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Sommerserie: Gerechtigkeit
Gebende Jugend und nehmende Alte?

Die Jungen zahlen für die Alten - und schauen im Alter selbst in die Röhre: Wer über Generationengerechtigkeit diskutiert, landet oft bei der Rente. Andererseits profitieren die Jungen auch durch ihren Lebensstandard von der Leistung der Älteren. Lassen sich die Generationen also gar nicht vergleichen?

Von Anke Petermann und Uschi Götz |
Als Miniaturfiguren sind zwei Senioren auf Euro-Münzen zu sehen
Das Schlagwort "Generationengerechtigkeit" hat derzeit wieder Konjunktur in der Diskussion um die Rente. (dpa/Jens Büttner)
"Also, Diskussionen über die eigene Rente sind eigentlich immer von einem sarkastischen oder ironischen Unterton begleitet", stellt die Netz-Aktivistin Katharina Nocun mit Blick auf ihre Altersgenossen Anfang 30 fest. "Niemand glaubt ernsthaft in meiner Generation oder jünger, dass er das rausbekommt, was er jetzt einzahlt. Niemand."
Die studierte Politologin fungiert als Botschafterin der "Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen" - laut Eigendarstellung ein gemeinnütziger Thinktank, für den Wissenschaftler sowie Politiker von CDU und SPD auf Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen werben. Im wissenschaftlichen Beirat sitzen laut "Lobbypedia" neben lobbyfernen Zukunftsforschern auch Akteure der Versicherungswirtschaft, die an privater Altersvorsorge verdienen.
Politische Gestaltung des Rentensystems variiert
Festgemacht unter anderem an den Niedrig-Renten, die sie für sich befürchten, kritisieren junge Stiftungs-Botschafter die gefühlte Generationenungerechtigkeit. Doch ob die Jungen aus der Rentenkasse rausbekommen, was sie einzahlen, ist kein tauglicher Maßstab für Generationengerechtigkeit, meint der Sozialwissenschaftler Stefan Sell. Selbst dann nicht, wenn man die Rendite der Alten der voraussichtlichen Rendite der Jungen in einer "Generationenbilanz" gegenüberstellt. Denn was die Jungen im Alter bekommen, sei ja abhängig davon, wie man das Rentensystem politisch gestalte.
"Wenn ich eine Entwicklung habe wie jetzt, wo die Renten gekürzt wurden wie seit der Jahrtausendwende, habe ich schlechtere Aussichten für die jüngere Generation. Aber politisch könnte man sich ja auch vorstellen, dass wir eine Rentenreform bekommen, wo man die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenreform wieder verbessert. Oder auf ein Niveau hebt wie in anderen europäischen Ländern."
Vergleich der Generationen kaum möglich
Das Hauptproblem des Begriffs "Generationengerechtigkeit" sieht der Koblenzer Professor darin, dass überhaupt suggeriert wird, Generationen seien vergleichbar. Die Probleme der Jungen mit befristeten Verträgen und schlecht bezahlter Leiharbeit gegen das teilweise schwere Schuften der Kriegs- und Nachkriegsgeneration aufzurechnen, hält der Sozialwissenschaftler für kaum möglich. Von der Krippe bis zum Schulabgang verursachen die Jüngeren erst mal Kosten und profitieren von der Gemeinschaftsleistung ihrer Eltern und der Gesellschaft. Mit Blick auf die Älteren gehöre somit auch in die Bilanz,
"was diese Menschen beispielsweise an Vermögen akkumuliert haben, in Form von Immobilien und Ersparnissen, die dann auch teilweise oder vollständig wieder rückvererbt werden auf die jüngere Generation. Da muss man doch bei so einer Bilanzierung auch unterscheiden, dass es viele jüngere Menschen gibt, die unter deutlich besseren Bedingungen aufwachsen können, auch was ihre Bildung und Ausbildung betrifft, als das bei ihren Eltern und Großeltern der Fall war."
Für die Kinder von Reinhold Gilb trifft das jedenfalls zu. Ihnen finanzierte der 88-Jährige eine gute akademische Ausbildung. Er selbst arbeitete schon als 15-jähriger Lehrling täglich zehn Stunden an sechs Tagen in der Woche. Insgesamt 45 Jahre schuftete der Kfz-Meister in verschiedenen Firmen. Heute bewohnt der Rentner eine barrierefreie Wohnung in Speyer. Ob es generationengerecht zugeht, maßt er sich nicht an zu beurteilen.
"Ich freu' mich des Lebens."
Es gehe ihm gut, sagt er schlicht.
Nicht alt gegen jung, sondern arm gegen reich
Das Schlagwort "Generationengerechtigkeit" hat derzeit wieder Konjunktur. Schon im vergangenen Jahr hatte die Junge Union gefordert, das Renteneintrittsalter ab 2030 auf 70 Jahre anzuheben. Unlängst verlangten das mit Verweis auf die längere Lebenserwartung auch die beiden Wirtschaftsforscher Hüther und Fratzscher.
Tatsächlich sei die Lebenserwartung einkommensabhängig, kontert der Armutsforscher Stefan Sell, deshalb könne der Renten-Eintritt mit 70 bewirken,
"dass die Oberen der Einkommensverteilung trotz der längeren Lebensarbeitszeit die Gewinner sind, weil deren Anstieg der Lebenserwartung noch höher ausfällt als die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, sie gleichzeitig materiell auch besser ausgestattet sind. Und die Unteren sind die großen Verlierer, denn viele von denen werden entweder das hohe Rentenalter, das hohe, gar nicht erreichen, vorher versterben oder kurz danach versterben. Also, deren Leistungen werden massiv gekürzt."
Und solche Verteilungs-Ungerechtigkeiten verwische der Begriff "Generationengerechtigkeit", fürchtet Sell. Dass diejenigen, die ihn ständig im Mund führen, die gesetzliche Rente schwächen wollen, zugunsten privater Anbieter - darüber lässt sich streiten. Jung gegen alt - darin sehe auch sie nicht die wichtigste Frage, zieht als Fazit erstaunlicherweise auch die junge Botschafterin für "die Rechte zukünftiger Generationen". Stattdessen betont Katharina Nocun:
"Die große Gerechtigkeitsfrage, die wir diskutieren müssen, das ist für mich ein Konflikt zwischen Habenden und Nicht-Habenden. Denn die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander."