000 Euro steigt er mit der sogenannten Reichensteuer auf 45 Prozent. Also ab 53.000 42 Prozent, ab 250.000 45 Prozent. Und nun meint Norbert Barthle, wer als Lediger zwischen 100.000 und 250.000 Euro zu versteuern hat, der würde einen etwas höheren Satz durchaus verkraften. Die Erhöhung könnte dann die geplante Steuerentlastung für kleine und mittlere Einkommen refinanzieren. Am Telefon ist Hermann Otto Solms, Vizepräsident des Deutschen Bundestags und Finanzexperte der FDP. Guten Morgen!

    Hermann Otto Solms: Guten Morgen, Herr Heinemann!

    Heinemann: Herr Solms, was spricht gegen einen höheren Steuersatz bei einem Einkommen zwischen 53.000 und 250.000 Euro?

    Solms: Die Steuerzahler sind heute schon extrem hoch belastet. Sie zusätzlich zu belasten, würde den Leistungsprozess stören und gerade diese Menschen, die besonders leistungsfähig sind, in hohem Maße weiter ins Ausland treiben. Das können wir uns einfach nicht erlauben. Man muss im Übrigen bedenken, dass die höheren Einkommensbezieher - also die zehn Prozent Bestverdienenden - über 50 Prozent des Steueraufkommens erbringen. Das heißt, die sind hochbelastet, mehr wäre einfach unvernünftig.

    Heinemann: Sie sprechen von besonders Leistungsfähigen - nennen wir sie doch einfach mal besonders Reiche!

    Solms: Nein, die sind nicht reich, sondern durch ihre Arbeit haben sie ein höheres Einkommen, weil ihre Arbeit so hoch geschätzt wird. Und genau das sind diejenigen, die die Arbeitsplätze für die anderen mitschaffen, die für den Aufschwung in Deutschland gesorgt haben, und die sollen für diese Arbeit nicht bestraft werden, sondern auch deren Arbeit muss sich weiterhin lohnen. Im Übrigen dürfen Sie nicht vergessen, dass heute diejenigen, die hohe Einkommen beziehen, schon - wenn sie Soli und Kirchensteuer obendrauf rechnen - mit rund 50 Prozent besteuert werden. Mehr ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten.

    Heinemann: Herr Solms, wer 53.100 Euro verdient, wird heute so behandelt, wie jemand, der 249.000 Euro verdient. Ist das gerecht?

    Solms: Es wäre völlig ungerecht, Leute - das sind ja schon Facharbeiter, Betriebsingenieure und so weiter, der Kern der Facharbeiterschaft, die dieses Einkommen haben -, diese noch höher zu belasten. Das wäre das Gegenteil von dem, was wir wollen. Übrigens auch das Gegenteil von dem, was die CDU in ihrem Wahlprogramm versprochen hat. Wenn Herr Barthle als Chefhaushälter so einen Vorschlag macht, dann will er sich in Wirklichkeit um seine eigentliche Aufgabe drücken, nämlich dafür zu sorgen, dass die Staatsausgaben kontrolliert werden, und dass die 50 Milliarden Subventionen, die wir nach dem neuesten Subventionsbericht heute noch haben, diese abgebaut werden und gesenkt werden. Dann kämen wir auch haushaltspolitisch ohne Weiteres zurecht.

    Heinemann: Noch mal, Herr Barthle hat vorgeschlagen, ab 100.000 - und das ist für Normalsterbliche verdammt viel Geld -, ab 100.000 könnte man einen Prozentpunkt höhere Steuern zahlen. Ist das wirklich zu viel verlangt?

    Solms: Das ist ja genau die falsche Botschaft! Die Botschaft heute muss sein, dass die kleineren, mittleren Einkommensbezieher, die am stärksten vom Steuertarif bestraft werden, entlastet werden ...

    Heinemann: Und das muss man finanzieren!

    Solms: ... wenn Sie das - Moment! Wenn Sie das gleichzeitig mit der Botschaft verbinden, aber andere müssen mehr bezahlen, dann geht die Botschaft nicht auf, die Menschen trauen dann der Politik nicht mehr, und sagen, in Wirklichkeit wollen sie uns doch nur abkassieren!

    Heinemann: Die Union benötigt allerdings dafür die FDP nicht, denn die SPD ist einverstanden!

    Solms: Ja, wenn die Union meint, dass sie damit zusätzliche Wählergruppen erschließen kann, dann soll sie diesen Weg gehen. Ich befürchte, dass das Vertrauen - das die Union schon zu einem guten Teil verspielt hat - dann noch stärker verloren geht.

    Heinemann: Herr Solms, ein interessantes Steuermodell liegt auf dem Tisch, nämlich das des Verfassungsrechtlers Paul Kirchhof. Ein einheitlicher Steuersatz und Streichung aller Vergünstigungen - anderes Wort für Vergünstigungen: Subventionen. Das könnten Sie noch auf den Weg bringen, solang Sie noch in der Regierung beziehungsweise im Bundestag sitzen. Die FDP meine ich.

    Solms: Nun, der Vorschlag von Herrn Kirchhof ist hochinteressant, und die Grundideen sind auch die gleichen, die auch die FDP vertritt - ich hatte ja vorhin schon gesagt, der Abbau der Subventionen steht an, weil jede Subvention eine zusätzliche Ungerechtigkeit schafft, denn die, die die Subventionen nicht bekommen, sind dann im Wettbewerb benachteiligt. Das wäre auch die Aufgabe der Haushaltspolitiker, sich an den Abbau der Subventionen zu machen, statt sich über den Steuertarif den Kopf zu zerbrechen. Da ist ein riesiger Spielraum, und dann können wir Haushaltskonsolidierung und Steuerentlastung für die kleineren und mittleren Einkommensbezieher miteinander verbinden und in kurzer Zeit realisieren.

    Heinemann: Herr Solms, Sie kennen die Umfrage: Wenn eines Tages die Gründe für das Scheitern von Schwarz-Gelb zusammengetragen werden, welche Rolle spielt dabei das Thema Steuern?

    Solms: Es gibt keine Beendigung von Schwarz-Gelb oder ein Scheitern vor den Wahlen. Wir sind jetzt mitten in der Legislaturperiode. Da ist die Situation immer so, dass die regierenden Parteien in der Öffentlichkeit Schwierigkeiten haben, weil sie gerade in der Phase sind, wo sie die schwierigen Probleme zu lösen haben. Ich denke hier an die Energiewende oder an die Stabilisierung des Euro und Ähnliches. So, bis zur Bundestagswahl werden die Regierungsparteien wieder sehr viel mehr Anerkennung finden, auch vor dem Hintergrund, dass wir auf dem Arbeitsmarkt heute eine sehr gesunde Situation haben und wir im Herbst die niedrigsten Arbeitslosenzahlen seit 20 Jahren erleben werden.

    Heinemann: Hermann Otto Solms, der Vizepräsident des Deutschen Bundestages und FDP-Finanzexperte. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Solms: Danke schön!

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