"Ich glaube es gibt für jede Art von Musik und auch für Interpreten ein bestimmtes Zeitfenster, in dem sie richtig deckungsgleich mit dem Zeitgeist liegen. Da kam eben in einer Zeit, als Gitarren laut lärmten und stellenweise auch einigermaßen gepflegter Schwachsinn in den Texten verbreitet wurde, da kam dieser Mann und stellte sich hin und erzählte mit seiner tiefen Stimme, die niemand auf der ganzen Welt nachmachen kann , großartige Sachen, erzählte von sich, und die Leute waren hingerissen von ihm."
Manfred Wagenbreth, Musiker, Texter, Übersetzer – unter anderem von Leonard Cohen Songs - über den am 7. November 2016 verstorbenen Musiker und Poeten Leonard Cohen.
"Das ist Magie"
"Es gibt ein wunderschönes Beispiel: eine DVD von einem Konzert Anfang der 70er Jahre. Da hat er auf der Isle of White gespielt, nachts um zwei, wahrscheinlich haben sie ihn da irgendwie aus seinem Wohnwagen geholt, also er sieht aus, als stünde er im Pyjama da. Es war ein Rockkonzert, davor gab es richtig große Ausschreitungen, die Leute haben Bühnen angezündet, es gab Prügeleien, und dieser Typ kommt nachts um zwei raus, stellt sich mit seiner Gitarre und seinen Mitmusikern hin, und binnen 5 Minuten ist dieses nach tausend zählende Publikum, still, ganz friedlich und hört seiner Poesie zu. Das ist Magie."
Während Leonard Cohen in Westdeutschland schon spätestens seit Ende der 60er Jahre bekannt war, gehörte Manfred Wagenbreth zu den ersten, die in der DDR auf den Singer/Songwriter aufmerksam wurden Anfang der 80er Jahre.
"Großartig, fast französisch"
"Das Ganze fand dergestalt statt, dass ein befreundeter Journalist aus Frankreich, der in Ostberlin war und eine Platte von Leonard Cohen mitbrachte, sagte: C´est excellent, das musst du hören, c´est presque francais, das ist großartig, fast Französisch."
Manfred Wagenbreth - damals Frontmann der Band Folkländer, die das Folkrevival in der DDR wesentlich betrieben – war sofort begeistert von den Songs von Liebe und Hass, Lust und Leiden, Einsamkeit, Dunkelheit und religiöser Erleuchtung. Und er blieb dran an Leonard Cohen.
"Je tiefer ich in seinen lyrischen Kosmos eindrang, und es sind nicht nur die Lieder, es sind auch die Gedichtbände, die er geschrieben hat, auch seine Romane übrigens, die grandios sind aus den frühen 60er Jahren, je mehr war für mich diese Begegnung davon geprägt, dass ich meiner Familie, meinem Umfeld, immer sagen musste: Jetzt singt er gerade davon, und er formuliert das so und so, und damit meint er diese Doppelbödigkeit. Es ist immer die halbe Freude für diejenigen, die nicht so in der Sprache drinstehen, und da ich das Glück hatte, diese Sprache mal zu studieren, bin ich irgendwann dazu übergegangen und hab mir gesagt: Versuch die einfachen Sachen von ihm mal zu übernehmen und sie so auf Deutsch zu sagen, wie er es hätte sagen können."
Mit tief empfundenem Respekt vor dem Original begann Manfred Wagenbreth Leonard Cohen Songs zu übersetzen.
"Es gibt manchmal Lieder, die gehen einem in der Übersetzung, in der Nachdichtung ganz schnell von der Hand und es gibt welche, die dauern, an einem habe ich acht Jahre gesessen."
Auf den Alben seiner Bands "Bierfiedler" und "Sieben Leben" hat Manfred Wagenbreth die von ihm neuinterpretierten Lieder eins nach dem anderen untergebracht. Lieder, die – auch wenn sie gesellschaftliche Fragen ihrer Entstehungszeit aufnehmen - eher zeitlos sind.
"Er selber hat einmal gesagt, er sehe sich nicht als einen politischen Liedermacher oder Lyriker. Man muss ihn immer im Ganzen sehen und denken, er hat gesagt: er nehme für keine Seite Partei, er beobachte nur."
Seine Beobachtungen, die er oft in einer Art Stream-of Consciousness formulierte und präsentierte, bleiben im Gedächtnis, ebenso wie die tiefe, wenig modulationsreiche Stimme von Leonard Cohen, in der sich sein melancholisches Naturell widerspiegelt. Sie faszinierte sein Publikum, doch manchem Hörer blieb Leonard Cohen auch genau deshalb fremd. Vage spürten sie eine depressive Grundstimmung.
"Er ist ein Seelenverwandter von Heinrich Heine"
"Die Depression, die da oft ins Spiel gebracht wird, entsteht glaube ich nur, wenn man nicht genau hinhört, denn Cohen hat neben der Melancholie, die ihm natürlich zutiefst zu eigen ist, es auch nie an Selbstironie mangeln lassen. Vor allem ist er einer der sprachgewaltigsten Künstler unserer Zeit, die ich kenne. Ich selber hab mich mal auf die gewagte Behauptung eingelassen, er ist ein Seelenverwandter, ein Großneffe von Heinrich Heine, denn sie haben die Schärfe der Beobachtung, die Großartigkeit der Wortwahl, der Bilder, die sie finden, in der Einfachheit gemeinsam."
An Leonard Cohens Texte erinnert man sich, an seine Musik – auf 14 Studio- und 9 Livealben verewigt – weniger. Leonard Cohen verwandt es zeitlebens nicht. Die Band Cohensome Heroes hat sowohl die Texte als auch die Musik des Künstlers gewürdigt - mit ihren Interpretationen beim Konzert auf dem Theaterkahn in Dresden, das wir als Hommage an den im November vergangenen Jahres verstorbenen Songpoeten senden.
Aufnahme vom 28.5.10 auf dem Theaterkahn Dresden
Diese Sendung können Sie nach Ausstrahlung sechs Monate nachhören.