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Sommerinterviews von Merkel und Seehofer
Demonstrative Einigkeit

Kurz vor der Sommerpause wäre die Fraktionsgemeinschaft der Union beinahe an der Flüchtlingspolitik zerbrochen. In den Sommerinterviews von ARD und ZDF stimmten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer nun versöhnlichere Töne an - und demonstrierten abgestimmtes Handeln.

Von Stephan Detjen |
    Bundeskanzlerin Merkel sitzt vor Beginn des ARD-Sommerinterviews in einem roten Sessel, ihr gegenüber mit dem Rücken zur Kamera sitzt Studioleiterin Tina Hassel.
    Angela Merkel im ARD-Sommerinterview. (dpa-Bildfunk / Michael Kappeler )
    Der eine daheim in Ingolstadt, am Rande eines Sportplatzes. Er hat bei dem Verein früher Handball gespielt, "Großfeld", präzisiert Horst Seehofer, die andere im ARD Studio in Berlin. Man hätte eine Art Fernduell erwarten können – zumal Horst Seehofer im ZDF Interview keinen Zweifel an seiner Strategie erkennen lässt, die die Regierung noch vor wenigen Wochen an den Rand des Bruchs geführt hatte.
    "Ich würde im Rückblick betrachtet – das war ja eine Ihrer Eingangsfragen - exakt wieder so handeln." Doch zugleich macht der CSU-Vorsitzende auch klar, dass es so wie zum Anfang des Sommers an seinem Ende nicht weitergehen konnte. "Es war schon an der Grenze dessen, was man als Politiker hinnehmen sollte." Und Seehofer fügt hinzu: "Auch mir gegenüber."
    Jetzt also soll es anders werden. Und der Eindruck, dass Seehofer und Merkel nur über Fernsehinterviews quer über die Republik hinweg miteinander kommunizieren, täuscht. Gestern Abend saß man im Kanzleramt mit Vizekanzler Olaf Scholz von der SPD beisammen - Stimmungstest nach dem Ende des heißen Sommers: "Es fand nicht den Hauch eines Streits gestern statt", beteuert der CSU-Vorsitzende und als hätte man vor den sonntäglichen Interviewterminen in ARD und ZDF einen gemeinsamen Sprechzettel formuliert, demonstrieren Merkel und Seehofer abgestimmtes Handeln.
    "Wir sind da auf einem gutem Weg. Es war ein wichtiges Gespräch. Es war im übrigen auch lange verabredet, denn jetzt sind alle aus dem Sommerurlaub zurück und jetzt haben wir uns einfach mal den Herbst angeguckt. Und ich glaube, wir werden sehr, sehr viele Entscheidungen Woche für Woche auch fällen können."
    "Woche für Woche wichtige Entscheidungen treffen"
    "Wir haben uns ganz ernsthaft übrigens schon lange vereinbart und vorbereitet auf den Herbst. Wir werden jetzt Woche für Woche wichtige Entscheidungen treffen."
    Beschlüsse zur Renten- und Sozialpolitik standen gestern auf der Agenda. Große und kleine Themen waren miteinander verknüpft worden. Offenbar will man das Gesetzgebungspaket nicht aufschnüren, sondern auch in der gesamten Koalition Kompromissfähigkeit demonstrieren. Anfang nächster Woche sollen die Fraktionsspitzen eingebunden werden. Andrea Nahles, zugleich SPD-Vorsitzende, konnte gestern nicht dabei sein. Vor dem nächsten Spitzentreffen sendet die Kanzlerin Signale an die SPD:
    "Im Übrigen sind wir jetzt mitten in der Diskussion zum Fachkräftezuwanderungsgesetz. Ein Riesenschritt für die Union. Wir haben uns Jahrzehntelang, muss man sagen, gesperrt. Und wir sehen jetzt, dass das notwendig ist. Auch das muss man mal sagen: Auch Parteien sind lernfähig."
    Abgestimmt zeigen Merkel und Seehofer der SPD zugleich die Grenzen ihrer Kompromissbereitschaft auf, etwa was die Möglichkeit für abgelehnte Asylbewerber betrifft, sich durch die Aufnahme von Arbeit vor der Abschiebung zu schützen, den sogenannten Spurwechsel:
    "Ich finde den Begriff nicht gut, weil er den Eindruck erweckt, dass man als Asylbewerber kommt und dann einfach die Spur wechselt und geht auf Fachkräftemangel."
    "Ich bin gegen den klassischen Spurwechsel. Wenn sie den Menschen auf der Welt sagen ‚komm nach Deutschland. Du kriegst ein Asylverfahren. Wenn das nicht positiv ausgeht, dann bleibst Du aber in Deutschland und nimmst Arbeit auf.'"
    Merkel appelliert an Grundsätze der politischen Kultur
    Fortschritte vermeldet Horst Seehofer als Innenminister bei seinen Bemühungen, im Auftrag der Bundeskanzlerin Abkommen mit EU-Partnern über die Rücknahme von Asylbewerbern aus Deutschland zu schließen. Nach Griechenland und Spanien sei nun auch Italien dazu bereit, erklärt Seehofer und macht zugleich deutlich, dass dies nicht ohne Gegenleistung geschieht:
    "Die Italiener nehmen ihre Flüchtlinge zurück von der deutschen Grenze und wir sagen ‚wir helfen Euch bei der Seenotrettung bei der Aufnahme von Flüchtlingen‘. Das war ja jetzt gerade sehr aktuell. ‚Etwa im gleichen Umfang, wie Ihr von uns Flüchtlinge zurücknehmt, die eigentlich bei Euch das Asylverfahren bekommen, nehmen wir aus der Seenotrettung dann Flüchtlinge auf.‘"
    Noch im Frühsommer hatte Seehofer die Zurückweisung von Asylsuchenden an der deutschen Grenze als unabdingbare Maßnahme zur Reduzierung von Flüchtlingszahlen in Deutschland gefordert. Der Streit darüber sowie über die auch von Seehofer geforderte Verschärfung der Abschiebepolitik hatte die Koalition belastet. Angela Merkel appelliert vor diesem Hintergrund an Grundsätze der politischen Kultur:
    "Wir müssen uns unserer Sprache sehr daran halten, dass wir die Institutionen auch jede in ihrer Unabhängigkeit achten. Denn Demokratie ist mehr, als dass nur irgendjemand eine Mehrheit bekommt. Sondern Demokratie ist Minderheitenschutz. Demokratie ist Pressefreiheit. Demokratie ist Demonstrationsmöglichkeit. Demokratie sind unabhängige Gerichte."