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Sommer der Berufsbildung
Azubis und Betriebe zusammenbringen

Seit der Wende gab es noch nie so wenige Ausbildungsplätze wie im vergangenen Jahr. Der Trend könnte sich fortsetzen. Trotzdem müssen Schulabgänger nicht unbedingt um einen Ausbildungsplatz bangen – denn es gibt auch viel weniger Bewerber. Doch potenzielle Azubis und Betriebe müssen zusammenfinden.

Von Manfred Götzke |
Eine Auszubildende zur Orthopaedieschuhmacherin schneidet am 29.01.2020 in Stuttgart das Leder eines orthopaedischen Schuhs zurecht. Foto: Christoph Schmidt
Im Sommer der Ausbildung sollen Azubis und Betriebe zusammenkommen (dpa Themendienst / Christoph Schmidt)
An ausreichend Lehrstellen mangelt es im Corona-Jahr zwei nicht wirklich, da ist Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer überzeugt. Woran es momentan vor allem fehlt: Optionen für Unternehmen und potentielle Azubis, zusammenzukommen.
"Die Probleme liegen in der Pandemiezeit ganz klar in der Kontaktvermittlung. Es konnten keine Praktika stattfinden, es konnten keine Berufsausbildungsmessen stattfinden und vieles andere mehr, was sonst in der Vergangenheit immer Gang und Gäbe war." Zwar haben Unternehmen auf allen möglichen Online-Kanälen um Azubis geworben, doch das hat nur bedingt funktioniert, sagt Wollseifer. Deshalb soll nun der "Sommer der Berufsbildung" Abhilfe schaffen.
Ausbildung in der Pandemie - "Die Coronakrise hat den Ausbildungsmarkt voll erwischt"
Der Einbruch des Ausbildungsmarkts in der Corona-Pandemie sei fatal, weil dadurch bald mehr Fachkräfte fehlen könnten, warnte der DGB-Bildungsexperte Matthias Anbuhl im Dlf. Das Förderprogramm der Bundesregierung setze zwar an der richtigen Stelle an, sei aber viel zu bürokratisch.

"Wir wollen betriebliche Kennenlerntage oder Praktika"

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat sich gemeinsam mit Politik, Gewerkschaften und anderen Verbänden Formate überlegt, um Schulabsolventen und Firmen zusammenzubringen. Online, vor allem aber soweit wieder möglich analog: "Der Sommer der Berufsbildung soll Lust auf Ausbildung machen und alle Bildungsakteure wollen gebündelt ihre Aktivitäten noch weiter verstärken um Berufe vorzustellen und auch die Berufskarrieren und die Entwicklungsmöglichkeiten darzustellen."
Denn gerade für junge Leute ohne Top-Schulabschluss ist das direkte Kennenlernen jenseits von Teams und Skype wichtig - damit die Unternehmen die Potenziale des angehenden Azubis erkennen können. "Wir wollen betriebliche Kennenlerntage oder Praktika in Unternehmen bewerben, wir wollen innovative Maßnahmen der Berufsorientierung aufzeigen, Betriebe in der Region mit den Jugendlichen zusammenbringe, Ausbildungsstellen vermitteln, Eltern ansprechen, um so möglichst viele Jugendliche für eine Ausbildung zu gewinnen."

Schwächere Kinder sollen nicht auf der Strecke bleiben

Umgekehrt sollen die Azubis des nächsten Lehrjahrs sich selbst ausprobieren können - und etwa Lehrwerkstätten in die unterschiedlichen Handwerksberufe reinschnuppern - bei Sommercamps überall in Deutschland. Wo sich Jugendliche ausprobieren können und wir sogar Nachhilfeinitiativen geben wollen. Denn schulisch konnten die Jugendlichen nicht so qualifiziert werden wie in den Vorjahren. Diese Defizite aufzuholen - auch das ist Gegenstand der Sommercamps.
Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften wollen so verhindern, dass wieder die schwächsten Schüler auf der Strecke - und ohne Lehrstelle bleiben, erzählt Matthias Anbuhl, Ausbildungsbeauftragter beim Deutschen Gewerkschaftsbund: "Wir hatten schon vor der Pandemie 1,4 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 29 Jahren, die keinen Berufsabschluss hatten, nicht im Studium oder einer Ausbildung waren. Und für die ist die Teilhabe am Arbeitsmarkt ohnehin schwierig, die müssen sich auf lange Zeit der Arbeitslosigkeit einstellen, immer wieder schlecht bezahlte Kurzfristjobs – und das wird sich noch verschärfen. Weil das sind Jugendliche, oft mit Migrationshintergrund mit schlechten Schulabschlüssen, die keine Alternative haben im Bildungssystem."
Im vergangenen Jahr sind so wenig Ausbildungsplätze angeboten worden, wie seit der Wende nicht mehr. Ganze Branchen wie die Gastronomie und die Eventbranche sind weggefallen. Bereiche, in denen traditionell eher Schüler lernen, für die die Optionen nach dem Abschluss eher spärlich gesät sind.

Die Bundesregierung unterstützt die Unternehmen

Doch insgesamt sind die Chancen für potenzielle Azubis gar nicht so schlecht, sagt Lena Behmenburg. Sie ist Ausbildungsreferentin bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Zwar ist die absolute Zahl der Ausbildungsplätze nach wie vor gering, sie dürfte bei weit unter 500.000 liegen. Es gibt eben aber auch deutlich weniger Bewerber als in früheren Jahren: "Im Augenblick haben wir deutlich mehr Ausbildungsplätze bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet als Bewerber. Auf vier Jugendliche kommen momentan 5 Ausbildungsplätze. Das heißt, dass trotz Corona die Chancen auf eine Ausbildung sehr gut sind – sogar besser als im letzten Jahr."
Die Bundesregierung unterstützt die Unternehmen bei der Schaffung von Lehrstellen sehr umfangreich. Unternehmen, die von der Corona-Krise hart getroffen sind und dennoch Lehrlinge einstellen, werden pro Azubi mit 4000 Euro gefördert. Bilden sie sogar über Bedarf aus, gibt es 6000 Euro. Die Förderung sei unerlässlich, meint der Arbeitgeberverband: "Das ist für viele Betriebe, die von Corona geplagt sind und trotzdem ausbilden eine wertvolle Anerkennung."
Das sieht auch Handwerkspräsident Wollseifer so - denn ohne Förderung könnten im Jahr 2021 noch mehr Schulabgänger in die Leere gucken statt in die Lehre gehen: "Bei uns ist die Ausbildung eine Herzensangelegenheit – von daher hilft das Programm um Ausbildungsplätze zu sichern, indem man Liquiditätslücken der Betriebe auch hinsichtlich der Ausbildungsvergütungen kompensieren kann."