Silvia Engels: Die letzte Sondierungsrunde zwischen CDU, CSU, Grünen und FDP rund um die Themen Bildung und Digitalisierung verlief am Montag vergleichsweise friedlich. Heute könnte es wieder schwieriger werden, denn bei den Bereichen Landwirtschaft und Verbraucherschutz liegen gerade Union und Grüne weit auseinander. Für die CSU ist der Experte zu diesem Thema Christian Schmidt, derzeit Bundeslandwirtschaftsminister. Wir hatten ihn vor wenigen Minuten in der Leitung, Herr Schmidt, gibt es hier den nächsten Krach?
Christian Schmidt: Wir sitzen zusammen, um mal zu sortieren, wer was will. Wir kennen uns, Grüne und die FDP und die CDU/CSU. Die CSU hat da ziemlich klare Positionen und wir werden mal sehen, wie wir das abgleichen können. Ich vermute in der Tat, wir werden einige sehr schwierige zu behandelnde Punkte haben.
"Die kleineren, mittleren Betriebe stärken und stützen"
Engels: Die Grünen haben in ihrem Wahlprogramm darauf gepocht, Kleinbauern und nachhaltige Wirtschaft zu fördern, sie richten sich streng gegen Massentierhaltung. Zitat aus dem Programm: "Die industrielle Agrarwirtschaft ist eine Sackgasse." Können Sie denn da irgendwas von mittragen?
Schmidt: Na ja also erst mal müssen wir uns darüber verständigen, was Landwirtschaft eigentlich ist. Sie ist nämlich kein Selbstzweck zur Existenzsicherung der Landwirte, sondern sie ist ja in erster Linie die Grundlage für Ernährung, die ja immer anspruchsvoller wird. Und im Kern werden wir uns mit der Frage beschäftigen müssen, wie wir die hohen Erwartungen, die im Verbraucherbereich da sind, die immer stärker werden, dann auch so abbilden, dass sie ökonomisch von unseren kleineren und mittleren Landwirten mitgetragen werden können.
Dass auch die CSU und die Union insgesamt einen Blick auf den ländlichen, bäuerlichen Familienbetrieb richtet, nicht im Sinne von irgendwelcher Nostalgie, sondern in einer klaren Erkenntnis, wenn die nicht vor Ort sind, dann geht die Kulturlandschaft auch über den Bach sozusagen, da ist ein Punkt, wo wir durchaus miteinander reden können. Wir wollen die kleineren, mittleren Betriebe stärken und stützen.
Engels: Aber die Grünen sind dann ja schon konkreter, sie wollen zum Beispiel weniger Düngung, weniger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und mehr Auslaufflächen für Nutztiere. Da wird es konkret, da wird es auch teuer für die Landwirte. Ist da bei Ihnen Schluss?
Schmidt: Darf ich Ihnen widersprechen in der Beobachtung, dass es konkreter wäre? Ich würde mal sagen, konkret ist auf dem Acker und auf dem Platz. Da müssen wir reden und da sind wir sehr konkret. Wir haben ja gerade im Düngebereich - gemeinsam übrigens mit den Grünen durch den Bundesrat - auch eine Lösung gefunden.
Also ziehe ich es lieber vor, klar zu sagen: Wir wollen auch und gerade konventionelle Landwirtschaft, die nachhaltig sein muss, und dann lassen wir uns mal im Detail besprechen, was das konkret bedeutet. Mag sein, dass sich das eine oder andere dann auch anders darstellt.
Rück- und Ausblick auf die Sondierungsgespräche - Gespräch mit Paul Vorreiter, DLF-Korrespondenten des Hauptstadtstudios in Berlin (04:32)
"Ökologische Landwirtschaft nicht per se klimafreundlicher"
Engels: Bis 2050 wollen die Grünen komplett auf eine klimaneutrale, ökologische Landwirtschaft umstellen. Tragen Sie das mit?
Schmidt: Da müssen wir über die Grundlagen diskutieren. Ich bin stark für Wissenschaftlichkeit. Ich habe mir gerade im letzten Jahr ein wissenschaftliches Gutachten geben lassen zum Klima. Es gibt keine klimaneutrale Landwirtschaft, wie es keine klimaneutralen Menschen gibt. Wir müssen möglichst klimaschonend arbeiten und da stellen wir fest, dass auch eine ökologische Landwirtschaft ganz im Gegenteil durchaus nicht per se klimafreundlicher ist. Sie braucht zum Beispiel mehr Fläche und manches so. Diese Dinge muss man diskutieren, entscheiden, ja, ökologische Entwicklung - ich habe selbst einen Plan vorgelegt hierfür - wird eine wichtige Rolle spielen.
Aber ohne eine Landwirtschaft, die per se auch auf die zehn Milliarden Menschen, die wir 2050 zum Zielzeitpunkt haben werden, ernähren kann, werden wir auch das SDG-Ziel, also das Ziel der nachhaltigen Entwicklung auf Ebene der Vereinten Nationen, nämlich den Hunger zu bekämpfen und zu halbieren, das werden wir nicht erreichen. Deswegen müssen wir hier ehrlich, offen und, lassen Sie mich sagen: unideologisch miteinander reden. Aber ich habe da durchaus einen gewissen Optimismus, dass das stattfinden kann.
"Verbraucherinformation muss schneller, verlässlicher sein"
Engels: Sondiert wird heute Mittag auch zum Verbraucherschutz. Die Verbraucherzentralen verlangen hier wie die Grünen nach dem Fipronil-Skandal in den Eiern stärkere Verbraucherrechte. Sind mit Ihnen zum Beispiel mehr Klagerechte für Geschädigte zu machen, wie das in den USA der Fall ist?
Schmidt: Wir haben uns ja nun insgesamt über die Frage des Verbraucherschutzes und der Möglichkeit von Klagen, die gemeinsam gemacht werden können, unterhalten. Wir hatten ja bereits einen Gesetzentwurf, der aber auch noch nicht ausdiskutiert war, vom Kollegen Maas. Nun werden wir auf diesem Weg das diskutieren.
Aber zu Fipronil übrigens, wenn Sie mir gestatten, einen Punkt: Der Bundeslandwirtschaftsminister ist verständlicherweise der erste Ansprechpartner. Er ist aber in der Entscheidung, was getan werden muss, außerordentlich abhängig von den Erkenntnissen der Bundesländer. Ich denke, auch hier müssen wir neu austarieren, wer Effizienz und besseren Verbraucherschutz schaffen kann.
Ich stimme völlig zu, dass wir beim Verbraucherschutz besser werden können und müssen, die Verbraucherinformation muss schneller, verlässlicher sein und das gilt auf europäischer und auf Bundesebene. Aber das ist nicht nur eine Frage der Information für die Verbraucher, sondern das ist eine Frage der Organisation des Verbraucherschutzes. Da besteht Nachholbedarf.
"Wir brauchen Ernährungsbildung, Ernährungsinformation"
Engels: Also mehr Kennzeichnung von Produkten über Herstellung, Herstellungsweg und Inhalt. Aber auf der anderen Seite sind Sie ja gegen die Lebensmittelampel, rot/gelb/grün, wo dann die Nützlichkeit der Inhaltsstoffe bewertet wird?
Schmidt: Ja, ich bin dagegen, dass wir den Bequemlichkeitsfaktor so niedrig ansetzen, dass jeder gerade mal wie bei der Ampel weiß, ob er stehenbleiben kann oder weitergehen. Im Gegensatz zum Straßenverkehr ist zweimal grün nicht deswegen dreimal grün, sondern einmal rot. Das heißt, wir kommen auf die Quantität, wir brauchen Ernährungsbildung, Ernährungsinformation. Und wir müssen daran arbeiten und ich denke, das ist ein Ziel, wo sich auch einen Sondierung beschäftigen kann, vielleicht erfolgreich, dass wir dem einzelnen Verbraucher sehr viel mehr Möglichkeiten an die Hand geben, sich zu informieren und zu entscheiden.
"Es kann sein, dass wir ans Grundgesetz herangehen müssen"
Engels: Sie fordern auch schon länger ein Ministerium für den ländlichen Raum. Es soll den Zusammenhalt stärken und Zuständigkeiten für die Versorgung der Menschen in ländlichen Gebieten haben, etwa Ärzte, staatliche Behörde, digitale Infrastruktur, das soll koordiniert werden. Aber dann würde der Minister auch noch ständig in die Kompetenzen von Wirtschaftsminister, Gesundheitsminister, Verkehrsminister grätschen, oder?
Schmidt: Ich glaube, wir können die Zuständigkeiten der Ministerien nicht so gestalten, dass sie im Vordergrund stehen. Die haben sich nach der Aufgabe zu richten und wir haben hier in der Tat eine Querschnittsaufgabe. Es geht darum, dass in ländlichen Bereichen, die per se auch sehr unterschiedlich sein können, durch Bevölkerungsentwicklung, durch Abwanderung, bei manchen durch spezielle Industrie-Umwälzungen, dass das Abgehängtsein ein Empfinden ist. Das darf nicht sein. Und wenn wir uns das nur sektoral vornehmen, der eine macht das, der andere das, ohne das abgestimmt zu haben, dann hätten wir zu kurz gegriffen.
Deswegen werden wir auch für eine grundlegende Betrachtung denken, was müssen wir wo konkret jetzt machen, wer macht was? Und das ergibt sich dann am Schluss. Es kann auch sein übrigens, dass wir auch ans Grundgesetz herangehen müssen in dieser Frage, wer welche Zuständigkeiten wo am besten hat, bis hin zu den sogenannten Gemeinschaftsaufgaben, wo Bund und Länder zusammenarbeiten. Die sind auch … Der eine führt die Agrarstruktur, der andere für die regionale Wirtschaftspolitik. Ja, hier müssen wir uns hinsetzen und gemeinsam betrachten, wie wir besser werden können. Wir müssen besser werden.
"Innere Sicherheit muss noch zulegen"
Engels: Herr Schmidt, am Schluss noch eine Frage an Sie als führenden CSU-Politiker. Dieses Thema fällt eigentlich nicht in Ihr Ressort, aber Sie haben natürlich auch von den Anschlägen in New York gehört. Wird dieses Thema in irgendeiner Form auch die Sondierungen, was die innere Sicherheit angeht, weiter beeinflussen?
Schmidt: Der einzelne, bedauerliche und tragische Fall jetzt in New York nicht. Leider kennen wir dieses Muster ja aus dem eigenen Land. Viel wichtiger für mich ist auch das, was gestern in Schwerin stattgefunden hat, dass wir eine akute, potenzielle Terrorbedrohung auch in unserem Lande haben und dass deswegen die innere Sicherheit noch zulegen muss. Da sind die Spielräume, die bei diesen Verhandlungen auch auf den Tisch kommen. Und ich denke, dass gerade daran gemessen wird, ob eine Jamaika-Sondierung zu einem positiven Ergebnis führen kann.
Engels: Christian Schmidt, derzeit Bundeslandwirtschaftsminister von der CSU und heute bei den Sondierungsgesprächen in Berlin dabei. Vielen Dank für das Gespräch!
Schmidt: Gerne.
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