Im Mai gewinnt Rob Font seinen bis dahin wichtigsten Kampf. Der Mixed Martial-Arts-Kämpfer besiegt einen ehemaligen Weltmeister in seiner Gewichtsklasse. Kurz darauf verliert er diesen Sieg aber fast: Denn er wird positiv auf Meclofenoxate getestet. Diese Stimulanz steht seit 2006 auf der Doping-Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. Sie ist aber nicht direkt nachweisbar, sondern nur über das Abbauprodukt 4-CPA.
Aber als sich der Anti-Doping-Verantwortliche der Ultimate Fighting Championship, Jeff Novitzky, den Fall ansieht, entdeckt er Ungereimtheiten.
"Ungefähr in der ersten Woche erfuhren wir, dass jeder Fighter an diesem Kampfabend das Abbauprodukt 4-CPA in seinem Urin hatte. Da dachten wir, das kann sich nur um eine Kontaminierung handeln."
Ermittler entdeckten die Quelle der auffälligen Substanz: Sonnencreme
Novitzky war als staatlicher Ermittler maßgeblich an der Aufdeckung des Balco-Skandals und der Enttarnung von Lance Armstrong als Doper beteiligt. Im Mai sucht er gemeinsam mit der US-Anti-Doping-Behörde USADA und internationalen Laboren nach den Gründen für die positiven Fälle. Die betroffenen UFC-Fighter erstellen eine Liste ihrer Nahrungsmittel und andere Dinge des täglichen Gebrauchs. Und die Ermittler werden fündig.
"Von der US-Anti-Doping-Agentur USADA kam der Hinweis, das chlorphenesinhaltige Sonnencremes die Quelle für 4-CPA im Urin sein könnten", sagt Professor Mario Thevis, der Leiter des Kölner Doping-Kontroll-Labors. Chlorphenesin wird schon länger in der Kosmetik verwendet. Der Grund, warum Sonnencremes auf einmal zu positiven Tests geführt haben, ist ein anderer: Bis 2020 gilt ein Test als positiv, wenn eine 4-CPA-Konzentration gefunden wird, die auf eine Einnahme von Meclofenoxate schließen lässt. Im Dezember 2020 schreibt die WADA vor: Wenn eine niedrige Menge 4-CPA im Urin festgestellt wird, muss das Labor einen positiven Befund melden. Bisher hat die WADA diese Änderung nicht begründet, auch nicht auf Deutschlandfunk-Anfrage.
Eine Änderung, die schwerwiegende Folgen hätte haben könnte. Denn gerade bei den Olympischen Spielen im heißen Tokio haben die Athletinnen und Athleten viel Sonnencreme benutzt.
"Da es zahlreiche chlorphenesinhaltige Sonnencremes im Handel gibt, wären möglicherweise einige Proben in der Routineanalytik in Tokio auffällig geworden und hätten sehr aufwendige Folgeuntersuchungen nach sich ziehen können."
Kontrolleure setzten unfaire Regel in Tokio stillschweigend aus
Das IOC kommt aber um einen Doping-Skandal, der keiner ist, herum. Die WADA hat die neuen Erkenntnisse bislang nicht kommentiert, eher stillschweigend wurde in Tokio die geänderte Regelung nicht angewendet. Die Agentur hat auch noch keinen an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse angepassten technischen Brief veröffentlicht. Für Jeff Novitzky hat die Agentur komplett versagt:
"Ich denke, sie haben schlechte Arbeit geleistet. Saubere Athleten, die Fairness wollen, verlassen sich darauf, dass die WADA die Führung übernimmt und ein Beispiel gibt. Und ich denke, dass sie in so einem Fall saubere Athleten im Stich gelassen haben. Als sie dieses technische Schreiben herausgaben, hätten sie ihre Hausaufgaben machen müssen, um sicherzustellen, dass so etwas nicht passieren kann."