In dem Papier trifft das von der Verwaltungsjuristin Maria Claudia Rojas aus Kolumbien angeführte Gremium eine spektakuläre Aussage: Demnach soll Franz Beckenbauer den Skandalfunktionär Mohamed bin Hammam in Katar anno 2002 mit zehn Millionen Franken bestochen haben, um für das deutsche WM-Organisationskomitee einen Zuschuss von 250 Millionen Franken zu erwirken. Bin Hammam war damals im FIFA-Finanzkomitee zuständig für solche Zuschüsse, Beckenbauer war Chef des deutschen WM-OK. Rojas Ermittlungsreport bezeichnet die beiden nun als "Haupttäter".
Mit sehr klar formulierten Korruptions-Vorwürfen erwecken die FIFA-Ethiker den Anschein, als hätten sie die Sommermärchen-Affäre, an der sich Strafjuristen in einigen Ländern seit Jahren die Zähne ausbeißen, endlich gelöst.
Mögliche Strafen wegen Bestechung
Die Causa dreht sich um zehn Millionen Franken, die Beckenbauer damals von Ex-Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus geliehen bekam und die bei Bin Hammams Privatfirma in Katar landeten. 2005 zahlte das deutsche WM-OK dann denselben Betrag über die FIFA an Louis-Dreyfus zurück. Diese Millionen bezeichnet Ethik-Chefermittlerin Rojas jetzt wörtlich als "Bestechungsgeld". Sie hat ihren Bericht, in dem es von Bestechungs-Schuldzuweisungen wimmelt, bereits Anfang letzter Woche an die rechtsprechende Kammer übersandt. Deren Vorsitzender, der griechische Jurist Vasilios Skouris, hat die Causa in kürzester Zeit studiert und zugelassen.
Sollten die erhobenen Korruptionsvorwürfe in einem Ethikverfahren standhalten, könnten Beckenbauer und anderen Ex-Funktionären des Deutschen Fußball-Bundes massive Strafen durch den Weltverband drohen. Beckenbauer, der erst kürzlich in Interviews rund um seinen 75. Geburtstag mitteilte, dass an allen Vorwürfen nie etwas gewesen sei, firmiert als Ehrenpräsident beim FC Bayern München. Zu den neuen Entwicklungen äußert er sich nicht.
Aktenlage legt andere Hintergründe nahe
Andere von Rojas' Report als Nebentäter bezeichnete, darunter die in einem deutschen sowie einem eingestellten Schweizer Verfahren belasteten Ex-Funktionäre Horst R. Schmidt, Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger, reagieren irritiert. Tatsächlich wirkt die Bestechungsversion der FIFA-Ethiker inkonsistent. Es fehlen Beweise, und auch die Indizienlage spricht dagegen. Warum hätte Beckenbauer damals aus seinem Privatvermögen einen Millionenkredit aufnehmen sollen, um einem schwerreichen Katarer Schmiergeld für einen Kostenzuschuss an die deutsche Bewerbung zu überweisen?
Auch war zum Zeitpunkt der Überweisung der 250-Millionen-Zuschuss für den DFB längst vertraglich fixiert und sogar die erste Rate in Höhe von 25 Millionen Franken geflossen. Man hätte die zehn Millionen einfach damit verrechnen können, ein Dreyfus-Darlehen hätte es nie gebraucht. Stattdessen gab es verschlungene Finanztransfers, die sich über drei Jahre streckten. Die Aktenlage legt andere Hintergründe nahe: Insbesondere die Version, dass die Millionen via Katar letztlich in ein TV-Rechte-Geschäft geflossen sind, von dem Beteiligte profitierten.