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Sonderabgabe für Kohlekraftwerke
Laschet: "Das ist nicht durchdacht"

Mit der von Sigmar Gabriel geplanten Sonderabgabe für alte Kohlekraftwerke missachte der Bundeswirtschaftsminister den Koalitionsvertrag, sagte Armin Laschet im Deutschlandfunk. Der CDU-Vorsitzende von Nordrhein-Westfalen prognostizierte, dass im Falle einer Umsetzung der Pläne der Erlös von RWE dahinschmelze - "mit allen Folgen für die Gesamtbevölkerung".

Armin Laschet im Gespräch mit Dirk Müller | 25.04.2015
    Der Vorsitzende der CDU in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet.
    Der Vorsitzende der CDU in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. (dpa/Martin Gerten)
    Niemand habe während der Koalitionsverhandlungen von dieser Abgabe gesprochen, sagte Armin Laschet, CDU-Vorsitzender von Nordrhein-Westfalen sowie Bundesvize seiner Partei: "Das war nicht verabredet." Insofern verstoße Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gegen den Koalitionsvertrag.
    Wenn zusätzliche Abgaben ausgerechnet dem einzigen Energieträger aufgebürdet würden, der nicht subventioniert wird, sei seine Geduld am Ende, so Laschet. Gabriels Vorschläge würden unweigerlich zu einem Anstieg der Energiepreise führen, nicht nur für Braunkohlestrom. "Das trifft die Verbraucher, aber auch die mittelständische Industrie."
    Der NRW-CDU-Vorsitzende hob hervor, dass es unter anderem die Braunkohle-Industrie sei, die Deutschland wirtschaftlich in Europa so gut dastehen lasse.
    Laschet sieht schwerwiegende Folgen in Gabriels Vorhaben
    Gabriels Pläne, mit der Sonderabgabe auf alte Kohlekraftwerke die Emissionen zu senken, können für Laschet nach hinten losgehen. "Dann wird zum Beispiel in Sachsen Braunkohlestrom aus Polen importiert. Und damit steigen die CO2-Werte in Europa dennoch. Das ist nicht durchdacht. Es macht doch keinen Sinn, wenn wir künftig, den Strom, den wir nicht wollen, importieren, weil wir keine Versorgungssicherheit herstellen können."
    Mit Gabriels Plänen würden im Rheinischen Braunkohlerevier 17 von 20 Kraftwerke auf einen Schlag unrentabel, sagte Laschet. Der Erlös des Unternehmens RWE würde dahinschmelzen - "mit allen Folgen für die Gesamtbevölkerung".
    In Berlin sind heute Beschäftigte des Braunkohletagebaus zu einer Protestaktion gegen die geplante Abgabe aufgerufen. Erwartet werden Arbeiter aus den Braunkohlegebieten des Rheinlandes, der Lausitz und Mitteldeutschlands. Sie befürchten, dass das Vorhaben von Bundeswirtschaftminister Gabriel Arbeitsplätze kostet. Am Standort Garzweiler wollen hingegen Gegner des Braunkohle-Tagebaus demonstrieren.
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    Das Interview in voller Länge:
    Die Gewerkschaften marschieren in Berlin gegen diese Klimaabgabe. Umweltschützer dagegen organisieren eine Menschenkette in Garzweiler in der Nähe von Aachen für den schnellen Ausstieg aus der Braunkohle. Am Telefon ist nun der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet, der zugleich Partei- und Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen ist. Guten Morgen!
    Armin Laschet: Guten Morgen!
    Müller: Warum unterstützen Sie die Luftverschmutzer?
    Laschet: Das ist eine einfache Frage. Ich unterstütze keine Luftverschmutzer, sondern ich halte mich an den Koalitionsvertrag. Ich war Mitglied der Energiearbeitsgruppe. Wir haben 40 Stunden während der Koalitionsverhandlungen zusammengesessen, im Detail erörtert, wie können wir die Energiewende zum Erfolg führen, wie können wir den Anteil der regenerativen Energien steigern, wie können wir das 40-Prozent-Ziel erreichen und trotzdem in den Zeiten, wo kein Wind und keine Sonne da ist, die Grundlast sichern durch Erdgas, durch Steinkohle und durch Braunkohle. Und niemand hat von dieser neuen Steuer und Abgabe gesprochen. Und die Koalition hat versprochen, es gibt keine neuen Steuern und Abgaben. Und deshalb ist es ärgerlich, dass durch diesen Vorschlag jetzt nicht nur eine neue Abgabe erfunden wird, sondern auch Zehntausende Arbeitsplätze gefährdet werden.
    Müller: Können wir so festhalten, aus Ihrer Sicht, Sigmar Gabriel verstößt gegen den Koalitionsvertrag.
    Laschet: Eindeutig, denn das war nicht verabredet. Und damit jetzt zusätzlich Arbeitsplätze beim einzigen Energieträger, der ohne Subventionen auskommt, der wettbewerbsfähig ist, der ein heimischer Energieträger ist, was gerade in Zeiten internationaler Abhängigkeit auch von Russland, beim Gas beispielsweise eine große Rolle spielt, dies alles aufs Spiel zu setzen, das führt dazu, dass jetzt die Gewerkschaften, dass Zehntausende auf die Straße gehen und sich das einfach nicht mehr gefallen lassen. Und an dem Punkt ist auch meine Geduld am Ende.
    Müller: Da gibt es ja noch die Lösung, dass dann die Verbraucher wieder alles übernehmen jetzt, wie bei der Energiewende. Das ist ja gar kein Problem. Die Strompreise werden dann höher oder werden nicht entsprechend weitergegeben. Müssen die Verbraucher die Zeche zahlen?
    Laschet: Wenn Gabriels Vorschlag kommt, werden die Energiepreise erneut steigen. Das ist ja der zweite Kritikpunkt neben dem Arbeitsplatzargument. Denn wenn Sie einen billigen Energieträger zusätzlich belasten, wird das natürlich auf die Verbraucher umgelegt. Das trifft uns alle als Verbraucher. Es trifft aber auch erneut die mittelständische Industrie. Ich habe viele Briefe von Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, von energieintensiven wie der Aluminiumindustrie, aber auch von Mittelständlern, die sagen, wir schwächen uns dauernd im europäischen Wettbewerb durch solche nationalen Alleingänge.
    "Das ist die Substanz unseres Industrielandes"
    Müller: Aber stimmt das, dass diese Unternehmen - Aluminiumindustrie, wird immer wieder als Beispiel aufgeführt, von Ihnen jetzt auch. Das sind eben diejenigen Unternehmen, meine Frage, die auch am stärksten belasten, die am stärksten dazu beitragen, dass wir das Klimaschutzziel nicht erreichen.
    Laschet: Ja, die für uns Arbeitsplätze sichern, die der Beginn unserer Wertschöpfungskette sind. Wir können natürlich sagen, Deutschland will keine Stahlindustrie mehr, keine Chemieindustrie mehr, keine Aluminiumindustrie mehr, alle, die viel Energie verbrauchen. Das ist aber die Substanz unseres Industrielandes, das uns auch derzeit so gut in Europa stehen lässt, das diese Erfolgsbilanzen in den Arbeitsplatzbilanzen unseres Landes sichert. Wir müssen uns entscheiden. Und ich finde, wir sind ohnehin schon Vorreiter in Europa, und indem wir jetzt immer einen Schritt noch drauflegen und dann am Ende französischen Atomstrom oder polnischen Kohlestrom importieren müssen, um unsere Energieversorgung sicherzustellen, das hat nun auch nichts mit Klimaschutz zu tun. Nationale Alleingänge helfen bei dem Thema Klimaschutz nicht.
    Müller: Halten wir den zweiten Punkt fest: Arbeit geht immer noch vor Umwelt.
    Laschet: Nein. Es ist immer ein Abwägungsprozess. Und wenn wirklich dem Weltklima gedient würde durch das, was hier vorgeschlagen ist, dann könnte man ja darüber diskutieren, aber ich habe es ja gerade beschrieben: Die CO2-Preise in Europa werden weiter verfallen, in Polen entstehen neue Kohlekraftwerke. Wir hatten gestern den sächsischen Ministerpräsidenten Tillich hier bei unserer Klausurtagung, der beschreibt, dann wird nach Sachsen statt aus der Lausitz der Strom aus Polen importiert, und dann steigen trotzdem die CO2-Werte in Europa. Das ist nicht durchdacht, dieses System, was mal eben aus dem Ärmel jetzt gestampft wird.
    Müller: Sie sind ja auch für den Ausstieg aus der Atomenergie gewesen beziehungsweise haben das mitgetragen wie viele in der Union, und weltweit werden Atomkraftwerke gebaut. Also, über den Tellerrand zu schauen, kann ja nicht die Richtlinie offenbar für die deutsche Politik sein, weil wir machen auf jeden Fall alles anders.
    Laschet: Ja, aber Herr Müller, das Problem ist, beim Atomausstieg ist uns kein Mensch gefolgt, das ist nun eine Entscheidung, die ist gefallen. Aber es macht doch keinen Sinn, wenn wir jetzt gerade den Strom, den wir nicht wollen, demnächst importieren nach Deutschland, weil wir keine eigene Stromsicherheit mehr herstellen können. Das ist ja ein zusätzliches Problem, das hier entsteht, und das ist von vorn bis hinten nicht durchdacht, und allein, dass der Bundeswirtschaftsminister in zwei Wochen dreimal neue Pläne und Berechnungen vorlegt, zeigt doch, dass das nicht seriös gearbeitet ist. Die Wirtschaft, die Unternehmer, die langfristig investieren, die Arbeitsplätze sichern, können sich ja in Deutschland nicht einmal mehr auf den Koalitionsvertrag verlassen, der gerade mal anderthalb Jahre alt ist, weil dauernd am System verändert wird. Und das ist für ein Industrieland nicht gut.
    Müller: Wenn es so weiter läuft wie bislang, also ohne diese Klimaschutzabgabe, ohne die Pläne von Gabriel, dann können Sie, also stellvertretend als Politiker, dafür garantieren, dass diese Klimaschutzziele, 40 Prozent Einsparung gegenüber 1990, eingehalten werden.
    "Wir ringen um die anderen Möglichkeiten"
    Laschet: Nein. Da müssen wir weiter dran arbeiten. Wir haben auch den Vorschlag gemacht, der DGB-Vorsitzende hat das ja auch eben in seinem Statement erwähnt, dass wir bei der energetischen Sanierung der Häuser mehr machen, dass wir endlich eine Förderung entwickeln, dass alte Heizungsanlagen aus Häusern erneuert werden können. Wir könnten mehr machen bei der Kraft-Wärme-Koppelung, eine ganz CO2-freundliche Form von Energieherstellung. Man muss ein bisschen Fantasie da jetzt anwenden, was man denn macht -
    Müller: Aber Sie haben doch die Verantwortung. Warum passiert das denn nicht?
    Laschet: Ja gut.
    Müller: Sie sagen immer "könnten".
    Laschet: Wir sind ja jetzt im Streit mit dem Bundeswirtschaftsminister. Wenn er sich mal entschließen würde, in den Koalitionsvertrag hineinzuschauen, da steht das alles drin, und dann kann man das sehr schnell bis zum Juni umsetzen. Und dafür plädieren wir, und in diesem Wettbewerb stehen wir im Moment. Sollen wir die Braunkohle einfach belasten und aus dem Markt drängen, wie das der grüne Staatssekretär im Wirtschaftsministerium will, oder haben wir andere Möglichkeiten? Und wir ringen um die anderen Möglichkeiten.
    Müller: Wir haben verschiedene Zahlen gefunden. Stimmt das denn, dass 90 Prozent aller Betriebe von diesen Gabriel-Plänen gar nicht betroffen wären?
    Laschet: Also bei den Kraftwerken stimmt das nicht. Das haben mir gerade Gesamtbetriebsräte diese Woche noch mal geschildert, von den Gabriel-Plänen sind hier in Nordrhein-Westfalen, im rheinischen Revier gibt es 20 Braunkohlekraftwerke, 17 davon wären betroffen. Nach den ersten Plänen wären 17 nicht mehr rentabel. Das heißt, die Tagebaue müssten verkleinert werden, die Wasserbaue müssten verkleinert werden, der Erlös des Unternehmens RWE würde dahinschmilzen mit all den Folgen, die das auch in der Sicherung der Folgelasten der Braunkohle und auch der Kernenergie für die Gesamtbevölkerung hat. Also da hängt mehr dran, als eben mal ein Kraftwerk abschließen.
    Müller: Wir haben nicht mehr viel Zeit. Herr Laschet, morgen auch Thema in der Koalitionsrunde, beim Koalitionsgipfel. Wird die ganze Sache kassiert?
    Laschet: Ich denke, dass wir da noch etwas länger diskutieren, und dass das morgen nicht abschließend behandelt wird. Ich wünsche mir, dass man das 40-Prozent-Ziel bestätigt, aber dass sich die Koalitionsrunde noch mal darauf konzentriert, will man das wirklich mit dieser Brachialmethode oder haben wir andere Wege, in Europa Vorreiter zu sein.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk CDU-Vize Armin Laschet. Danke für das Gespräch, Ihnen noch ein schönes Wochenende!
    Laschet: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Das vollständige Gespräch können Sie in Kürze hier nachlesen oder schon jetzt als Audio-on-Demand nachhören.