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Sophie Rois' Solo am Deutschen Theater
Ein ernster Roman in fröhlicher Inszenierung

Marlen Haushofers Roman "Die Wand" ist zuvorderst eine große Einsamkeitsstudie. Sophie Rois macht daraus am Deutschen Theater in Berlin ein verspieltes Märchen, mit einem Stück Erdbeertorte als Sehnsuchtsort – so groß wie ein Gebirge. Ein feines, philosophisches Gedankenspiel.

Von Barbara Behrendt |
Die Darstellerin Sophie Rois in einer Szene aus "Sophie Rois fährt gegen die Wand im Deutschen Theater" nach dem Roman "Die Wand" von Marlen Haushofer in der Regie von Clemens Maria Schönborn
Sophie Rois hat einen guten Blick auf die Welt von der Spitze einer Erdrbeertorte (Arno Declair)
Von oben schwebt ein gigantisches Stück Erdbeertorte aus Schaumstoff auf die Bühne, ein Tortengebirge mit Schlag, das Sophie Rois mit Rucksack und Gewehr erklimmt. Später dann durchschwimmt sie es und knabbert daran wie Gretel am Hexenhaus. Ein imaginiertes Schlaraffenland, nach dem sich die Vereinsamte im Wald sehnt:
"Lange haben mich Vorstellungen von gutem und reichlichem Essen verfolgt. Bis in den Traum. Brot, schwarzes Brot ist für mich eine unvorstellbare Köstlichkeit geworden. Ich kann nicht vergessen, wie Schokolade und Eiskaffee geschmeckt haben."
Ein wunderbar absurdes Bild, wie Sophie Rois als Erzählerin oben auf der Sahneschnitte liegt, eine halbe Erdbeere als Kissen unterm Kopf, über die Natur sinnierend. Doch was hat das noch mit Haushofers Roman zu tun, der dem Abend zugrunde liegen soll? Auf der Erzählebene ist wenig übrig geblieben. Die Bühnenfassung hat gerade einmal 20 Seiten, der Roman knapp 300. Clemens Schönborn inszeniert ein 70minütiges kindliches Gedankenspiel: Was, wenn die Katastrophe eintreten würde?
Schwelgerische Ironie
Sophie Rois schreibt nicht einsam in der Hütte ihre Erlebnisse auf, um nicht den Verstand zu verlieren, wie in der Vorlage. Psychologischer Realismus geht der Inszenierung völlig ab. Sie sitzt auf einem Sessel an einem Wiener-Kaffeehaus-Tischchen, mondän gekleidet in Rock und Highheels, Teetasse und Aschenbecher vor sich und den Roman, aus dem sie zitiert. Ausschnitte nur, kleine Aperçus. Mehr und mehr gleitet sie in die Vorstellung, abseits der Zivilisation zu leben – schwelgerisch, mit heiterer Ironie. Ein verspieltes Märchen.
Sie legt sich quer übers Sofa, lässt sich von der Bühne im Kreis drehen und schwärmt mit ihrer unnachahmlich kecken, derben, charmanten Art von der Stille in der Natur, während der chillige Jazz spielt.
"Ich schlief herrlich! Ich schlief so gut. Endlich! Ich schlief wie eine Ratte! Was hatte ich früher schlecht geschlafen."
Identitätsfindung und Spiellust
Schönborn wirft kleine philosophische Schlaglichter: übers Schlafen, das Jagen, Verzicht, Tod, ihre Kinder, Weihnachten. Am Ende resümiert sie:
"Von vielen Dingen wusste ich wenig, von vielen gar nichts; im Ganzen gesehen herrschte in meinem Kopf eine schreckliche Unordnung. Aber eines möchte ich dieser Frau, die ich mal war, zugute halten: Sie spürte immer ein dumpfes Unbehagen und wusste, dass dies alles viel zu wenig war."
Um diese neue Identitätsfindung abseits gesellschaftlicher Dogmen kreist auch der Roman. Nur ist er von elementarer Einsamkeit, während auf der Bühne ein fröhliches "Was wäre wenn"-Spiel im Gange ist. Die Inszenierung verhält sich zum Roman wie Dur zu Moll. Wie Spiel zu Ernst.
Wenn man sich von der Vorlage lösen kann, ist das ein charmanter, unterhaltsamer, kleiner Abend mit einer spiellüsternen Sophie Rois. Mit Schönborn verbindet sie eine lange künstlerische und private Beziehung. Szenische Lesungen und Liederabende haben sie gemeinsam entwickelt – und auch hier singt Rois wohligen Austro-Pop von Wolfgang Ambros in herrlichem Wiener Schmäh und mit Zigarette im Mund.
Die großen Fragen drohen bei diesem Rois-Solo zwar manchmal unterzugehen. Doch man verlässt das Theater beschwingt und erwärmt - und dem philosophischen Gedankenspiel noch nachhängend.