Die letzte Sondierungsrunde war die bisher längste. Mehr als 24 Stunden rangen die Politiker von CDU, CSU und SPD um gemeinsame Nenner. In manchen Punkten waren schwierige Kompromisse notwendig, bevor das 28-seitige Sondierungspapier von den Parteichefs akzeptiert wurde. Hier ein paar Schlaglichter daraus:
- Solidaritätszuschlag: In dieser Legislaturperiode sollen die Ausgleichzahlungen um 10 Milliarden Euro abgebaut werden. Vor allem kleine und mittlere Einkommen sollen dadurch entlastet werden.
- Kindergeld: In zwei Schritten sollen die Zuschüsse für Familien mit Kindern um insgesamt 25 Euro erhöht werden.
- Migration und Zuwanderung: Es wird wohl auch unter einer neuen GroKo keine festgeschriebene Obergrenze geben, wie sie die CSU verlangt hatte, aber der Zuzug von Flüchtlingen soll sich in einer Größenordnung von 180.000 bis 220.000 bewegen. Auch der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus soll sehr eng begrenzt werden. Zunächst soll er weiter ausgesetzt bleiben, bis eine Neuregelung gefunden ist. Später können dann maximal 1.000 Menschen pro Monat "aus humanitären Gründen" nach Deutschland nachgeholt werden. Dafür soll dann aber die freiwillige EU-Regelung aufgegeben werden, nach der Deutschland monatlich bisher 1.000 Migranten aus Italien und Griechenland übernommen hatte.
- Sichere Herkunftsstaaten: Algerien, Marokko und Tunesien sowie weitere Staaten mit einer regelmäßigen Anerkennungsquote unter fünf Prozent sollen zu sicheren Herkunftsstaaten bestimmt werden. Der Individualanspruch auf Einzelfallprüfung bleibt davon unberührt. Somit können Asylbewerber von dort künftig einfacher in ihre Heimat zurückgeschickt werden.
- Zentrale Einrichtungen für Asylverfahren: Um die Asylverfahren zu beschleunigen, soll deren Bearbeitung künftig in zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen namens "ANkER" erfolgen. Dort sollen BAMF, Bundesagentur für Arbeit, Justiz, Ausländerbehörden und andere Hand in Hand arbeiten. Nur Asylbewerber mit positiver Bleibeprognose sollen von den "ANkER"-Einrichtungen aus auf die Kommunen verteilt werden. Die anderen werden von dort aus nach abgelehntem Asylbescheid zurückgeführt.
- Arbeitnehmer: Die von der SPD geforderte Anhebung des Spitzensteuersatzes soll nicht kommen. Nach Unions-Angaben wird es keine Steuererhöhungen geben. Das Rentenniveau soll bis 2025 bei 48 Prozent des letzten Brutto-Lohns gehalten werden, das war ein Wunsch der SPD. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung wird um 0,3 Prozentpunkte gesenkt.
- Recht auf befristete Teilzeit: Der von der SPD bereits in der vergangenen Legislaturperiode geforderte Teilzeitanspruch soll nun eingeführt und in Unternehmen ab 45 Mitarbeitern umgesetzt werden. Beschäftigte sollen also das Recht bekommen, nach einer Teilzeit-Phase in Vollzeit zurückzukehren. Bei Firmengrößen zwischen 45 und 200 Mitarbeitern soll lediglich einem pro 15 Mitarbeitern der Anspruch gewährt werden müssen.
- Krankenversicherung: CDU, CSU und SPD haben sich darauf geeinigt, zur sogenannten paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zurückzukehren. Das heißt, dass die Beiträge wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt werden.
- Bezahlbare Wohnungen: 1,5 Millionen neue Wohnungen sollen frei finanziert oder öffentlich gefördert werden. Dazu soll Bauland erschlossen, der Neubau von Wohngebäuden finanziell unterstützt bzw. der Kauf einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses für die Eigennutzung erleichtert werden.
- Geld für Bildung: Ein "nationaler Bildungsrat" und eine "Investitionsoffensive" sollen dafür sorgen, dass Schulen schneller saniert werden und mehr Lehrer eingestellt werden. Dazu soll das sogenannte Kooperationsverbot fallen, das den Bereich Bildung zur Zeit noch auf Länderebene verankert. Bund und Länder wollen stärker zusammenarbeiten. Im Grundschulalter soll es einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung geben. Das Bafög soll ausgebaut und die Leistungen verbessert werden. Außerdem sind weitere Investitionen in Forschung und Entwicklung geplant: Bis 2025 mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
- Alten- und Krankenpflege: Um dem Notstand in vielen Pflegeeinrichtungen zu begegnen, sollen 8.000 neue Pflegekräfte in der medizinischen Behandlungspflege eingestellt werden.
- Digitalisierung und Infrastruktur: Flächendeckend soll der Ausbau von schnellen Gigabit-Netzen vorangetrieben werden. Unternehmen, die Glasfasernetze erstellen, sollen gefördert werden. Die Mobilität in Deutschland soll "modern, sauber und bezahlbar" sein. Fahrverbote sollen vermieden, die Schadstoffwerte in der Luft gleichzeitig aber gesenkt werden.
- Klimaschutz: CDU, CSU und SPD bekennen sich zu den Klimazielen 2020, 2030 und 2040. Aber sie räumen eine "Handlungslücke" ein, die verhindere, dass das Klimaziel 2020 erreicht werden kann. Diese Lücke solle "so schnell wie möglich geschlossen" werden - dazu sollen erneuerbare Energiequellen sukzessive ausgebaut werden. Wie es heißt "zielstrebig, effizienter und marktorientiert". Bis 2030 soll der Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen bei 65 Prozent liegen.
- Europa: Die Parteien sind sich einig, dass Europapolitik ein Schwerpunkt einer möglichen Zusammenarbeit sein soll. Sie streben eine enge Partnerschaft mit Frankreich an, um die Demokratie und Solidarität in Europa zu fördern und die Staatengemeinschaft wirtschaftlich zu stabilisieren. Der Euro soll durch die enge Kooperation mit Frankreich "globalen Krisen besser standhalten".
Jetzt kommt es auf die SPD an: Schon kurz nach der Einigung soll der Parteivorstand abstimmen, ob er dem Parteitag in Bonn am 21. Januar den Einstieg in Koalitionsverhandlungen empfiehlt.
In der kommenden Woche wird SPD-Chef Martin Schulz versuchen, seine Parteigenossen vom Sondierungsergebnis zu überzeugen. Er will am Montag und Dienstag mit Vertretern des Landesverbands Nordrhein-Westfalen sprechen, welcher als besonder GroKo-kritisch gilt. Auch bei der Bayern-SPD will Schulz persönlich um Zustimmung werben - die Bayern stellen beim Parteitag die zweitgrößte Delegation nach der aus NRW.
Am 21. Januar fällt der SPD-Sonderparteitag seine Entscheidung. Rund 600 Delegierte aus den Bezirken kommen dann im World Conference Center in Bonn zusammen. Die SPD-Spitze hatte ursprünglich einen kleineren Parteikonvent geplant, um diesen Beschluss zu fassen. Auf Druck vor allem des Landesverbands NRW haben die Sozialdemokraten dann aber auf dem Bundesparteitag im Dezember entschieden, für die Abstimmung noch einmal eine große Parteiversammlung einzuberufen.
(tep/vic/am)