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Sotschi-Berichterstattung
Sportjournalismus im Spagat

Es ist eine Gratwanderung - die Berichterstattung über die Olympischen Spiele in Sotschi: Einerseits sollen Journalisten Emotionen und Spaß am Sport abbilden - andererseits kritisch bleiben.

Von Moritz Küpper | 16.02.2014
    Felix Loch bejubelt sein zweites Olympia-Gold in Sotschi.
    Sportjournalismus in Sotschi: Vor lauter Medaillenjubel die Schattenseiten nicht vergessen. (dpa/picture alliance/Fredrik Von Erichsen)
    Es war Montag, der dritte Wettkampftag dieser Olympischen Winterspiele, als sich die Deutschlandfunk-Hörer nicht einig waren: "Es hat mich geschüttelt, dann habe ich abgeschaltet, in der sicheren Annahme, dass ein Teil der Sportreporter beratungsresistent ist“, hieß es in der Email eines Hörers. Gestört hatte die Reportage über den Finallauf der Skirennläuferin Maria Höfl-Riesch, die Gold gewann. Das Urteil eindeutig: "erfolgsbesoffener Hurra-Patriotismus“. Wenige Stunden zuvor gab es dagegen Lob: "Zum Glücksfall der Liveübertragung der ersten deutschen Goldmedaille möchte ich Ihnen gratulieren.“ Felix Loch, der Rodler, hatte - live bei uns im Deutschlandfunk reportiert - seinen Olympia-Sieg von Vancouver in Sotschi wiederholt.
    Gerade in den Tagen der Olympischen Winterspiele kommt viel Post von Hörerinnen und Hörern. Kritik und Lob, Anregungen, aber auch Despektierliches. Per Brief, auf Facebook, das Meiste per Email. Es zeigt, dass diese Winterspiele in Sotschi polarisieren, aber es zeigt auch, wie uneinig sich die Hörer sind, was die Berichterstattung darüber angeht.
    Unterschiedlichste Hörerreaktionen
    Es wird beklagt, dass Sport-Sendungen einen zu großen Umfang einnehmen: es werden, wenn über Umweltschäden, Zwangsumsiedlungen oder Menschenrechte gesprochen wird, - Zitat - "russlandfeindliche Tendenz“ ausgemacht. Von "Kreuzzug gegen Putin“ ist dann die Rede oder von "Agitationssendungen“. Es wird darauf hingewiesen, sich doch einmal intensiv den Rechten von Tieren rund um diese Spiele zu widmen oder - eher grundsätzlich - die Anregung gegeben, dass - Zitat - "in Sotschi der sportliche Wettkampf an 1. Stelle stehen sollte und keine politischen Äußerungen“.
    All das zeigt, in welchem Spannungsfeld sich die Berichterstattung über ein Großereignis wie die Olympischen Spiele heutzutage bewegt. Der gesellschaftliche Stellenwert des Sports ist, das zeigen Einschaltquoten, Besucherzahlen, aber auch das Engagement der Wirtschaft über Sponsoring oder die Auftritte der Politik, in den letzten Jahren gewachsen. Sport ist ein Teil der Gesellschaft, wie die Kultur, wie die Geschichte eines Landes, das scheint unstrittig. Aber: Ist die Gesellschaft, sind wir, auch bereit, den Sport in seiner ganzen Breite ernst zu nehmen?
    Den Spagat schaffen
    Zumindest, so der Eindruck aus der Hörerpost, wird es verlangt. Bis hin zum Widerspruch, den ein solches Aufgabenprofil zwangsläufig mitbringen muss. Denn dieser Sportjournalismus, er muss den Spagat schaffen zwischen packender Reportage, bei der Athlet, Reporter und Hörer fast eins werden - Wird es Gold für Deutschland? - und dem Journalisten, der eines der weltweit wahrgenommen Großereignisse mit all seinen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kurzum mit seinem gesellschaftlichen Stellenwert abbilden und bewerten soll.
    Ersteres erfordert Nähe, bis hin zu Parteilichkeit, Emotionen; letzteres Distanz, Skepsis und Kritik.