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"Solo" von Emmanuel Pahud
Großes Kino mit nur einer Flöte

Fast zweieinhalb Stunden Musik bietet die Doppel-CD "Solo" von Emmanuel Pahud, und zwar nur mit Werken für Flöte solo. Pahud verbindet darauf Sonaten von Telemann mit Kompositionen aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Und zeigt, wie abwechslungsreich, atemberaubend virtuos und sinnlich eine Flöte klingen kann.

Am Mikrofon: Klaus Gehrke |
    Der Flötist Emmanuel Pahud im Halbporträt mit Querflöte senkrecht vor seinem Gesicht.
    Emmanuel Pahud (Josef Fischnaller)
    Der Flötist Emmanuel Pahud gehört zweifellos zu den bedeutendsten Solisten seines Faches. Auf seiner jetzt bei Warner Classics erschienenen Doppel-CD ist er im wahrsten Sinne des Wortes solistisch unterwegs: denn das Album bietet fast zweieinhalb Stunden Querflöte pur – mit einer höchst interessanten Musikzusammenstellung.
    Musik: Telemann, Fantasie Nr. 7, Ouvertüre
    Sie war das Lieblingsinstrument des preußischen Königs Friedrich II.: Mit ihrem nobel weichen Klang begeisterte die Querflöte sowohl den Monarchen als auch zahllose andere Musikliebhaber. Und neben Friedrichs Flötenlehrer Johann Joachim Quantz schrieben die bedeutendsten Meister des 18. Jahrhunderts wie Johann Sebastian Bach oder Georg Philipp Telemann überaus anspruchsvolle Solowerke. Das tun heutige Komponisten wie beispielsweise Matthias Pintscher auch. Bei ihm hört sich das jedoch so an:
    Musik: Pintscher, Beyond
    Sowohl das barocke und klassisch-romantische als auch das zeitgenössische Repertoire beherrscht Emmanuel Pahud souverän. Der in Genf geborene Musiker, der zu den letzten Schülern des legendären Aurèle Nicolet zählte, ist seit 25 Jahren Soloflötist bei den Berliner Philharmonikern. Neben seinen dortigen Verpflichtungen tritt er bei internationalen Festivals häufig als Solist und Kammermusikpartner auf; zudem leitet Pahud seit 20 Jahren ein Kammermusikfestival, bei dem er regelmäßig mit einem eigenen Ensemble mitwirkt.
    Hommage an Aurèle Nicolet
    Seine jetzt erschienene CD mit dem bezeichnenden Titel "Solo" präsentiert ihn nicht nur als höchst versierten Künstler, sondern ist zugleich auch eine Hommage an seinen verehrten Lehrer. Denn Aurèle Nicolet schätzte die seinerzeit noch durchaus ungewöhnliche Kombination von barocker und zeitgenössischer Musik sehr. Im Zentrum der vorliegenden Aufnahme stehen die zwölf Fantasien für Flöte solo von Georg Philipp Telemann, die um 1730 entstanden. Jede dieser Fantasien ist wie eine mehrsätzige kleine Suite mit zum Teil stark kontrastierenden Abschnitten aufgebaut; auch eine Fuge darf darin nicht fehlen, wie beispielsweise in der Fantasie Nr. 1 in A.
    Musik: Telemann, Fantasie in A
    Die zwölf Telemann-Fantasien kombiniert Emmanuel Pahud durchgehend mit Kompositionen für Flöte solo des 20. und 21. Jahrhunderts. Neben zum Teil überaus starken Klangkontrasten zeigt der Musiker mit dieser Programmauswahl auch einige Stationen im Zuge der Wiederentdeckung der Querflöte als reines Soloinstrument auf. 1917 beispielsweise schrieb Sigfrid Karg-Elert erstmals nach gut 150 Jahren wieder eine Flötensonate ohne Begleitung. Diese "Sonata appassionata" op. 140 steht noch ganz in der spätromantischen Tradition, ist allerdings kein effektheischendes Bravourstück. Vielmehr entstehen durch den raschen Wechsel von dramatischen und träumerischen Sequenzen mitunter geradezu fantastische Momente, die Pahud exzellent zu interpretieren weiß.
    Musik: Karg-Elert, Sonata appassionata
    Ein Ausschnitt aus der Sonata appassionata von Sigfrid Karg-Elert mit dem Flötisten Emmanuel Pahud. Über die Intentionen zu seiner Programmzusammenstellung schreibt Pahud im Booklet der CD:
    "Es sollte vielmehr eine Entdeckungsreise zu einem Instrument werden, das durch seine spirituelle Zauberkraft über Jahrhunderte verschiedene Kulturen in seinen Bann gezogen hat, vor allem die Komponisten der westlichen Kunstmusik. Manche Stücke hallen nach, manche warten auf Antwort. Verkettungen von beziehungsweise Brüche in Rhythmen und Tonarten lassen schließlich einen universelleren Rhythmus jenseits der einzelnen Stücke erkennen, es gibt Momente der Beruhigung, aber auch der Spannung."
    Beide Elemente finden sich auch in Luciano Berios 1958 komponierter "Sequenzia 1", die den Solisten an die Grenzen der technischen Möglichkeiten führt. Eine Herausforderung, die Emmanuel Pahud mit beeindruckender Souveränität meistert.
    Musik: Berio, Sequenzia 1
    Die jüngste der zeitgenössischen Kompositionen, die Pahud mit den Telemann-Fantasien kombiniert, ist die "Petite Suite" von Jörg Widmann. Diese geht zurück auf sein 2011 geschriebenes Flötenkonzert "Flûte en Suite".
    Bis an die Grenzen der technischen Möglichkeiten
    Nach dem Tod Aurèle Nicolets 2016 überarbeitete der Komponist auf Emmanuel Pahuds Bitte hin den Solopart des Konzertes. Widmanns "Petite Suite", eine Hommage an Nicolet, verbindet Anklänge an Mozart, Mahler oder Strauss mit zeitgenössischen Ausdrucksmitteln. Pahud schreibt im Booklet über das Stück:
    "Widmanns Musik ist extrem ausdrucksstark, klar und intensiv, dabei ungeheuer verschmitzt und schalkhaft, von einer Gefühlstiefe und Lebhaftigkeit, die mich an Nicolet und seinen Blick erinnert."
    Musik: Widmann, Petite Suite
    Was Emmanuel Pahud auf der Doppel-CD mit seiner Querflöte veranstaltet, ist, bildlich formuliert, ganz großes Kino: Neben atemberaubender Virtuosität, sinnlicher Klangfülle und technischer Raffinesse präsentiert er praktisch sämtliche Ausdrucksformen, die auf dem Instrument möglich sind – und das in einer geradezu perfekten Meisterschaft. Dazu kommt das hoch spannende musikalische Wechselspiel der Epochen in seiner Werkzusammenstellung, das interessante Querbezüge und neue Perspektiven zwischen den Stücken eröffnet. Am Ende der exzellenten CD setzt Pahud noch einen weiteren Akzent seines meisterlichen Könnens: und zwar mit Marin Marais‘ "Folies d‘Espagne" in der Bearbeitung für Flöte solo. Einfach faszinierend!
    Musik: Marais, Folies d‘Espagne
    Das war ein Ausschnitt aus den "Folies d‘Espagne" von Marin Marais mit dem Flötisten Emmanuel Pahud. Seine neue Doppel-CD "Solo" ist beim Label Warner Classics erschienen.
    "Solo"
    Werke von Georg Philipp Telemann, Toru Takemitsu, Luciano Berio, Jörg Widmann, u.a.
    Emmanuel Pahud, Flöte
    Warner Classics 0190295701758