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Somalia
Vorsichtige Aufbruchstimmung

In Somalia gab es wegen des andauernden Bürgerkriegs mehr als 20 Jahre keine funktionierende Regierung und keinerlei staatliche Ordnung. Das Land ist nach wie vor von Frieden weit entfernt ist. Dennoch kehren in der Hauptstadt Mogadischu langsam Zeichen der Normalität zurück: Seit ein paar Tagen werden wieder Briefe zugestellt und der erste Bankautomat hat geöffnet. Mit dem können Somalier allerdings noch wenig anfangen.

Von Wim Dohrenbusch |
    Somalia, Mogadishu : Ein somalischer Mann benutzt den ersten Geldautomaten der somalischen Hauptstadt Mogadishu.
    Ein Stück Normalität: Nach zwanzig Jahren Krieg gibt es in Somalias Hauptstadt Mogadischu erstmals einen Geldautomaten. (AFP / Abdulfitah Hashi Nor)
    Mogadischu kurz nach Mitternacht. Disco unterm Sternenhimmel in einem Hinterhof der somalischen Hauptstadt. Die Tanzfläche, eine alte LKW-Plane auf sandigem Boden, ist überfüllt. "Die Party ist echt super. Man trifft sich, unterhält sich, lernt die verschiedensten Leute kennen. Es ist einfach toll."
    Die jungen Männer tragen überwiegend Jeans und T-Shirts, die Frauen bewegen sich in bodenlangen Gewändern und Kopftüchern geschmeidig nach der Musik. Aber ihre Gesichter sind unverhüllt, die Stoffe bunt statt schwarz.
    In Mogadischu herrscht so etwas wie Aufbruchsstimmung. Das bestätigt auch eine Meinungsumfrage unter fast 1.700 Einwohnern. Sie fühlen sich sicherer und blicken optimistischer in die Zukunft, sagt Abdi Aynte, Direktor des somalischen Heritage Instituts und Autor der Studie: "Dafür gibt es drei Gründe. Erstens haben die Kämpfe zwischen den Clans aufgehört, zweitens hat sich der Krieg zwischen den Al Shabaab-Milizen und der Regierung aus der Stadt raus verlagert. Und drittens sehen die Leute wieder Chancen, das reicht vom Arbeitsmarkt bis zum Bildungswesen."
    Nach 23 Jahren werden wieder Briefe zugestellt
    Eine dieser Chancen ist der internationale Post- und Paketverkehr. 23 Jahre nach dem Sturz des Diktator Siad Barre und dem schleichenden Zusammenbruch jeglicher staatlicher Ordnung werden seit ein paar Tagen tatsächlich wieder Briefe in Somalia zugestellt. Für eine ganze Generation geht nun zum ersten Mal im Leben buchstäblich die Post ab.
    Die "Salaam Somali" Bank war sogar etwas schneller und hat den ersten Bankautomaten des Landes in Betrieb genommen. "Im Moment richtet sich das Angebot eher an internationale Kunden, denn der Automat gibt nur US-Dollars heraus", sagt Direktor Siad Maalim Abukar stolz. "Aber wenn Gott will, dann bekommt Somalia bald auch wieder eine eigene Währung. Und die ist dann natürlich auch hier verfügbar".
    Längst ist auch der Inbegriff von Gottlosigkeit und westlicher Dekadenz zurück in Mogadischu. Im Osten der Hauptstadt, im alten Gewerbegebiet, hat Coca Cola im letzten Jahr seine Fabrik wiedereröffnet, erklärt Manager Mohammed Hassan Awale: "Die Anlagen waren nur von 2004 bis 2006 in Betrieb, damals haben wir Cola, Fanta und Sprite produziert und die Nachfrage war riesig. Während des Bürgerkriegs und unter dem Al Shabaab-Regime brach die Produktion zusammen. Aber dann dachten wir, wir könnten das Investment riskieren und die Fabrik wieder eröffnen."
    Auch auf dem Bakhara-Markt, wo die Kunden von Lebensmitteln und Flachbildschirmen, über Kleidung und Möbel bis zu Medikamenten fast alles kaufen können, leuchtet das Logo des US-Konzerns. Aus den Lautsprechern schallen heute keine Koran-Verse mehr, sondern Werbung. Mittendrin steht die Händlerin Suad: "Es ist ein Segen für die Wirtschaft und die ganze Stadt, dass die Fabrik wieder produziert."
    Mogadischu ist noch immer ein Trümmerfeld
    Trotz aller Aufbruchsstimmung ist Mogadischu jedoch immer noch ein Trümmerfeld und Somalia von Frieden weit entfernt. Das räumt auch der Politikwissenschaftler Abdi Aynte ein: "Unsere Studie ist sicher nicht geeignet ein rosiges Bild von Mogadischu zu zeichnen. Es gibt gute Fortschritte, aber wir stehen weiter vor außerordentlichen Herausforderungen."
    Allein im Oktober starben bei Explosionen von zwei Autobomben in Mogadischu mindestens 18 Menschen, ein somalischer Journalist wurde bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt und eine Frau von den selbst ernannten Gotteskriegern wegen angeblichen Ehebruchs zu Tode gesteinigt.
    Zum Schutz der Zivilbevölkerung und Unterstützung der Regierung sind nicht nur 20.000 afrikanische Blauhelme in Somalia stationiert. In einer Kaserne neben dem Flughafen von Mogadischu trainieren 120 Soldaten einer europäischen Ausbildungsmission die einheimischen Streitkräfte, damit sie zu einer schlagkräftigen und disziplinierten Armee werden.
    Als einziger Deutscher ist Oberstleutnant Jörg Hildebrand dabei. Er hat den Eindruck, dass die Al Shabaab ihren Rückhalt in der Bevölkerung verliert und glaubt fest an eine Zukunft für Somalia: "Die Hoffnung stirbt zuletzt. Also ich bin davon überzeugt, dass Mogadischu und auch gesamt Somalia sicherlich wieder ein friedvolle Zukunft vor sich haben werden. Es wird aber bis dahin noch einige Zeit ins Land gehen."