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Sondierungsgespräche in Griechenland
"Die Ultrarechten kommen für eine Koalition nicht infrage"

Die konservative Nea Dimokratia wird nach dem Rücktritt Alexis Tsipras (Syriza) Gespräche über eine neue Regierung in Athen beginnen. Sie werde mit pro-europäischen Parteien sprechen, sagte Evangelos Antonaros über seine Partei. Er schloss Gespräche mit den Ultrarechten aus und deutete an, auch mit dem reformwilligen Flügel der Syriza-Partei sprechen zu wollen.

Evangelos Antonaros im Gespräch mit Christine Heuer |
    Das griechische Parlamentsgebäude in Athen
    Das griechische Parlamentsgebäude in Athen (dpa/picture-alliance/ Maurizio Gambarini)
    Christine Heuer: Ein Rücktritt, der ein Neuanfang sein soll - Alexis Tsipras möchte Neuwahlen in Griechenland und er hofft, aus ihnen nicht etwa geschwächt, sondern im Gegenteil sehr gestärkt hervorzugehen, um danach weiterzuregieren, ohne den ultralinken Flügel seiner Syriza-Partei, der sich ja bereits abgespalten hat, und möglicherweise auch ganz ohne Koalitionspartner. Sein Sondierungsmandat für eine neue Regierung ohne Neuwahlen hat Tsipras bereits zurückgegeben. Jetzt ist erst einmal die zweitstärkste Partei im Athener Parlament am Zug, die konservative Nea Dimokratia.
    Am Telefon begrüße ich das Mitglied der konservativen Nea Dimokratia, ihren ehemaligen Regierungssprecher Evangelos Antonaros. Guten Tag nach Athen.
    Evangelos Antonaros: Guten Tag, Frau Heuer.
    Heuer: Ihr Parteichef, Vangelis Meimarakis, der will Neuwahlen vermeiden, ist zu hören. Warum?
    Antonaros: Ja, weil wir der Meinung sind, wir haben jetzt schon sieben Monate verloren als Land, weil Tsipras so viel Zeit gebraucht hat, um sich umstimmen zu lassen und zu einer Einigung mit unseren europäischen Partnern zu kommen. Und jetzt verschenken wir durch diesen dritten Urnengang in nur acht Monaten noch einen Monat, möglicherweise sechs Wochen, damit Tsipras sich von seinem linken Flügel losschlagen kann. Wir glauben, das ist eine Haltung, die mit den großen Problemen, mit denen das Land konfrontiert ist, nicht vereinbar ist.
    Tsipras absolute Mehrheit ist unwahrscheinlich
    Heuer: Herr Antonaros, Alexis Tsipras ist ja - man mag sich darüber wundern oder auch nicht - bei den Griechen nach wie vor äußerst beliebt. Fürchten Sie vielleicht Neuwahlen, weil Tsipras dann möglicherweise die absolute Mehrheit bekommt?
    Antonaros: Nein. Ich halte die absolute Mehrheit für Herrn Tsipras nicht für wahrscheinlich. Ich glaube, sehr viele Griechen, die das letzte Mal zu ihm abgewandert sind, haben mittlerweile eingesehen, dass er die Erfahrung nicht besitzt, um das Land wirksam regieren zu können. Es geht uns nicht darum, die Wahlen abzuwenden. Es geht uns darum, dass das jetzt vereinbarte, vor wenigen Wochen mit unseren Partnern, auch umgesetzt wird. Griechenland darf keine Zeit verlieren. Zu viel Zeit ist verloren gegangen. Das ist wichtig.
    Heuer: Herr Antonaros, die Nea Dimokratia hat jetzt das Sondierungsmandat, oder bekommt es offiziell in diesen Minuten für die Bildung einer neuen Regierung. Sie möchten das, haben Sie gesagt, vor Neuwahlen versuchen. Mit wem sprechen Sie denn dann zuerst?
    Antonaros: Soweit ich weiß hat Parteichef Vangelis Meimarakis heute Früh vom Staatspräsidenten, wie es in der Verfassung vorgeschrieben ist, dieses Sondierungsmandat bekommen. Er hat jetzt drei Tage Zeit, davon will er auch Gebrauch machen, mit anderen politischen Kräften im Land ins Gespräch zu kommen, um festzustellen, ...
    Verfassungsvorgaben Griechenlands nach Rücktritt des Premiers
    Nach dem Rücktritt des griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras von der Syriza-Partei hat in Athen das von der Verfassung vorgesehene Verfahren begonnen.
    Sondierungsauftrag: Der Chef der stärksten Oppositionspartei, Evangelos Meimarakis von der Nea Dimokratia (ND), soll sondieren, ob seine Partei eine Regierungsmehrheit im Parlament findet. Wenn dieser Versuch scheitert, muss die drittstärkste Partei ein weiteres dreitägiges Sondierungsmandat erhalten. Dieses wären zwei gleich starke Frakionen - die rechtsextremistische Goldene Morgenröte und die Partei der Politischen Mitte To Potami - jeweils mit 17 Mandaten. Sollte sich der abgespaltene Flügel der Syriza-Partei zu einer eigenen Parlamentariergruppe formieren, könnte diese das Mandat erhalten, wenn sie, wie bisher in unterschiedlichen Medien berichtet, 25 Mitglieder zählen wird.
    Heuer: Mit wem zuerst?
    Antonaros: Es gibt kleinere Parteien, proeuropäische Parteien. Aber er will auch mit anderen neuen Gruppierungen, die jetzt dabei sind, sich neu zu formieren. Und man darf auch nicht vergessen: Herr Tsipras, trotz dem Austritt von mittlerweile 29 Abgeordneten aus seiner Fraktion, verfügt immer noch über die größte Fraktion im Parlament. Wieso ist er nicht bereit, mit anderen Leuten zusammenzuregieren? Das hat er übrigens bis vor wenigen Tagen auch gemacht. Will er die Alleinmacht? - Es geht nicht darum, wie soll ich sagen, einen persönlichen Ehrgeiz von ihm in Erfüllung gehen zu lassen. Es geht darum, das Land weiterhin zu regieren, und das hat er bisher einfach vermieden.
    Heuer: Wir halten fest: Tsipras möchte Neuwahlen, vermutlich, weil er sich da ein gutes Ergebnis für Syriza erhofft. Sie wollen das nicht. Aber wenn Sie jetzt mit den Parteien, die jetzt im Parlament sind, eine Koalitionsregierung bilden wollen, dann sagen Sie doch mal, mit wem genau. Das sieht ja so aus, dass da vor allen Dingen ultrarechte und ultralinke Parteien vertreten sind.
    Antonaros: Nein, nein, nein! Die kommen für uns nicht in Frage. Die Ultrarechten sowieso nicht. Aber das hat Meimarakis auch gesagt, zurecht, finde ich. Wenn Herr Tsipras amtsmüde ist, der soll einfach abtreten und seinem Vize zum Beispiel die Chance überlassen, mit anderen Parteien, unter Umständen auch mit uns zu koalieren. Uns drängt es nicht in die Regierung. Darum geht es nicht. Aber wir haben zu viel Zeit verloren. Wir haben immer wieder gesagt, die Reformen können nicht auf sich warten lassen.
    Heuer: Herr Antonaros, aber ich verstehe Sie richtig, Sie würden mit Syriza koalieren, wenn die nicht mehr von Tsipras geleitet werden?
    Antonaros: Wir würden unter Umständen eine neue Regierung aus diesem Parlament, die sich zu Europa und zur gemeinsamen Währung bekennt, wir würden auf jeden Fall koalieren. Wir würden nicht koalieren mit Parteien, die die proeuropäische Orientierung Griechenlands ablehnen und eine Rückkehr in die sogenannte nationale Währung befürworten. Das wäre die Katastrophe für das Land. Wir sind auch diejenige Partei gewesen, die vor 40 Jahren den europäischen Kurs Griechenlands durchgesetzt hat, gegen den Willen der Sozialisten, gegen den Willen der linken Parteien, und dazu bekennen wir uns vorbehaltlos.
    Wir haben aus unseren Fehlern gelernt
    Heuer: Aber die Nea Dimokratia - das muss man dann auch sagen - ist eine Regierungspartei gewesen, eine von vielen, die das Land nicht wirklich reformiert haben. Haben Sie selbst aus Ihren Fehlern gelernt in Ihrer Partei?
    Antonaros: Wir haben aus unseren Fehlern gelernt. Ich bin sechs Jahre lang auch Regierungssprecher gewesen zwischen 2004 und 2009. Aber alles, was uns angelastet wird im Nachhinein, ist nicht wahr. Das ist allerdings Vergangenheitsbewältigung. Es geht im Moment darum, nach vorne zu gucken.
    Heuer: Dann gucken wir nach vorne, Herr Antonaros. Wenn Sie sagen, Sie sind unter Umständen sogar bereit, so verstehe ich Sie jetzt auch, mit Syriza zu regieren, wenn die sich zu dem Reformkurs bekennen, den Tsipras ja jetzt neuerdings unterstützt, garantieren Sie dann auf jeden Fall, in einer Regierung, der Sie angehören würden, dass die Sparauflagen umgesetzt werden, dass es also keine Abkehr mehr gibt vom jetzt gefundenen Kurs?
    Antonaros: Ja. Wir haben das bis vor sieben Monaten auch konsequent durchgesetzt und dann sind wir abgewählt worden, weil die Reformen und der harte Kurs, den wir damals verfolgt haben, bei den Wählern nicht populär war. Aber jetzt glaube ich, dass die meisten meiner Landsleute eingesehen haben, dass wir doch einen konsequenten Kurs nach vorne, mit Reformen, mit einer Änderung auch unserer Mentalität, fortsetzen müssen.
    Ich glaube, Herr Tsipras will ein neues Mandat, um was zu erreichen? Das ist mein großes Fragezeichen. Will er wieder von diesem Kurs wegkommen? Will er das neu revidieren, jetzt, wo er die 23 Milliarden Euro als erste Tranche der Hilfe kassiert hat? Das ist doch verantwortungslos gegenüber unseren Partnern, die uns gestern mit dieser Mammuthilfe unterstützt haben. Wir müssen doch konsequent bleiben. Wir müssen die Reformen, die vereinbart worden sind, auch umsetzen, notfalls mit einigen Nachbesserungen. Aber es ist wichtig, ...
    Heuer: Herr Antonaros, jetzt muss ich noch mal dazwischen gehen. Entschuldigung, Herr Antonaros. Wenn Sie sagen, Sie sind notfalls bereit, mit Syriza zu koalieren, aber Sie vertrauen der Partei gleichzeitig nicht, wohin soll denn das führen?
    Antonaros: Wissen Sie, wir können natürlich die Zusammensetzung eines Parlaments nicht einseitig beeinflussen.
    Heuer: Dann müssten Sie für Neuwahlen sein wie Tsipras auch, damit die Bürger entscheiden, was sie wollen.
    Antonaros: Die Bürger haben natürlich immer das Recht zu entscheiden, was sie wollen, und wir sind zuversichtlich, dass wir als stärkste Partei aus diesen Wahlen hervorgehen werden. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, keine Zeit zu verlieren, und ich glaube, es ist zu viel Zeit verloren worden und diese Wahlen sind im Grunde genommen zum dritten Mal in diesem Jahr eine Zeitverschwendung.
    Heuer: Evangelos Antonaros von der konservativen griechischen Partei Nea Dimokratia war das im Interview mit dem Deutschlandfunk. Herr Antonaros, vielen Dank dafür.
    Antonaros: Ich danke Ihnen auch!
    Heuer: Schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.