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Sonntagsausflug durch die Lüfte

Technologie.- Einst dachte man, die Menschen würden sich heutzutage mit Autos durch die Gegend bewegen, die nicht nur fahren können, sondern auch fliegen. Auch wenn diese Vision bislang kläglich scheiterte: Einige Ingenieure arbeiten noch immer daran. Das erste Flugauto soll 2011 ausgeliefert werden. Preis: etwa 200.000 Dollar.

Von Frank Grotelüschen |
    "Der Nachteil unserer Flugzeuge ist immer noch der, dass wir, um beispielsweise von Dresden nach Berlin zu kommen, erst zu einem Flugplatz fahren müssen."

    Wir schreiben das Jahr 1966.

    "Dort steigen wir in das Flugzeug ein. Wir fliegen dann bis nach Schönefeld. Und dort müssten wir wieder umsteigen. Und das ist sehr umständlich."

    Dresden, damals DDR. Der Ingenieur Wilhelm Schmidt hat eine Vision.

    "Schöner wäre es, wir würden in unser Auto einsteigen können, mit diesem Auto bis auf eine Startbahn an einer Autostraße fahren können. Dort würden wir starten, nach Berlin fliegen und dort in der Nähe einer Autobahn wieder herunterkommen – und gleich mit demselben Flugzeug in die Stadt fahren können. Wir würden dadurch sehr viel Zeit einsparen können."

    Eine Auto, das fliegen kann. Das unabhängig ist von Straßen, Ampeln und Verkehrsstaus. Wilhelm Schmidt ist nicht der erste, der auf diese Idee verfällt. Aber er ist sich sicher, endlich die richtige Technologie für das Flugauto erfunden zu haben – den Schlagflügel-Propeller. Keine Schraube, die sich irrsinnig schnell dreht. Sondern eine Vorrichtung, die die Tragflächen ruckartig hoch und wieder runterklappt, ähnlich wie ein Vogel mit den Flügeln schlägt. Schon die Zeitgenossen von Otto Lilienthal hatten versucht, sich flügelschwingend in die Lüfte zu erheben – und zwar per Muskelkraft und ohne Erfolg. Im 20. Jahrhundert soll ein spezieller Motor die Flügel bewegen – der Schlagflügel-Propeller.

    "In den 40er-Jahren wurden Untersuchungen über Schlagflügelpropeller angestellt. Und man war allgemein der Meinung, dass der Schlagflügelpropeller für eine technische Verwendung kaum in Frage kommen würde, weil er einmal schwer durchführbar ist und zum anderen einen schlechten Wirkungsgrad hat, sodass er mit dem Schraubenpropeller kaum konkurrieren kann."

    Wilhelm Schmidt aber glaubt, die entscheidenden Tricks gefunden zu haben: Zum einen befestigt er den Flügel an ein rotierendes Rad, das ihn mit hoher Frequenz auf und ab bewegt. Zum anderen montiert Schmidt direkt hinter den Schlagflügel einen festen Nachflügel. Der, so das Kalkül, soll die Aerodynamik entscheidend verbessern.

    "Wir haben also jetzt einen Schlagflügelpropeller vor uns, der einen guten Wirkungsgrad hat. Und der außerdem technisch verwirklichbar ist. Er kann mit dem Schraubenpropeller durchaus konkurrieren."

    Der Clou: Die ganze Konstruktion ist kaum breiter als ein Pkw. Zum Fliegen müssen weder Flügel ausgefahren noch aufgesetzt werden.

    "Das Flugauto ist so gedacht und so gebaut, dass wir ohne jegliche Veränderung seiner Gestalt auf der Autobahn anfahren und durch Umschalten des Antriebs von den Rädern auf den Propeller zum Fluge starten können."

    Patente hat Schmidt angemeldet, kleine Modelle hat er gebaut. Aber geflogen ist sein Flugauto nie. Das Konzept war nicht tragfähig – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Die Aerodynamik hat schlicht einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nicht viel besser erging es anderen Patenten: So war 1947 das ConvAirCar, ein Auto mit aufs Dach montierten Tragflächen, tatsächlich abgehoben. Aber die Vermarktung scheiterte, als das Vehikel bei seinem dritten Flug abstürzte.

    Gestorben ist die Utopie des Flugautos damit nicht. Immer wieder versuchen verwegene Tüftler, dem Pkw das Fliegen beizubringen – Leute wie der pensionierte US-Ingenieur James Milner. Kaum in Rente gegangen, gründete er eine Firma mit dem Ziel, das AirCar zu bauen.

    "Es ist ein fliegendes Auto mit vier Türen und vier Sitzen. Es wird rund 350 Stundenkilometer schnell sein und eine Reichweite von mehr als 1500 Kilometern haben. In Zukunft wird das der schnellste Weg sein, um von Tür zu Tür zu kommen."

    Vorn ragen zwei Stummelflügel aus der Karosse. Die Haupttragflächen sitzen hinten und lassen sich ähnlich wie ein Cabrioverdeck ineinander falten. Noch ist das AirCar nicht flugfähig, Milner und seine Leute arbeiten noch dran. Angetrieben werden soll es durch zwei Impeller am Heck – kleine Propeller, umschlossen von ringförmigen Gehäusen, die allerdings einen Heidenlärm veranstalten, ebenso wie beim Skycar von Paul Moller, einem Tüftler ebenfalls aus den USA. Sein Prototyp ist immerhin schon in der Lage, ein paar Meter abzuheben. Die niederländische Firma "Pal-V" will ihr Modell sogar schon im kommenden Jahr auf den Markt bringt – wobei das einsitzige Modell mit seinem hubschrauberähnlichen Antrieb eher an ein Motorrad erinnert als an ein Auto. Am weitesten aber scheint das junge US-Unternehmen Terrafugia.

    18. März 2009. In Plattsburgh im US-Bundesstaat New York hebt zum erstem Mal der Transition ab, wenn auch nur für 37 Sekunden. Innerhalb von einer halben Minute kann das putzige Vehikel seine Flügel ausklappen und dann, angetrieben von einem Propeller am Heck, auf einer Startbahn abheben, sagt Firmenchef Carl Dietrich.

    "Man kann das Ding wie ein Auto in der Garage parken. Aber man kann mit ihm durch die Lüfte fliegen, und zwar doppelt so schnell wie mit einem Geländewagen, wobei man nur halb so viel Sprit verbraucht."

    Dietrich hofft, sein erstes Flugauto im nächsten Jahr ausliefern zu können, Kostenpunkt 194.000 Dollar. Kürzlich erhielt der Zweisitzer sogar die Zulassung der Behörden als Leichtsportflugzeug. Eines jedenfalls ist schon klar: Ein Führerschein Klasse 3 wird nicht genügen, um den Transition durch die Lüfte zu steuern. Dazu braucht es definitiv einen Pilotenschein.

    Zur Beitragsreihe "Rückblicke auf die Zukunft"


    Weitere Links zum Thema (englischsprachig):

    http://www.terrafugia.com

    http://www.roadabletimes.com/

    http://www.moller.com/

    http://www.milnermotors.com/aircar.htm