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Sondertarif für Judentransporte

Rund drei Millionen Juden, Sinti und Roma beförderte die Reichsbahn in Personen- und Güterwaggons nach Auschwitz, Majdanek, Sobibor und in andere nationalsozialistische Vernichtungslager. Im unterirdischen Bahnhof Potsdamer Platz zeigt die Deutsche Bahn AG eine Ausstellung zu dem Thema. Die Wanderausstellung "Sonderzüge in den Tod" kam nach langen Auseinandersetzungen mit der französischen Nazi-Aufklärerin Beate Klarsfeld zustande und wird später unter anderem in Münster, Frankfurt am Main und Halle zu sehen sein.

Von Otto Langels |
    "Die Eisenbahn ist das Massentransportmittel in dieser Zeit, konkurrenzlos, und damit versucht man Deutschland - in der Sprache der Nazis – 'judenfrei' zu machen","

    erklärt Susanne Kill, Historikerin der Deutschen Bahn AG. Sie hat die Wanderausstellung konzipiert, die seit heute in Berlin zu sehen ist.

    Augenzeugenberichte sind neben Fotos und gleichermaßen beeindruckenden wie informativen Dokumenten Teil der Präsentation. Die Erinnerung an die Opfer der Deportationen steht im Vordergrund. Ein Foto in der Ausstellung zum Beispiel zeigt das Mädchen Steffi Bernheim, wie es auf dem Sofa liegt, einen Hund umarmt und lacht. Mit ihren Eltern floh die gebürtige Berlinerin nach Frankreich, wo sie bei einer Razzia festgenommen und mit dem Transport Nr. 23 im August 1942 nach Auschwitz deportiert wurde. Sie war zwölf Jahre alt, als sie ermordet wurde.

    Bereits vor Jahren hatte in Frankreich eine Ausstellung der deutsch-französischen Journalistin und NS-Aufklärerin Beate Klarsfeld große Aufmerksamkeit gefunden. Sie erinnerte an die Deportation von 11.000 jüdischen Kindern und wurde auf vielen Bahnhöfen gezeigt, nicht aber, wie von ihr gewünscht, in Deutschland. Nach langen und heftigen Auseinandersetzungen zwischen Beate Klarsfeld und der Deutschen Bahn, wobei es weniger um Inhalte als um Standorte und persönliche Eitelkeiten ging, sind Teile der französischen Ausstellung nun auch in Berlin zu sehen.

    Klarsfeld: ""Von den 11.400 Kindern haben wir 4000 Fotos. Und hier in Berlin, in Deutschland, zeigen wir die 800 jüdischen Kinder, die in Deutschland geboren waren, in Österreich geboren waren und aus Frankreich deportiert wurden. Die Kinder wurden mit den Zügen deportiert, und die Züge rollten durch Bahnhöfe. Und es ist deswegen so wichtig, dass man in den Bahnhöfen den Leuten zeigt, den Reisenden zeigt, durch diese Bahnhöfe rollten vor 60 Jahren jüdische Kinder, die deportiert und in die Gaskammern geschickt wurden."

    Neben der emotionalen Darstellung der Kinderschicksale informiert die Ausstellung aber auch sachlich, ohne etwas zu verschweigen oder zu beschönigen, wie die Reichsbahn alle Aufträge des nationalsozialistischen Regimes ordnungsgemäß erfüllte und große Mengen Kohlen oder Kartoffeln genauso problemlos transportierte wie sie Juden in die Vernichtungslager beförderte.

    Kill: "Sie war ein Rädchen im Getriebe insofern, dass sie selber nicht initiativ geworden ist, was aber nicht heißt, dass sie sich in irgendeiner Art und Weise den Forderungen widersetzt hätte, sondern es ist vollkommen selbstverständlich, dass die Reichsbahn die Aufträge, die kommen, die "Bestellungen", wie es ganz nüchtern heißt, abfährt."

    Im Juli 1941 handelte das Reichssicherheitshauptamt mit der Reichsbahn einen Sondertarif für Judentransporte aus: Zwei Pfennig pro Kilometer entsprachen dem halben Fahrpreis in der dritten Klasse. Kinder unter zehn Jahren zahlten die Hälfte, Kinder bis vier Jahren fuhren umsonst.

    Kill: "'"Die Reichsbahn stellt ganz normal Kosten, macht Gruppenreisenermäßigungen, behandelt das also absolut bürokratisch. Und meistens zieht dann das Reichssicherheitshauptamt von den jüdischen Gemeinden oder den Juden selbst diese Kosten ein.""

    Ob Bahnhöfe mit ihrem hektischen Betrieb ein angemessener Ort für eine gründliche und unspektakuläre Ausstellung über Deportationen und Todeszüge sind, muss sich zeigen. In Berlin liegt der ausgewählte Standort im unterirdischen Bahnhof Potsdamer Platz allerdings abseits größerer Passantenströme.

    Lea Rosh, Initiatorin des Berliner Holocaust-Denkmals, kritisiert die Räumlichkeiten:

    "Ich finde, es gehört in den Hauptbahnhof, also mitten in den Hauptbahnhof. Deswegen haben ja auch wir vor über einem Jahr eine Demonstration da gemacht, eine Versammlung. Und ich finde auch, es ist etwas abgedrängt, aber die Ausstellung als Ausstellung ist gut, ich finde sie gut gemacht. Nur der Standort ist falsch, und dass sie hier nur so und so lange bleibt, finde ich auch falsch. Sie müsste in Kopie woanders auch sein, aber sie müsste in den Hauptbahnhof."