Panzersperren und Wälle aus Sandsäcken vor dem Sitz des somalischen Präsidenten. Wer Einlass begehrt, muss seine Taschen mit Metalldetektoren durchsuchen, sich selbst gründlich abtasten lassen. Somalia, und vor allem der Sitz des Präsidenten, bilden gleichsam die Front des Krieges gegen den Terror ab. Denn: Kämpfer der islamistischen Shabaab-Miliz verüben regelmäßig schwere Attentate. Und erst Ende September starben am Präsidentensitz wieder einmal zwölf Menschen, sie wurden Opfer eines Selbstmordanschlags.
Der militärisch gesicherte und weitläufige Präsidentensitz beherbergt auch die Ministerien. In einem von ihnen arbeitet die Juristin Halima Olad. Die 26-jährige Deutsche ist erst vor einigen Wochen in ihr Geburtsland Somalia zurückgekehrt.
"Was mich überrascht hat, war der Fortschritt und dass es Nightclubs hier gibt, und dass die Leute offener sind als ich gedacht habe. Und das erste Mal weiß ich, wurde ich vom Fahrer abgeholt, der musste mich ins Büro fahren, und er hat dann so 90er-Popmusik angehört. Das hat mich auch überrascht.
Ich habe mir das alles strenger vorgestellt. Und natürlich ist das so in einigen Teilen von Mogadischu, aber in dem Hauptgebiet wo ich bin, ist das nicht so. Außer den Sicherheitskontrollen ist das Leben eigentlich ganz normal."
Ich habe mir das alles strenger vorgestellt. Und natürlich ist das so in einigen Teilen von Mogadischu, aber in dem Hauptgebiet wo ich bin, ist das nicht so. Außer den Sicherheitskontrollen ist das Leben eigentlich ganz normal."
Vermeintliche Normalität
Aber die vermeintliche Normalität verbirgt Abgründe, die Kontrollen haben ihren Grund: Das Leben in Mogadischu ist immer noch lebensgefährlich. Deshalb möchte Halima Olad ihren richtigen Namen lieber nicht veröffentlicht wissen, ebenso wenig wie das Ministerium, in dem sie arbeitet. Auch den Namen der deutschen Stadt, in der sie aufgewachsen ist, will sie außen vorlassen. Denn Mitarbeiter der Regierung unter Präsident Hassan Sheikh Mohamud stehen ganz oben auf der Todesliste der Shabaab-Miliz.
Für Halima Olad war das allerdings kein Grund, im sicheren Deutschland zu bleiben.
"Viele Leute denken, ich bin verrückt, dass ich hierher gekommen bin, und gleichzeitig kommen viele zurück - so wie ich – die idealistisch denken, die Business aufmachen wollen, die als Mediziner arbeiten, oder nur das Land erkundigen wollen um zu sehen, wo sie helfen können."
Ein Synonym für Gewalt und Anarchie
In einem Land wie Somalia gibt es keine Statistik, es galt jahrzehntelang als Synonym für Anarchie und Gewalt. Erst seit 2012 hat es wieder eine international anerkannte Regierung, aber die ist immer noch schwach und hat andere Sorgen, als Statistiken zu führen. Deshalb weiß niemand, wie viele qualifizierte Arbeitskräfte aus der ganzen Welt nach Somalia zurückgekommen sind, um beim Wiederaufbau des Staates zu helfen. Sicher ist aber: In der Regierung, im Parlament, in den sich neu gründenden Unternehmen oder am Strand von Mogadischu wird Englisch mit den unterschiedlichsten Akzenten gesprochen.
Viele der überwiegend jungen Rückkehrer können sich kaum mehr an das Land erinnern, in dem sie geboren wurden. Olad beispielsweise war erst zwei Jahre alt, als in Somalia der Bürgerkrieg begann. Ihre Eltern flohen mit den Kindern nach Deutschland.
"Also ich bin Deutschland unglaublich verbunden. Ich bin Deutsche. Ich träume auf Deutsch. Ich habe vielleicht ein paar Eigenschaften, die Leute als "typisch Deutsch" sehen. Was wird mir hier gesagt in Mogadischu? Ich sei sehr ernst. Und ich bin immer pünktlich. Das empfinden die als sehr deutsch. Und ich bin sehr direkt. Ich glaube, das ist Nummer eins: Direktheit."
Und vielleicht auch Entschlossenheit: Denn schon als Fünfjährige hatte einen klaren Berufswunsch: Sie wollte Juristin werden und dann in ihr Geburtsland zurückgehen:
"Weil ich mich immer mit Somalia verbunden gefühlt habe, oder diese Verpflichtung hatte: Die Leute, die etwas gelernt haben im Ausland sind es, die die Pflicht haben, zurückzukehren und das Land irgendwie -, dass jeder das tut, was er machen kann."
Auch viele Somalier halten Olad für verrückt, weil sie mit ihrem deutschen Pass nach 24 Jahren zurückkam, in ein kriegszerstörtes Land, das sie im Grunde nicht kennt. "Wir wollen mit Booten über das Mittelmeer fliehen, du kommst wieder – können wir nicht tauschen?" Das werde sie oft gefragt, erzählt Olad. Die junge Frau mit dem warmherzigen Lachen lässt sich davon aber nicht beirren.
"Die Diaspora hat eine wichtige Rolle zu spielen. Ich glaube, das ist sehr wichtig, die Leute, die hier sind, denen Perspektiven zu verschaffen, dass die auch hier bleiben und ihr Leben hier aufbauen können. Und nicht an Europa denken, oder ans Ausreisen. Viele nehmen das Risiko locker in Kauf, auch den Tod. Besser, als hier zu leben."
Wie ein Hamster in Käfig
Aber natürlich fiel ihr der Abschied auch schwer. Manchmal hat sie richtig Sehnsucht nach Deutschland.
"Am meisten vermisse ich einfach, nach draußen zu gehen und joggen zu gehen. Das kann ich hier überhaupt nicht. Ich fühle mich so, wie ein Hamster im Käfig. Diese Freiheit vermisse ich."
"Am meisten vermisse ich einfach, nach draußen zu gehen und joggen zu gehen. Das kann ich hier überhaupt nicht. Ich fühle mich so, wie ein Hamster im Käfig. Diese Freiheit vermisse ich."
Aber, gibt sie zu verstehen: Das wird sie aushalten, sich einen neuen Alltag aufbauen. Immerhin: In Mogadischu gibt es nun schon die ersten Fitnessstudios, vermutlich geleitet übrigens von Menschen, die aus der Diaspora zurückgekommen sind.