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Sommerserie: Dialekte in Deutschland
King von Berlin

Es ist noch gar nicht lange her, da galt der Berliner Dialekt als proletarisch und pöbelhaft. Inzwischen jedoch scheint er angesagt zu sein. In einer Telefonumfrage gaben fast zwei Drittel aller Befragten an, hin und wieder zu berlinern. Wahrlich nicht selbstverständlich in einem Schmelztiegel wie der Hauptstadt. Doch die Berliner Schnauze lebt - auch durch den Musiker Toni Mahoni.

Von Wolf-Sören Treusch |
    Ein Herz, gemalt auf einer Wand, in Berlin im Bezirk Kreuzberg.
    Ein Herz für die Berliner Schnauze: Das liegt auch an Typen wie dem Kleinkünstler Toni Mahoni. (dpa / picture alliance / Wolfram Steinberg)
    Lied (Armut)
    "Meine Armut kotzt mich an,
    ick will ooch ma an viel Kohle ran,
    ma det richtije große Ding abziehn,
    und über Nacht bin ick der King von Berlin."
    Strohhut auf dem Kopp, Kippe in der Hand: Toni Mahoni – ein Poet der kleinen Leute.
    "Man schnappt halt viel uff auf der Straße, da kommen die Themen ja auf einen zugeflogen. Ob det jetzt die Sünde ist oder ob det wat janz Alltäglichet, Banalet is wie zum Beispiel, dass der Kaffee jetzt Capuccino heißt oder so, ne."
    Lied (Armut)
    "Wat hab ick schon alles ausprobiert,
    fast Abitur und fast studiert,
    doch mein Portmonee ist dauernd leer,
    ick kiek uff mein Konto und ick weeß, ick will mehr.
    In seinen Liedern und Texten versteht sich Toni Mahoni auf kurze und knappe Betrachtungen des Lebens. Seine Geschichten spielen in Berlin, er selbst ist im Stadtteil Köpenick groß geworden.
    "Ich quatsche ja nu so, wie mir der Mund gewachsen ist. Die Heimat ist dann quasi in der Sprache drinne. Da sind dann schon Zusammenhänge, die mir ooch gefallen. Warum det auch so schnodderig wirkt. Weil es eben auch sehr kurz angebunden ist, das Berlinerische, und die Sachen eher so auf den Punkt rotzt sozusagen. Ja, weil auch so viel zusammengezogen wird. Also 'weiß ich doch auch nicht' oder 'weeßickdoooni'."
    Schon früh fand Toni Lust am Fabulieren. Als Elfjähriger trug er auf der Feier zu Margot Honeckers 60. Geburtstag ein selbst verfasstes Frühlingsgedicht vor – auf hochdeutsch, so war es damals gewünscht. Viele Jahre und einen Mauerfall später dann sein Schlüsselerlebnis beim Einkaufen.
    "Da habe ick irgendwie berlinert, irgendwas bestellt oder so, und da hat sich jemand darüber lustig gemacht. ‚Wie kann denn det sein, dass jemand berlinert’? Irgendwie so. 'Habe ick ja schon ewig nicht mehr gehört'. Und das hat mich irgendwie so uffgeregt, dass ich mein Hochdeutsch wieder über Bord geworfen habe."
    Seitdem berlinert er seine rotzig-charmanten Thesen über Gott und die Welt. Denn "Irgendwat is immer", so der Titel einer seiner CDs.
    "Gerade zum Beispiel hier in Kreuzberg hört man ja auch kein Berlinern mehr. Hast alle möglichen Sprachen, alle möglichen Dialekte, und von daher ist es vielleicht auch so ein bisschen die Aufgabe, dieses Kulturgut Berlinern eben einfach zu pflegen in dem Sinne."
    Lied (Armut)
    "Ick kiek uff meen Konto und ick weeß, ick will mehr."
    "Dialekte sind immer da besonders stark, wo gewachsene soziale Strukturen sind. Also soziale Netzwerke." Auch Peter Schlobinski ist in Berlin geboren, er ist Sprachwissenschaftler und Autor mehrerer Bücher zum Berliner Dialekt. Spitzfindig betrachtet handelt es sich beim Berlinischen um einen Metrolekt, sagt er, eine Stadtsprache, die aus einer Mischung vieler unterschiedlicher Mundarten entstanden ist.
    "Der Wortschatz hat sich historisch ja immer gespeist aus allen möglichen: aus dem Französischen, also "schauderös" zum Beispiel, aus dem Jiddischen. Also das ist eine Gemengelage aus verschiedenen Wortschätzen, die da eingewandert sind, man kann nicht sagen: Es gibt das Berlinische Wort."
    Aber, fügt der Wissenschaftler hinzu, es gibt den typischen Berliner Humor. Und der sei ohne die entsprechende sprachliche Einfärbung kaum vorstellbar.
    "Der große Satiriker Kurt Tucholsky, der hat auch eine ganze Reihe von Stücken im Berliner Dialekt geschrieben, und da sieht man auch: Dieser scharfe Humor, bis zur Satire hin, und dann im Dialekt, dass das schon was ganz Bemerkenswertes ist."
    "Wenn der Professor es gesagt hat: Es wird schon stimmen."
    Lied (Armut)
    "Wenn ick denn ma König bin,
    hau ick euch nen janzen Monat rin."
    Schlagfertig und frech, ehrlich und kumpelhaft, witzig und schnoddrig: das ist die Berliner Schnauze. Inzwischen ist sie wieder angesagt. Das liegt auch an Typen wie dem Kleinkünstler Toni Mahoni.