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Nahost-Experte Sons zur WM
"Eine Region, die wir nicht mehr ignorieren können"

Katar hat sich als Gastgeber der Fußball-WM international profiliert. Nach Konfrontationen sei nun eine politische Strategie für den Umgang mit dem Nahen Osten nötig, sagt Nahost-Experte Sebastian Sons im Dlf.

Sebastian Sons im Gespräch mit Marina Schweizer |
Zwei katarische Offizielle in traditionellem Thawb bei der Fußball-WM 2022 in Katar.
Nicht nur bei der WM: Der Einfluss von Katar und anderen Nahoststaaten wird größer. (IMAGO / Uwe Kraft / IMAGO / UWE KRAFT)
Das Finale mit zwei Superstars des von Katar gesponserten Klubs Paris Saint-Germain sei ein Symbol für den Erfolg Katars als Ausrichter der WM, sagt Sebastian Sons vom Nahost-Thinktank Carpo:
„Die katarische Sichtweise war schon so: Man hat ein Fest für die gesamte Welt ausgerichtet, insbesondere für die arabische, die afrikanische, die südamerikanische Welt. Und das hat am Ende auch dazu beigetragen, dass man in Katar davon spricht, wirklich eine rundum erfolgreiche WM durchgeführt zu haben und es den Kritikern auch gezeigt zu haben.“
Dabei war die ursprüngliche Erwartung an die WM noch größer, meint Sons: „Man hat es sich erhofft, nach der WM-Vergabe 2010, tatsächlich eine einzige Sympathiewelle zu erfahren. Und das ist nicht eingetreten. Das heißt, die Kritik an der schlechten Menschenrechtssituation vor Ort, die Situation der LGBTQI-Community, Korruptionsvorwürfe et cetera - all das hat dazu beigetragen, dass Katar schon auch der Wind ins Gesicht geblasen hat.“

Strategiewechsel kurz vor der WM

Das Land habe mit Reformen reagiert, wenn auch bei der Umsetzung noch vieles im Argen liege, sagt Sons. Katar habe dafür mehr Anerkennung erwartet. Kurz vor der WM gab es dann einen Wechsel in der Strategie und mehr Gegenwehr gegen Kritik: „Der Emir hat das ja sehr knackig auf den Punkt gebracht, indem er gerade Europa vorgeworfen hat, eurozentristisch, überheblich, rassistisch, eine Diffamierungskampagne gegen Katar zu fahren.“
Innnenministerin Nancy Faesers Aktion mit der One-Love-Armbinde auf der Tribüne sei in Katar als billige Wahlkampfaktion gewertet worden, meint Sons. Die Fronten hätten sich verhärtet: "Es stellt sich jetzt wirklich auch die Frage, ob diese Polarisierung auf beiden Seiten, diese schrille Diskussion, emotionale Diskussion um die WM, nachhaltige politische Schäden mit sich bringt."
Das Timing des Abkommens zu Gaslieferung sei möglicherweise bewusst gewesen, sagt Sons: Katar setze politisch Zeichen und bedenke immer das Timing. Der millionenschwere Transfer von Neymar zu PSG sei zum Beispiel kurze Zeit nach dem Start der Blockade des Landes durch Saudi-Arabien gekommen: Ein Machtbeweis.

Deutschland muss nun eine Strategie aufstellen

"Ich glaube, am Ende des Tages wird sich nach der WM der Staub ein wenig legen", sagt Sons. "Und dann kann man etwas genauer darauf schauen, inwieweit die politische Dimension eine Rolle spielt."
Die deutsche Politik könne und müsse sich nun eine Strategie zurechtlegen. Sons hofft, dass darin Druck und Diplomatie miteinander vereint werden, um mit Katar und anderen Nahost-Staaten kritisch umzugehen aber auch zusammenzuarbeiten.