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Sommerserie: Dialekte in Deutschland
Machdeburjer Sprachperlen auf Facebook

Damit Machdeburjer Sprachperlen nicht vollends verschwinden, haben sich zwei junge Magdeburger vorgenommen, ihren Dialekt wieder salonfähig zu machen. Das wollen sie mit den modernen Mitteln des Internets, via Facebook, machen. Dann könnten Wörter wie Stratzen, schnubbeln oder polken wieder verstanden werden.

Von Christoph Richter |
    Ansicht des Magdeburger Doms
    Im Schatten des Magdeburger Doms werden Spaghetti "Bandwurmjekröse" genannt. (Deutschlandradio / Ulf Dammann)
    "Ick wette, dit hört man schon raus, dass wir das G hier vernachlässigen. Vorel, statt Vogel sagen, Machdeburch. Da war ja auch kein G zu hören", denn im Machteburjerischen – erzählt der Endzwanziger Pierre Kurby – gibt es fünf unterschiedliche Arten den Buchstaben G zu sprechen. Kumpel Alexander Blamberg – rein äußerlich der Typ Pep Guardiola - mit einer kleinen unterhaltsamen Sprachlehre:
    "Das G wird sehr oft zum J. Das kleine Örtchen Gommern bei Magdeburg, wird dann zu Jommern. Daher kommt auch der Spruch: 'In Jommern jibts jrüne Jorken.'"
    Was gibt’s da? "Jrüne Jorken. Grüne Gurken."
    Zwei Jungs, zwei gebürtige Magdeburger haben sich auf die Fahnen geschrieben, der Magdeburger Mundart mehr Wertschätzung zukommen zu lassen. Weshalb sie nun schon seit etwa zwei Jahren verschollene, aber auch neue Magdeburger Dialekt-Worte sammeln. Die Idee kam Alexander Blamberg und Pierre Kurby vor zwei Jahren auf einer Party, als sie in der Küche saßen und über die Sprache ihrer Eltern und Großeltern scherzten.
    Fast täglich kommen Zuschriften von Ex-Magdeburgern
    "Und da dachten wir, das müssen wir mit den Menschen teilen. Und da war eben die Idee eine Facebook-Seite zu machen. So fing das an. Und immer mehr Menschen wurden auf uns aufmerksam. Und immer mehr Feedback kam, das die Leute das geil finden, daran Spaß haben, darüber miteinander in den Dialog treten wollen. Der Dialekt ist ja meine Identität, meine Heimat wo ich herkomme. Das ist das, was die Leute bewegt. Mit dem Dialekt schauen wir dem Magdeburger ins Herz."
    Das Interesse ist riesig. Etwa 12.000 Fans haben die zwei – man kann schon sagen – Magdeburger Hipster. Fast täglich bekommen sie Zuschriften von Ex-Magdeburgern – aus Deutschland, der Schweiz, den USA, sogar aus Kanada und Brasilien – die den zwei Hobby-Mundart-Forschern verschollene Worte des Machteburjerischen schicken. Über 800 Worte konnten sie so bereits sammeln, darunter Begriffe wie "Bandwurmjekröse" – ein älterer Begriff für Spaghetti. Aber auch stratzen, schnubbeln, polken. Oder: Bötel, Bolle, Teite. Auch das Wort "stoppeln" ist dabei, ein Begriff aus der Nachkriegs-Ära, als die hungernden und ausgebombten Magdeburger, die umliegenden Börde-Äcker nach der Erntezeit nach Kartoffel-Resten abgesucht, also "gestoppelt" hatten.
    "Hinter jedem Wort steckt quasi eine Geschichte. Das hilft uns, uns zu erinnern und den ganzen Fans von uns. Was haben die Leute erlebt. Wann haben sie das letzte Mal Gehackte Stippe gegessen."
    "Ist aus gehacktem zubereitet. Magdeburger Delikatesse."
    So was wie das Magdeburger Nationalgericht.
    Einen wissenschaftlichen Anspruch haben die beiden Fährtensucher des bundesweit so gut wie unbekannten Machdeburjer Dialekts nicht. Blamberg und Kurby verstehen sich eher als zwei Romantiker.
    Die Grundtonart des Machdeburjerischen ist drastisch bis motzig
    "Also im Zeitalter der Globalisierung ist es wichtig, dass man so eine Identität hat. Dialekt, das ist eine Lebensart und eine Einstellung zum Leben und eine besondere Sichtweise darauf. Und das ist halt das Fantastische."
    Die Grundtonart des Machdeburjerischen ist drastisch bis motzig. Eine Mischsprache, die aus dem Plattdeutschen kommt, aber auch viele Worte aus dem mitteldeutschen – also sächsischen – Sprachraum übernommen hat. Nicht zu vergessen, französische Sprach-Einflüsse. Denn in der Gegend um Magdeburg haben einst viele Hugenotten gelebt, französische Flüchtlinge.
    "Da ist der Einfluss von überall ein bisschen zu hören."
    Alexander Blamberg ist Maschinenbauer und Designer. Zusammen mit Pierre Kurby – einem studierten Philosophen und Psychologen – hat man jetzt im Selbstverlag das weltweit erste Wörterbuch zum Machdeburjer Dialekt veröffentlicht. Doch es sollte kein gewöhnliches Lexikon werden, erzählt Alexander Blamberg, weshalb jede Seite im Buch wie ein altes Emaille-Schild gestaltet ist, in dem die vergessenen Worte anschaulich erklärt werden.
    "Und das soll auch so leicht zerkratzt sein. Ein bisschen wie früher. Man guckt sich das an und denkt, ja, ein altes Wort."
    Finanziert wurde das Magdeburger Sprachlexikon über eine sogenannte Crowdfunding-Kampagne. Ein zweiter Band ist bereits in Planung.
    Aber es ist nicht nur beim Wörterbuch geblieben. Die beiden Magdeburger bedrucken auch T-Shirts, Taschen oder Kühlschrank-Magnete mit Machdeburjer Wortschätzen. Sprache zum Anfassen, nennen das Alexander Blamberg und Pierre Kurby. Die mehr als Dialekt-Forscher sind, sondern auch zwei Ethnologen, zwei fröhlich-heitere Magdeburg-Erklärer.
    "Viele Menschen wollen die Sprache aus dem Internet herausnehmen und in ihren Alltag reinbringen und über solche Mittel geht das wunderbar."