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Sondersitzung im NRW-Landtag
Rechtsausschuss befasst sich mit Fall Sami A.

Der nach Tunesien abgeschobene Sami A. muss zurück nach Deutschland. So haben es deutsche Gerichte entschieden. Nun kommt der Rechtsausschuss im nordrhein-westfälischen Landtag zusammen, um in einer Sondersitzung über die Auswirkungen des Falls zu sprechen.

Von Moritz Küpper | 27.08.2018
    Abgeordnete stimmen im Plenum des Landtages NRW ab.
    Sitzung des NRW-Landtags (dpa/ picture alliance /Federico Gambarini)
    Die Opposition im Landtag sieht gar eine Verfassungskrise. Wie er das Vorgehen sowie Äußerungen seiner Kabinettskollegen im Fall Sami A. bewerte, dazu muss NRW-Justizminister Peter Biesenbach, CDU, in der heute um 12.30 Uhr beginnenden Sondersitzung des Rechtsausschuss im nordrhein-westfälischen Landtag, Stellung nehmen. Außerdem solle der Justizminister das – Zitat "gestörte Vertrauensverhältnis zwischen den Staatsgewalten" bewerten.
    Debatte über Rechtsstaats-Verständnis der Landesregierung
    "Es ist eine große Vertrauenskrise seitens der Justiz gegenüber der Politik entstanden und das hat diese Landesregierung zu verantworten."
    So der SPD-Fraktionschef im NRW-Landtag und ehemalige Justizminister des Landes, Thomas Kutschaty, der damit die Kritik der Präsidentin des NRW-Oberverwaltungsgerichts, Ricarda Brandts, aufnimmt: Selbst von hochrangigen Politikern sei erheblicher öffentlicher Druck aufgebaut worden, den Gefährder endlich abzuschieben, hatte sie nach der Entscheidung ihres Hauses, dass Sami A. zurückgeholt werden müsse, gesagt. Für einen stabilen Rechtsstaat sei die Unabhängigkeit der Gerichte entscheidend. Brandts warf den Behörden zudem vor, mit – Zitat "halben Wahrheiten" gearbeitet zu haben.
    Die Abschiebung selbst, ihre Umstände, aber auch der Umgang mit den Gerichtsentscheidungen, hatte eine Debatte über das Rechtsstaats-Verständnis der schwarz-gelben NRW-Landesregierung ausgelöst. Nicht nur Integrationsminister Joachim Stamp von der FDP, der für diese Abschiebungsentscheidung verantwortlich war, sondern auch NRW-Innenminister Herbert Reul, CDU, der von Gerichten gefordert hatte, dass das – Zitat – "Rechtsempfinden der Bevölkerung" zu berücksichtigen sei, hatten für Diskussion gesorgt, so dass sich vor einigen Tagen sogar NRWs Ministerpräsident Armin Laschet, CDU, genötigt sah, klarzustellen, dass er Wert darauf lege, dass die von ihm geführte Regierung vorbehaltlos höchstrichterliche Entscheidung akzeptiere und umsetze.
    Politische Aufarbeitung geht weiter
    Nun, gut anderthalb Monate nachdem Sami A. nach Tunesien überführt wurde, geht die politische Aufarbeitung des Falls damit weiter: Es ist die zweite parlamentarische Sondersitzung im NRW-Landtag. Nach dem Rückholbeschluss des OVG Münster, hatte sich zudem auch schon NRW-Integrationsminister Stamp erklärt – und einen Rücktritt von abgelehnt:
    "Der Rechtsstaat ist nicht nur ein hohes Gut, sondern die Grundlage für unsere Demokratie in Deutschland. Im Rechtsstaat entscheiden Gerichte, darum muss und werde ich selbstverständlich, auch wenn ich anderer Auffassung bin, den Beschluss des OVG Münster akzeptieren."
    Ein Punkt der – Stichwort Respekt von den Gerichtsentscheidungen – auch heute zur Sprache kommen könnte. Denn: Auf Deutschlandfunk-Anfrage, welche konkreten Schritte sein Haus unternehme, um Sami A. zurückzuholen, kam aus dem NRW-Integrationsministerium eine eher ausweichende Antwort: Das Oberverwaltungsgericht sage in seinem Beschluss selbst, dass derzeit eine Rückholung nicht möglich sei und die weitere Entwicklung in Tunesien abzuwarten bleibe. Und weiter: Hinsichtlich der Umsetzung, der in Zuständigkeit der Bundesbehörden liegenden Maßnahmen, bitten wir, mit den entsprechenden Stellen im Bund Kontakt aufzunehmen.
    Der Anwältin von Sami A., Seda Basay, reicht das jedoch nicht: Sie hatte am vergangenen Freitag erneut beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen beantragt, dass dieses ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro pro Tag bis zur Rückkehr von Sami A. nach Deutschland gegenüber der Stadt Bochum androhen solle. Die Frist: Morgen, Dienstag, 12 Uhr. Ihr Eindruck, so Anwältin Basay, bei den Behörden werde auf Zeit gespielt, um eine diplomatische Zusicherung einzuholen, die noch einmal und in der vom Gericht verlangten Form testiert, dass Sami A. keine Folter drohe. Ergebnis: Er müsste dann wohl nicht zurückgeholt werden. Diese Bemühungen werden auch vom NRW-Integrationsministerium bestätigt.
    Rückkehr von Sami A.: Nur noch eine Frage der Zeit
    Offen ist aktuell, ob Tunesien Sami A., dessen Pass abgelaufen ist, überhaupt ausreisen lässt. Laut seiner Anwältin sei ihr gegenüber jedoch von tunesischer Seite versichert worden, dass dies, trotz laufender Ermittlungen, möglich sei. Laut Medienberichten wappnet sich die Stadt Bochum auch für eine Rückkehr des Gefährders. Das lässt sich, so berichtet es die Zeitung "Die Welt", aus Aussagen von Beteiligten auf Bundes-, Landes- und eben kommunaler Ebene rekonstruieren. Eine Rückkehr, so heißt es da, scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein.