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Somaliland
Das Erfolgsmodell verliert an Glanz

Somaliland gilt in der instabilen Region am Horn von Afrika als Vorbild - trotz fehlender internationaler Anerkennung. Doch die Harmonie im Land scheint Risse zu bekommen: Auf Proteste gegen die Verschiebung der Präsidentschaftswahlen reagierte die Regierung mit ungewohnter Härte. Immer mehr junge Menschen verlassen den jungen Staat.

Von Bettina Rühl |
    Schwarze Männer und Kinder in rot-weiß-grünen Flaggen und Kleidung feiern unter freiem Himmel.
    Unabhängigkeitsfeierlichkeiten in Hargeisa 2011: Die Stimmung in der Bevölkerung ist seitdem schlechter geworden. (PETE CHONKA / AFP)
    Auf der Tafel stehen mit Kreide chemische Formeln geschrieben. Dazu erklärt Dozent Barakat Grundlagen der Pharmakologie. Vor ihm sitzen etwa 20 junge Männern und Frauen, sie studieren Zahnmedizin.
    "Die Studierenden lernen alles über Medikamente. Wie Sie sehen, studieren Männer und Frauen gemeinsam, Studentinnen sind in der Mehrheit. Auch hier gehen die Frauen also inzwischen von zu Hause weg und verlassen ihre Dörfer, um sich selbst und das Land zu verändern. Um das Land überhaupt erst aufzubauen."
    Barakat hält seine Vorlesung in einer privaten Universität in Hargeisa, der Hauptstadt von Somaliland. Die Region ist zu fast hundert Prozent muslimisch. Die Studentinnen tragen deshalb Kopftücher und weite Gewänder. Die kleine medizinische Universität ist an ein Krankenhaus angeschlossen, das Edna-Aden-Hospital. Benannt sind Universität und Krankenhaus nach ihrer Gründerin Edna Aden, einer ausgebildeten Krankenschwester und früheren Außenministerin von Somaliland.
    "Wir sind hier also in der Republik Somaliland. Das ist ein junger Staat. Die Menschen sind sehr motiviert. Diejenigen, die Sie hier vor sich sehen, wollen ihr Land nach vorne bringen, ein Gesundheitswesen aufbauen, die Gesellschaft und alles andere verändern."
    Die Vorlesung macht einen professionellen Eindruck; auch das Krankenhaus hat einen sehr guten Ruf. Das medizinische Personal gilt als bestens ausgebildet. Viele Dozenten kommen - so wie der äthiopische Pharmakologe Barakat - aus dem Ausland. Das alles ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil es den Staat Somaliland offiziell gar nicht gibt. Edna Aden, Gründerin von Universität und Krankenhaus, ist auf ihre Heimat unverkennbar stolz:
    "Hier gehen mehr Kinder in die Schule, als jemals zuvor in der Geschichte meines Landes. Wir treiben Handel mit jeder Nation auf der Welt. Es stimmt, dass wir politisch nicht anerkannt sind. Aber mir ist ein Somaliland ohne internationale Anerkennung lieber, als ein Somalia, das zwar offiziell ein Staat, aber politisch absolut instabil ist."
    Clans sind entscheidender Faktor
    Trotz der fehlenden Anerkennung galt Somaliland lange als mögliches Erfolgsmodell für andere afrikanische Staaten. Die Regierung hat tatsächlich fast ein Gewaltmonopol und leistet sich sogar ein paar Polizisten, die den Verkehr in Hargeisa zu regeln versuchen.
    Die somaliländische Regierung leistet für ihre Bürgerinnen und Bürger mehr, als viele anerkannte Regierungen Afrikas. Bildungs- und Gesundheitssystem verdienen durchaus diesen Namen, und der Staat schafft es weitgehend, die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu garantieren. In den vergangenen zwei Jahrzehnten fanden sechs demokratische Wahlen statt. Selbst das Staatsoberhaupt wechselte mehrmals, was in Afrika keine Selbstverständlichkeit ist.
    Aber der Glanz Somalilands verliert zurzeit an Helligkeit: Die Präsidentschaftswahl, die in diesem Monat stattfinden sollte, wurde um zwei Jahre verschoben. Das offizielle Argument: Die Wählerinnen und Wähler könnten nicht rechtzeitig registriert werden. In der ersten Jahreshälfte hat die Bevölkerung in mehreren Städten deshalb protestiert. Die Regierung reagierte mit bis dahin nicht gekannter Härte. Und vor allem: Die jungen Leute wandern ab, sehen keine Zukunft mehr in ihrer Heimat. Unter denen, die auf Booten im Mittelmeer unterwegs sind und ertrinken, sind auch viele Somaliländer. Scheitert das Erfolgsmodell?
    Claire Elder arbeitet für die "International Crisis Group". Deren Mitarbeiter beobachten politische Konflikte, um sie zu lösen oder erst gar nicht entstehen zu lassen. Elder erkennt die Leistungen Somalilands durchaus an:
    "In vielerlei Hinsicht hat sich die Demokratie in Somaliland sehr organisch entwickelt und war deshalb erfolgreich. Die Somaliländer haben Regierungsstrukturen aufgebaut, die das Machtstreben der verschiedenen Clans ausbalancieren. Das ganze politische System beruht auf Kompromissen zwischen den Clans. Das haben sie wirklich sehr gut hinbekommen."
    Die Clans, historische Großfamilien, sind noch immer der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen.
    Somalia ist weiterhin von Kämpfen zerrissen
    Was die Bevölkerung in Somaliland richtig gemacht hat, und wie die Menschen ihren Staat wieder aufbauen konnten, ist bemerkenswert in einer Zeit, in der die Zahl der kollabierenden Staaten in Afrika zunimmt, mit Libyen als jüngstem Beispiel.
    Somaliland glänzt vor allem im Vergleich. Der südliche Nachbar Somalia wird weiterhin von Kämpfen zerrissen und gilt international als Synonym für Gewalt. Somaliland dagegen ist seit zwei Jahrzehnten halbwegs stabil, ein Fels in einer instabilen Region. Die Internationale Gemeinschaft weiß das zu schätzen: Sie sucht die Partnerschaft im Kampf gegen die Piraterie vor der somalischen Küste. Und im Krieg gegen den Terror der somalischen Shabaab-Miliz, die zum Terrornetzwerk al-Qaida gehört. Die Shabaab-Miliz ist vor allem in Somalia und Kenia aktiv.
    Alltag auf den Straßes von Hargeisa
    Alltag auf den Straßes von Hargeisa (SIMON MAINA / AFP)
    Ein Blick zurück. Die Region im Norden Somalias erklärte sich vier Monate nach dem Sturz des somalischen Diktators Siad Barre unabhängig. Das war im Mai 1991. Allerdings lässt Edna Aden diese Formulierung so nicht gelten:
    "Lassen Sie mich als Erstes den Begriff "Unabhängigkeit" korrigieren. Somaliland wurde nur ein Mal unabhängig, und zwar als Protektorat von Großbritannien. Wir wurden nie kolonialisiert. Wir wurden nie erobert."
    Stattdessen löste Somaliland am 18. Mai 1991 seine Union mit dem südlichen Nachbarn Somalia wieder auf. Diese Union hatten Somalia und Somaliland kurz nach ihrer jeweiligen Unabhängigkeit im Juli 1960 geschlossen.
    Am Sturz des Diktators Siad Barre waren Rebellen aus dem heutigen Somaliland entscheidend beteiligt. Anschließend fühlten sie sich von den somalischen Milizen an den Rand gedrängt.
    Während einer Versammlung verabschiedeten Clan-Älteste und Vertreter der Rebellen am 18. Mai 1991 den Entschluss zum Rückzug aus der Union mit Somalia. Außerdem eine "Nationale Charta" als Grundlage der künftigen Verfassung.
    Somaliland hat neben dem Parlament eine zweite Kammer, den Guurti. Er besteht aus Clan-Ältesten, die auf Lebenszeit ernannt werden. Sie sind damit ein Machtfaktor, an dem niemand vorbei kommt. Mit demokratischen Strukturen nach westlichem Verständnis hat das nichts zu tun.
    Mohammed Farah arbeitet für die "Akademie für Frieden und Entwicklung", ein lokales Forschungsinstitut:
    "Die Staatsbildung in Somaliland war meiner Ansicht nach so erfolgreich, weil sie von der Bevölkerung getragen wurde und wird. Auch von den Menschen in den Dörfern. Alle gemeinsam haben sich für den Frieden eingesetzt. Wenn wir an 1991 zurückdenken: Somaliländische Rebellen haben ja geholfen, Siad Barre zu stürzen. Anschließend haben sie sofort mit einem Versöhnungsprozess in den Dörfern und mit den unterschiedlichen Clans begonnen. Versöhnung ist der Schlüssel zur Staatsbildung."
    Entscheidend für den Erfolg Somalilands ist der Einsatz der Bevölkerung
    Die "Akademie für Frieden und Entwicklung" wurde 1999 mit finanzieller Unterstützung der Vereinten Nationen gegründet. Beim Prozess der Staatsgründung sollten Expertise und Studien zur Verfügung stehen. Davon abgesehen bekamen die Somaliländer wenig Unterstützung - die internationale Gemeinschaft verfolgte andere Ziele. In Somalia dagegen investierte die Internationale Gemeinschaft viel Geld, sie wollte Überleben ermöglichen und Frieden bringen. Doch die Milliarden wurden zum Treibstoff des jahrelangen Krieges: Internationale Hilfsgelder waren und sind dort eine der wichtigsten Ressourcen, um die es zu kämpfen lohnt. Mehr als 20 Jahre nach Barres Sturz ist in Somalia noch immer keine Regierung imstande, das Staatsgebiet wirklich zu kontrollieren. Der Jurist Mohammed Farah erklärt das unter anderem durch die massive Einflussnahme von außen:
    "Dadurch gibt es die unterschiedlichsten politischen Interessen und Konzepte, strategische Interessen und Akteure. Der Konflikt in Somalia ist hochgradig internationalisiert. Es ist kaum möglich, die Vorstellungen der verschiedenen Akteure unter einen Hut zu bringen. Die somalischen Bevölkerungsgruppen widersetzen sich diesen Strategien und Konzepten im Zweifelsfall sowieso. Durch all das entsteht ein Klima, das für Konflikte extrem anfällig ist."
    Entscheidend für den Erfolg Somalilands ist vor allem der Einsatz der Bevölkerung für ihren Staat.
    Edna Aden, die Gründerin des Krankenhauses, ist ein Beispiel unter vielen. Als ehemalige Präsidentengattin und frühere Außenministerin kann sie ihrem Land besonders viel Geld zur Verfügung stellen. Weil sie trotz ihrer 77 Jahre ohnehin die meiste Zeit im Krankenhaus ist, wohnt sie der Einfachheit halber in einer Wohnung im Krankenhaus. Mit dessen Bau hat sie 1998 begonnen, sechs Jahre später wurde es eröffnet:
    "Warum ich das Krankenhaus gegründet habe? Weil es mein Wunsch war. Das ist mein Beitrag zur Entwicklung meines Volkes. Außerdem wollte ich nicht als Fremde im Ausland enden, in den USA oder in Europa. Ich wollte nicht eine weitere Person sein, die sich ungerecht gegenüber diesem Volk verhält. Deshalb bin ich entschlossen, alles zu teilen, was ich habe: Meine Zeit, meine Energie, mein Geld - alles."
    Natürlich braucht sie außer ihrem eigenem Geld weitere Mittel. Dank ihrer guten internationalen Kontakte fand und findet sie immer wieder Spender.
    Regierung hat nur begrenzte Mittel
    Weniger Geld, aber viel Zeit und Energie investieren auch die Bürgerinnen und Bürger des Dörfchens Eilbahay in "ihren" Staat.
    Ein einfaches Klassenzimmer. Die Mädchen und Jungen sitzen an Pulten aus Holz. An der beige gestrichenen Wand hängt eine flache Tafel. Durch die Fensterhöhlen fällt der Blick auf trockenes Buschland. Die Grundschule gehört zum Ort Eilbahay, etwa 60 Kilometer von Hargeisa entfernt.
    "Ich heiße Mahamad Mohamed Hassan. Ich bin der Direktor dieser Schule. Wir haben sie schon 1992 gegründet und ich bin von Anfang an dabei. Anfangs hatten wir keine Klassenräume, sondern haben unter einem Baum unterrichtet. Dann konnten wir Hütten bauen, und schließlich hat die Regierung diese Schule errichtet. Das Geld dafür kam von internationalen Organisationen."
    Schüerinnen mit Kopftüchern sitzen in einem Klassenraum.
    Schülerinnen in der Gambool High School in Garowe, Somaliland (SIMON MAINA / AFP)
    Ihr Gehalt beziehen die Lehrer von der Regierung. Eine bescheidene Summe. Als Direktor bekommt Hassan mit 80 Dollar im Monat noch am meisten. Aber immerhin wird das Geld regelmäßig ausgezahlt, was auf dem afrikanischen Kontinent keine Selbstverständlichkeit ist. Knapp sind außerdem die Mittel der Schule. Für manche Fächer gibt es nur ein einziges Schulbuch. Der Lehrer muss den Inhalt mit Kreide an die Tafel schreiben. Unterrichtet werden sieben Fächer, darunter Englisch, Wissenschaften und Mathematik. Was die Qualität des Unterrichts angeht, ist Hassan realistisch:
    "Es ist immer noch besser, als wenn die Kinder gar nichts lernen würden. Unser größtes Problem ist, dass wir nicht genug Lehrmaterial haben. Außerdem sind wir Lehrer nicht gut ausgebildet."
    Vieles kann sich die somaliländische Regierung schlicht nicht leisten. Das laufende Budget hat einen Umfang von rund 250 Millionen US-Dollar. Das ist bescheiden, selbst wenn man in Rechnung stellt, dass die Bevölkerung nur etwa vier Millionen zählt. Wichtigste Einnahmequelle ist der Hafen von Berbera. Dort erzielt die Regierung Steuereinnahmen. Lohnend ist das vor allem beim Export von Ziegen und Kamelen in die arabischen Staaten.
    Ansonsten leben die Menschen von der Landwirtschaft, von der Viehhaltung und von der Zuwendung ihrer im Ausland lebenden Verwandten. Das Bemerkenswerteste ist aber: Trotz der bescheidenen staatlichen Mittel ist Somaliland schuldenfrei. Und das, obwohl das Land von der Weltbank oder dem Internationalen Währungsfonds keine Kredite bekommt, weil es international nicht anerkannt ist. Deshalb sind die Mittel der Regierung entsprechend begrenzt.
    Die somaliländische Harmonie hat tiefe Risse bekommen
    Zurück nach Eilbahay. Für ungeübte Augen ist die Siedlung kaum als eine solche zu erkennen: Ein paar weit verstreute Hütten in kargem Buschland, durchsetzt mit dornigen Büschen. Es ist heiß, ein paar Ziegen zeigen sich trotz der Sonne. Unter einem der wenigen dürr belaubten Bäume sitzen drei alte Männer. Sie sind der "Bildungsausschuss" des Dorfes. In ihren Händen liegt auch das Management der Grundschule von Eilbahay. Dass die Bevölkerung auf diese Weise an allem beteiligt ist, gehört zu den Erfolgsrezepten von Somaliland. Omar Ahmed Warsame ist der Älteste des Dorfes und Mitglied des Bildungsausschusses:
    "Wenn wir beispielsweise zu wenige Schüler haben, gehen wir von Haus zu Haus und werben bei den Eltern für den Schulbesuch. Und wenn jemand krank ist, tun wir alles, damit er behandelt werden kann und gesund wird. Wenn es wenig geregnet hat und Wasser knapp ist, fragen wir die Regierung, was sie tun kann."
    Auf Warsames schwarzem Jackett liegt in eine feine Schicht Steppensand. Er trägt ein Palästinensertuch, eine weite Hose aus afrikanischem Stoff, eine muslimische Kopfbedeckung, schwarze Straßenschuhe und einen Gehstock. Mit dem Bürgermeister als dem Vertreter des modernen Staates arbeiteten die traditionellen Ältesten gut zusammen, meint Warsame. Es gehe schließlich darum, das Beste für die Bevölkerung zu erreichen.
    Aber die Ältesten nehmen die Bevölkerung auch in die Pflicht: Um eine Schule bauen zu können, gingen die traditionellen Dorfchefs von Haus zu Haus, sammelten Geld bei den Eltern, fragten aber auch den Bürgermeister nach staatlicher Unterstützung. Auf diese Weise bekamen sie genug Geld für ihre Schule zusammen. Das Bauen übernahm die Dorfbevölkerung dann selbst. Zurzeit haben sie ein neues Projekt. Die Ältesten haben angefangen, im Dorf und bei der Regierung für ein Gesundheitszentrum zu sammeln.
    Aber die somaliländische Harmonie hat tiefe Risse bekommen, die Stimmung in der Hauptstadt Hargeisa wird zusehends getrübter. Die Regierung hat die Wahlen - wie erwähnt - um zwei Jahre verschoben. Präsident Ahmed Mohammed Mahamoud "Silanyo", seit fünf Jahren im Amt, wird nun länger an der Macht bleiben. Claire Elder von der International Crisis Group findet die gegenwärtigen Tendenzen wenig ermutigend:
    "In Somaliland ist eine neue politische Elite entstanden, die zu der bisherigen politischen Kultur nicht mehr passt. Diese Politiker sind vor allem hungrig nach Macht, und sie sind nicht mehr kompromissbereit. Das ist beunruhigend."
    Denn die Kompromissbereitschaft war ja die Stärke Somalilands. Eine gravierende Veränderung also, für die Claire Elder folgende Erklärung hat:
    "Ein Grund dafür ist sicher die fehlende politische Anerkennung. Zwei Jahrzehnte lang haben sie sich so demokratisch wie möglich verhalten, weil sie gehofft haben, dass sie als Staat anerkannt werden, wenn sie im demokratischen Sinne alles richtig machen. Aber mehr als 20 Jahre lang gab es in dieser Frage keinerlei Fortschritt. Das hat Risse in ihrem System verursacht, und in gewisser Weise ist ihnen die Anerkennung nicht mehr so wichtig."
    Close-Up eines schwarzen Mannes mit grauem Bart und schwarzer Brille.
    Präsident Ahmed Silanyo bleibt zwei weitere Jahre im Amt. (dpa/picture alliance/Andy Rain)
    Noch etwas anderes kommt womöglich hinzu: die Hoffnung auf Erdölförderung und den entsprechenden Reichtum. Drei internationale Unternehmen sind seit geraumer Zeit mit umfangreichen Explorationen beschäftigt. Die ersten Ergebnisse waren vielversprechend. Erdölvorkommen sind vorhanden, fraglich ist nur, ob sie wirtschaftlich nutzbar sind. Das könnte das politische Spiel völlig verändern. Denn bislang war Somaliland arm, es gab kaum etwas, um das zu kämpfen sich lohnte. Die Aussicht auf Reichtum könnte Konflikte und Korruption schüren.
    Eine gefährliche Entwicklung
    Vielleicht ist außerdem das sehr traditionelle politische System den Anforderungen der Moderne nicht mehr gewachsen. An den Ältesten kommt bis heute niemand vorbei. Dabei sind mehr als 70 Prozent der Bevölkerung jünger als 25. Die meisten von ihnen sind arbeitslos. Die traditionellen Werte der Clan-Gesellschaft reichen nicht aus, um ihre Sehnsucht nach einer Arbeitsstelle und Teilhabe an der Globalisierung zu stillen.
    Der 31-jährige Mohamed gehört zu den wenigen Ausnahmen; er arbeitet in einem Ministerium. Genaueres möchte er aus Angst vor politischen Konsequenzen nicht veröffentlicht wissen. Seine Sorge ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich das politische Klima in Somaliland verschärft hat:
    "Viele junge Leute verlassen das Land. Sie gehen, weil sie keine Hoffnung hier haben. Das liegt zum Beispiel daran, dass die Regierung und private Unternehmen nur an diejenigen Jobs vergeben, die Beziehungen haben. Ein junger Mensch kann einen guten Abschluss haben, aber wenn er in der Regierung oder im privaten Sektor niemanden kennt, hat er keinerlei Chancen. Irgendwann ist jeder so verzweifelt, dass er das Land verlässt."
    Es scheint, als würde der langjährige Hoffnungsträger Somaliland in die alte Falle laufen: Macht und Chancen nicht gerecht zu teilen, Verzweiflung in der Bevölkerung zu schüren. Aber wer verzweifelt ist, wird unberechenbar. In einer instabilen Region wie dem Horn von Afrika ist das eine gefährliche Entwicklung.