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Gefährliche UV-Filter
Wie Sonnencreme Korallen und Seeanemonen tötet

Was für uns Menschen wichtig ist, ist für Korallenriffe eine Gefahr. Eine neue US-Studie zeigt, wie ein häufiger Bestandteil von Sonnenschutzmitteln Korallen und Seeanemonen bedroht. Das Team hofft, dass die Laborarbeiten dazu beitragen, neue korallensichere Sonnenschutzmittel zu entwickeln.

Dagmar Röhrlich |
Korallenbleiche am Great Barrier Reef in Australien.
Auch UV-Filter aus Sonnencreme tragen zum Absterben von Korallenriffen bei. (picture alliance/MAXPPP)
Es fing vor ein paar Jahren mit einer Reise nach Hawaii an, erinnert sich William Mitch. Er ist Umweltingenieur an der Stanford University. Als er ins Wasser gehen wollte, machte ihn jemand darauf aufmerksam, dass Sonnencremes den Korallen schaden. „Bis dahin hatte ich noch nie etwas davon gehört. Dann habe ich mir einige Zeitungsartikel angesehen, in denen stand, dass es Bedenken gibt, dass Sonnenschutzmittel und insbesondere Oxybenzon Korallen abtöten. So begannen wir, uns damit zu befassen.“

Wo viele Schwimmer - keine Korallen

Jährlich landen schätzungsweise 14.000 Tonnen Sonnenschutzmittel im Meerwasser – 14.000 Tonnen, die Korallen, Seeanemonen, Seeigel und viele andere Tiere mehr schädigen könnten. So hatten Untersuchungen auf den US-Jungferninseln gezeigt, dass sich dort, wo viele Schwimmer im Wasser sind, Korallenlarven nicht ansiedeln und die erwachsenen Tiere Verletzungen davontragen.
Doch wie genau schadet unser Sonnenschutz den Organismen? Um dieser Frage nachzugehen, setzte das Team im Labor Seeanemonen und Korallen dem organischen UV-Filter Oxybenzon aus. „Die Konzentrationen entsprachen den höchsten, die in der Karibik gemessen worden sind: also zwei Milligramm Oxybenzon pro Liter Meerwasser. Das Ergebnis: Alle Korallen und Seeanemonen starben innerhalb von 17 Tagen. Die empfindlichsten waren bereits nach vier Tagen tot.“

Tod teils bereits nach zwei Tagen

Doch es starben nur die Tiere, die dem Sonnenlicht ausgesetzt waren – nicht die der Kontrollgruppe, bei der das nicht der Fall war, erklärt Stanford-Forscher Djordje Vuckovic. Auf der Haut absorbiert Oxybenzon Sonnenlicht im ultravioletten Bereich, gibt diese Lichtenergie als Wärme ab und schützt sie so.
Nicht so bei den Nesseltieren, die die Substanz in ihre Körper aufnehmen, wo es sich anreichert: „Die Tiere wollen es wieder loswerden, und dafür ersetzen sie eine chemische Gruppe des Sonnenschutzmittels durch eine andere, die die Ausscheidung des Moleküls erleichtert. Und dabei entsteht ironischerweise ein neues, viel giftigeres Molekül.“ Was ihnen helfen sollte, schadet ihnen. Das neue Molekül entfaltet dann bei Sonnenlicht seine giftige Wirkung. Und dann ist da noch ein zweiter Faktor.

Viele bedenkliche Inhaltsstoffe

William Mitch: „Wir haben bei den Anemonen und Korallen auch festgestellt, dass die Algen, mit denen sie in Symbiose leben, das giftige Abbauprodukt in ihren Zellen speichern. Sie schützen ihre Wirte also in gewisser Weise. Doch durch die Erwärmung des Meerwassers sind die Korallen gestresst und stoßen ihre Algensymbionten ab: Sie bleichen aus. Und diese „gebleichten“ Korallen reagieren noch empfindlicher auf Oxybenzon: Die Wahrscheinlichkeit, dass sie daran sterben, ist viel größer.“

Andere Studien haben bereits gezeigt, dass Oxybenzon nicht der einzige bedenkliche Inhaltsstoff in Sonnenschutzmitteln ist – denn viele Moleküle in diesen Cremes und Lotionen haben eine ähnliche chemische Struktur. Werden sie von den Tieren aufgenommen und abgebaut, könnten also auch ähnliche Gifte entstehen. Deshalb nimmt sich das Team nun diese anderen Substanzen vor. Letztendlich, so hoffen sie, könnten ihre Forschungen zur Entwicklung von unschädlichen Sonnenschutzmitteln beitragen.