Auf dem Weg zu den Sondierungen in Berlin hat die saarländische Ministerpräsidentin Annegret-Kramp Karrenbauer in der Nacht einen Autounfall gehabt.
Rund 100 Kilometer vor Berlin war ihr Wagen aus ungeklärter Ursache mit einem Lastwagen zusammengestoßen. Die Staatskanzlei in Saarbrücken teilte mit, dass die CDU-Politikerin nur leicht verletzt worden sei. Sie werde medizinisch durchgecheckt, um alle Risiken auszuschließen.
Mit diesen schlechten Nachrichten begann heute der planmäßig letzte Tag der Sondierungsgespräche von Union und SPD. Auf der Zielgeraden hat sich SPD-Parteichef Martin Schulz optimistisch gezeigt:
"Wir werden heute den Sondierungsprozess abschließen. Ich erwarte die Delegationen von CDU und CSU, die teilweise schon im Hause in den Facharbeitsgruppen begonnen haben", sagte er am Morgen im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Bundeszentrale in Berlin, wo die 39 Verhandler heute noch mal zusammengekommen sind.
Martin Schulz steht unter Druck. Er wird auf dem SPD-Bundesparteitag am 21. Januar in Bonn ein Ergebnis präsentieren müssen, mit dem sich die Genossen auf einen Gang in eine Große Koalition einlassen können. Wie sichtbar wird also die sozialdemokratische Handschrift?
"Wir werden an diesem letzten Tag der Sondierungen noch einmal klar machen, dass eine neue Bundesregierung einen neuen Aufbruch für eine Europäische Union mit einleiten muss. Was wir auf der europäischen Ebene brauchen ist das gleiche was wir auf nationaler Ebene brauchen, wir brauchen in einer Zeit, in der es ein Auseinanderdriften gibt, mehr Zusammenhalt."
Es liegen noch "Brocken" auf dem Weg
SPD-Chef Schulz fügte hinzu, dass die Sondierer bereits eine große Anzahl von gemeinsamen Interessen festgelegt hätten, allerdings gebe es nach wie vor große Meinungsverschiedenheiten. Darin stimmte ihm auch CDU-Chefin, Kanzlerin Angela Merkel am Morgen zu:
"Es liegen noch große Brocken auf dem Weg, die aus dem Weg geräumt werden müssen. Ich kann für die CDU sagen, dass wir alles einbringen werden an Konstruktivität, um die nötigen Kompromisse zu finden, aber wir haben natürlich auch im Auge, dass wir eine richtige Politik für unser Land machen müssen, insofern wird es ein harter Tag werden."
Harte Verhandlungen dürfte es unter anderem in der Steuerpolitik geben: Die SPD will den Spitzensteuersatz ab 60.000 Euro schrittweise von 42 auf 45 Prozent anheben. Die Union lehnt das ab.
Die Sozialdemokraten visieren einen Systemwechsel in der Gesundheitspolitik an, hin zu einer Bürgerversicherung, die die private Krankenversicherung langfristig überflüssig machen würde. Die Union lehnt das ab.
Die SPD will den ausgesetzten Familiennachzug bei eingeschränkt schutzberechtigten Flüchtlingen ab März wieder ermöglichen. Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka brachte in der "Mitteldeutschen Zeitung" die Zahl von jährlich 40.000 Visa ins Gespräch. Der CDU-Politiker Armin Schuster nannte einen gestaffelten und gesteuerten Familiennachzug.
Ob das der SPD-Basis als Grundlage für eine Regierungszusammenarbeit reichen wird? Jusochef Kevin Kühnert sieht jedenfalls gute Chancen, dass die Große Koalition auf dem Bundesparteitag am 21. Januar noch gestoppt wird.
Möglicherweise Ergebnisse im Laufe des Tages
Optimistischer zeigte sich am Morgen der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dieter Kempf im Deutschlandfunk:
"Ich erachte die Chancen, dass es zu einer neuen Regierung in Form der große Koalition kommt, als deutlich größer, als die Möglichkeit, dass es nicht dazu kommt. Wir von Seiten der Industrie sind nach allem, was wir hören, zuversichtlich."
Bereits morgen Vormittag wollen Parteigremien die Ergebnisse der Sondierungen beraten. Am Nachmittag sind Sondersitzungen der Fraktionen von CDU, CSU und SPD geplant. Möglicherweise ist das ein Zeichen, dass die Beteiligten immerhin damit rechnen, ein Ergebnis im Laufe des heutigen Tages oder spätestens in der Nacht zu erreichen. Dieses könnte dann in Form eines knapp 30-seitigen Papiers präsentiert werden, in dem die Einzelergebnisse der 15 Arbeitsgruppen aus den Sondierungen zusammengefasst sind.