Musik: "Race to the bottom"
Ernest Hemingway, James Joyce, Nina Simone und James Baldwin sind nur vier Namen aus einer schier endlosen Liste von Künstlerinnen und Künstlern, die in Paris ihre Muse gefunden haben. Nach Paris gehen, um sich inspirieren zu lassen, ist fast schon ein Klischee. Mag sein, sagt Glen Hansard, aber für ihn war es trotzdem der richtige Schritt. Alle Songs seines neuen Albums "This Wild Willing" sind dort entstanden.
Glen Hansard: "Ich habe einige Monate in Paris verbracht - als Fremder in dieser großartigen Stadt, die in ihrem eigenen Saft sitzt und ihren eigenen Spirit hat. Die erste Idee für einen Song kommt bei mir meistens wie ein Blitz. Danach wandert sie ein paar Tage in meinem Kopf herum und ich entwickle sie weiter. In Paris hatte ich genug Zeit und Raum, die Songs so entstehen zu lassen."
Musik: "Don't settle"
Hansard ist bekanntlich kein Neuling im Musikgeschäft. Von seinen Anfängen als 13-jähriger Straßenmusiker über die Band The Frames bis zum oskarprämierten Song "Falling Slowly" aus dem Film "Once" war es ein langer Weg.
"Mit meiner Band Musik zu machen, hat mir immer großen Spaß gemacht. Aber mir war bewusst, dass wir kommerziell nicht sonderlich erfolgreich waren. Als 'Once' dann passierte, habe ich mich natürlich total gefreut. Aber es war auch schwierig und ich kam mit dem Erfolg erstmal nicht klar. Das hat wohl etwas mit meiner katholischen Erziehung zu tun, da wird einem permanent ein schlechtes Gewissen eingeredet. Aber mittlerweile sehe ich das entspannter."
Frischer Wind und neue Inspiration
Nach so vielen Jahren als Sänger und Songwriter hatten sich bei Hansard ein paar Routinen eingeschlichen. Paris sollte frischen Wind und neue Inspiration bringen. Ursprünglich hatte er geplant, ein akustisches Album mit reduzierten Arrangements aufzunehmen. Aber nach nur wenigen Wochen lernte er auf einer Party die Khoshravesh-Brüder kennen, drei Musiker aus dem Iran. Bei persischem Essen wurden schnell die Instrumente ausgepackt und gemeinsam musiziert.
"Ich habe ihnen einen meiner Songs vorgespielt, sie sind mit eingestiegen und haben ihn sofort hundertmal besser gemacht. Dann habe ich sie ins Studio eingeladen und wusste: Damit war die Idee, ein reduziertes Album aufzunehmen, hinfällig. Ich habe zwei Freunde dazu geholt, die aus der experimentellen elektronischen Musik kommen. Und danach noch viele andere Freunde und Bekannte. Wenn man ein Album aufnimmt, ist es enorm wichtig, für neuen Input offen zu sein. Dann kann etwas Magisches entstehen."
Musik: "The closing door"
Die persischen Einflüsse der Khoshravesh-Brüder sind auf dem gesamten Album zu hören, mal ganz subtil, mal etwas mehr im Vordergrund. Hansard kombiniert die Elemente aus Rock, Folk und elektronischer Musik geschickt, zum Beispiel mit Streichern. Eindrucksvoll zu hören in "I'll be you, be me", der ersten Single aus dem Album. Der flüsternde Gesang und unruhige Beat werden Schicht für Schicht mit elektronischem Rauschen und dramatischem Chorgesang angedickt, und am Ende stürzt eine massive Wall-of-Sound aus den Lautsprechern.
Musik: "I'll be you, be me"
Glen Hansard versammelte seine Mitstreiter in den Black Box Studios und dann wurde einfach losgelegt, ohne Demos, ohne Erwartungen – ein neues Vorgehen für den 48-Jährigen. Aus diesen inspirierten Sessions haben er und Produzent David Odlum die Teile herausgefiltert, die schließlich auf dem Album gelandet sind. Auch der Song "Weight of the world" ist spontan entstanden und genauso zu hören, wie ihn die Musiker improvisiert haben.
Musik: "Weight of the world"
"Ich habe vermutlich ein paar Gelegenheiten verschenkt, die Texte zu verbessern, oder aus einem Stück einen richtigen Song zu machen. Und das klingt dann vielleicht unprofessionell oder amateurhaft. Aber ich dachte mir, was soll's, das ist es mir wert."
Paris war eine gute Entscheidung
Die Magie des ersten Moments einzufangen und gleichzeitig Struktur und Dramaturgie nicht aus dem Blick zu verlieren, ist alles andere als leicht und gelingt auf "This Wild Willing" nicht immer. Manchmal dudeln die Stücke minutenlang vor sich hin und man erwischt sich dabei, wie man über den nächsten Termin oder das noch zu besorgende Geburtstagsgeschenk nachdenkt. Das ist schade, aber meistens findet Glen Hansard die richtige Balance zwischen Improvisation und Songformat. Dazu arbeitet sich der Musiker am Thema aller Themen ab: der Liebe.
"Liebe war schon immer die größte Herausforderung für mich und die größte Sehnsucht. Sich komplett diesem Gefühl hinzugeben, das ist gefährlich. Und obwohl ich schon oft darüber gesungen habe, fällt es mir immer noch schwer, das auch zu leben. Vielleicht ist das meine Geschichte, meine Lebensaufgabe. Lieben und zulassen geliebt zu werden, das ist der rote Faden auf diesem Album."
Musik: "Fools game"
Auf "This Wild Willing" bewegt sich Glen Hansard weg vom geradlinigen Singer/Songwriter-Folk seiner letzten Soloalben und testet neues Terrain aus. Und auch wenn er nicht mit jedem Song ins Schwarze trifft: Nach Paris zu gehen, war eine gute Entscheidung.