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Somalia
Heimkehr aus Kenia ins Kriegsgebiet

Mohammed Hassan Hussein machte sich schon vor eineinhalb Jahren auf den Weg aus dem kenianischen Flüchtlingslager zurück nach Mogadischu. Doch bis heute hat er in seiner Heimat kaum eine Perspektive.

Von Bettina Rühl |
    Im Fernsehen läuft ein US-amerikanischer Krimi. Zwei Männer gucken zu, sie sitzen auf ihren Betten. Der schmale Raum hat nur ein kleines Fenster, ein Ventilator bringt wenig Kühlung. Die beiden Männer teilen sich das kleine Zimmer in der Altstadt von Mogadischu schon seit anderthalb Jahren. Davor hatten sie sich 20 Jahre lang nicht gesehen. Mohammed Hassan Hussein war kurz nach dem Beginn des somalischen Bürgerkrieges 1991 mit seiner Familie ins benachbarte Kenia geflohen. Dort hauste er mehr als zwei Jahrzehnte lang im Flüchtlingslager Dadaab, dem weltweit größten Lagerkomplex. Vor anderthalb Jahren hatte er vom Lagerleben endgültig genug:
    "Es gibt dort zu viele Anschläge. Die kenianische Regierung verdächtigt außerdem uns Flüchtlinge, mit den Bombenlegern gemeinsame Sache zu machen. Als Familienvater muss ich versuchen, meine Familie in Sicherheit zu bringen."
    Hussein kehrte also nach Mogadischu zurück, obwohl es auch dort noch immer gefährlich ist.
    "Mein Freund hat mich aufgenommen, mehr als einen Koffer hatte ich nicht dabei. Meine Familie ist noch im Lager. Ich hole sie erst nach, wenn ich in Mogadischu etwas aufgebaut habe."
    Davon ist Hussein noch weit entfernt. Anderthalb Jahre nach seiner Rückkehr aus dem Flüchtlingslager hat er noch immer keinen Job. Der 40-Jährige lebt weiterhin von dem, was ihm Bekannte zustecken.
    "Das ist eine Frage der Duldsamkeit. Im Lager war ich ein Flüchtling, jetzt bin ich ein Abhängiger. Das ist immer noch besser, als ein Flüchtling zu sein."
    Seit er aus Kenia zurück ist, lebt Hussein bei seinem Freund Abdikarim Mohammed. Die beiden teilen sich ein Zimmer.
    "Bevor der somalische Staat kollabierte, waren wir beide Nachbarn. Wir sind außerdem sehr weitläufig miteinander verwandt. Und während er in Kenia war, haben wir immer mal wieder miteinander telefoniert. Es ist doch klar, dass ich ihm jetzt helfe. Ich bedaure nur, dass ich ihm nicht die Rückkehr seiner Familie bezahlen kann."
    Mohammed arbeitet für eine Telefongesellschaft und gehört zu den wenigen, die in Mogadischu einen festen Job haben.
    "Die Sicherheitslage bessert sich etwas, aber jetzt ist Somalia nicht mehr so in den Schlagzeilen, und viele Hilfsorganisationen haben sich zurückgezogen. Wer bedürftig ist, wendet sich jetzt an seine Familie, an Freunde oder Verwandte. Wir, die wir immerhin etwas haben, sind mit der Situation überfordert. Wir können nicht das Vakuum füllen, das die internationalen Organisationen hinterlassen haben. Gleichzeitig können wir denjenigen, die in Not sind, unsere Hilfe auch nicht verweigern. Schon gar nicht, wenn wir mit ihnen verwandt sind."
    Mittags essen Mohammed und Hussein, beide Anfang 40, in einem der Restaurants von Mogadischu: Mohammed ist nicht verheiratet, Husseins Frau ist noch im Flüchtlingslager, und ein somalischer Mann stellt sich nicht an den Herd. Die Geschäfte für Restaurants und Garküchen laufen gut, das Essen kostet nur ein paar somalische Shilling.
    "Ich bin immer noch zuversichtlich. Vor dem Zusammenbruch des Systems habe ich für die Regierung gearbeitet. Ich hoffe, dass ich auch bei der neuen Regierung einen Job finde."
    Eine sehr optimistische Einschätzung. Husseins Berufserfahrung liegt 24 Jahre zurück und beschränkt sich auf zwei Jahre im Landwirtschaftsministerium. Problematisch ist auch seine Idee, sein ererbtes Elternhaus für seine Frau und seine fünf Kinder herzurichten. Während seiner Abwesenheit sind dort Flüchtlinge eingezogen, vor allem aber: Der Stadtteil, in dem das Haus steht, ist bis heute umkämpft. Mitglieder der Shabaab-Miliz haben sich dort festgesetzt. Und Hussein traut sich kaum auf das eigene Grundstück. Den Vorschlag, sein Haus einer weißen Fremden zu zeigen, weist er aus Sicherheitsgründen ganz weit von sich.
    "Ich persönlich bin noch nicht bedroht worden, aber ich war schon dabei, als Freunde Textnachrichten von der Shabaab-Miliz gekriegt haben. Darin stand, dass sie getötet werden, wenn sie dies oder jenes nicht sofort unterlassen."
    Die international anerkannte somalische Regierung hat also noch nicht einmal die Hauptstadt unter Kontrolle. Auch viele Landesteile unterstehen weiterhin der Shabaab-Miliz, die zum al-Qaida Netzwerk gehört. Fast störrisch hält Hussein trotzdem an der Hoffnung fest, dass es für ihn und seine fünf Kinder in Somalia eine Zukunft gibt. Vorerst will er jedenfalls nicht zurück in das Flüchtlingslager Dadaab.