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Sondierungsgespräche
Jetzt geht's los

Dreieinhalb Wochen nach der Bundestagswahl beginnen heute die Sondierungsgespräche zur Bildung einer Jamaika-Koalition. Dass das nicht leicht wird, steht außer Frage. Doch eine Nichteinigung wäre in den Augen aller Beteiligten eine Katastrophe. Ein Überblick über die Ausgangslage.

Von Frank Capellan |
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt am 09.10.2017 in Berlin in einer gepanzerten Limousine am Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Zentrale, an.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (dpa / picture alliance / Kay Nietfeld)
    Wer sitzt mit wem zusammen?
    Ab heute treffen riesige Verhandlungsdelegationen der vier Parteien aufeinander. Fast 50 Politiker kommen zusammen, wenn alle Vertreter am Verhandlungstisch sitzen. Dennoch wird es zunächst eher darum gehen, sich gegenseitig zu beschnuppern, schätzt Hauptstadt-Korrespondent Frank Capellan die Ausgangssituation ein.
    CDU und CSU kommen in Berlin in getrennten Gesprächen zunächst am Mittag (12.00 Uhr) mit der FDP und am späten Nachmittag (16.30 Uhr) mit den Grünen zusammen.
    Am Donnerstag wollen FDP und Grüne die Chancen für eine Zusammenarbeit ausloten, am Freitag schließlich steht die erste große Sondierungsrunde aller vier Parteien an.
    Wo trifft man sich?
    Das Treffen findet in der Parlamentarischen Gesellschaft statt, dem ehemaligen Reichstagspräsidentenpalais. Das ist ein historischer Ort, aber auch neutraler Boden, so Frank Capellan.
    Wie ist das Stimmungsbild?
    Es gibt Verstimmungen in der Union durch die Nachwirkungen der Wahlen in Niedersachsen, aber auch im Nachbarland Österreich. Der Sieg von Sebastian Kurz (ÖVP) verstärkt vor allem bei den Christsozialen die Haltung, dass man die Union weiter nach rechts rücken muss. Widerstand kommt von der Schwesterpartei CDU: Hier herrscht die Haltung vor, sich als Partei der Mitte zu positionieren.
    Unions-Fraktionsvorsitzender Volker Kauder (CDU) verlässt am 08.10.2017 in Berlin die CDU-Zentrale Konrad-Adenauer-Haus. Hier treffen sich die CDU/CSU zu Beratungen über einen gemeinsamen Kurs für die Sondierungsgespräche mit Bündnis 90/ Die Grünen und der FDP. 
    Unions-Fraktionsvorsitzender Volker Kauder (CDU) reagierte scharf auf das Interview von Christian Lindner in der "FAZ". (dpa / picture alliance / Maurizio Gambarini)
    Auch hinter Personalfragen verbirgt sich Konfliktpotenzial. Christian Lindner von der FDP sagte in einem Interview mit der "FAZ", die CDU solle nicht wieder das Finanzministerium besetzen. Unionsfraktionschef Volker Kauder reagierte scharf: "Ich würde mal raten, ein sondierungsfreundliches Klima in allen betroffenen Parteien zu schaffen, und das heißt, nicht jeden Tag dem anderen eine Wurst vor die Nase zu halten." Man sei sich einig gewesen, dass Personalia erst am Ende geklärt würden.
    Inhaltliche Differenzen
    Die Parteien liegen zum Teil sehr weit auseinander. In den internen Gesprächen zwischen CDU und CSU war das bei den Stichworten Obergrenze und Flüchtlingspolitik zu spüren. Auch wenn man auf die Reizvokabel jetzt verzichtet und von einer sogenannten Richtgröße spricht, bleibt abzuwarten, wie bei diesem Thema vor allem CSU und Grüne zusammenkommen.
    Mahnwache der Flüchtlingsinitiative "People meet People - Respekt e.V." vor dem Auswärtigen Amt in Berlin am 03. August 2016. Drei Männer sitzen am boden und halten Fotos ihrer Familienangehörigen.
    Viele Flüchtlinge wollen ihre Familien nachholen. Ob sie das dürfen, hängt vom Status ab. (imago/Christian Ditsch)
    Familienzusammenführung, die Erklärung der Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern und Abschiebungen sind weitere schwierige Themen. Die Grünen wiederum müssen bei der Energiepolitik und dem Kohleausstieg Erfolge vorweisen. Hier wollen sich die Liberalen auf kein Datum festnageln lassen, wann die Braunkohleverstromung beendet werden soll. Klare Position der FPD: keine Regulierung von oben und Beibehaltung der Kräfte am Markt.
    Fazit
    Der Stillstand wegen der Niedersachsen-Wahl ist vorbei. Die Erleichterung überwiegt, dass die Sondierung endlich losgeht. Aber: Der Druck ist enorm. Eigentlich wissen alle, dass wenn es zu keiner Einigung kommt, Neuwahlen anstehen - und dann die AfD noch mehr zulegen könnte. Und so hofft Unionsfraktionschef Volker Kauder auf die Bildung einer neuen Regierungskoalition bis Weihnachten.