Großstädte sind laut, New York ist lauter. Das ist zumindest mein persönlicher Eindruck. Ein Wohnung zu finden, in der man nicht jede Nacht von Sirenen, Müllwagen oder U-Bahnen aus dem Schlaf gerissen wird, kommt fast einem Lottogewinn gleich. Claudio Silva, Ingenieur und Projektleiter an der New York University, bestätigt das. Der Lärm sei ein großer Störfaktor im Stadtleben. Aber bisher basieren Aussagen über den Geräuschpegel in der Stadt auf Anekdoten, wie den persönlichen Erfahrungen von Claudio Silva und mir.
Die wichtigste Quelle für Lärmforscher ist bisher eine Datenbank, in der Beschwerdeanrufe bei einer städtischen Hotline gespeichert werden. Diese Daten sind punktuell und unzuverlässig. Der Campus der NYU in Brooklyn ist relativ ruhig. Um eine Freifläche herum stehen Büro-Hochhäuser. Ein paar Studenten spielen Boule. An einem Fenster im ersten Stock hängt ein Schild, auf dem steht: "Laufende Aufnahme! Forscher untersuchen Straßenlärm." Daneben ragt ein Mikrofon in Richtung Campus. Man sieht es eigentlich nur, wenn man es weiß.
Wie New York klingt
"An manchen Stellen nehmen wir alles auf. Wir benutzen diese Aufnahmen um Machine-Learning-Algorithmen zu trainieren, sodass sie die Ursache von Lärm erkennen können", sagt Yitzchak Lockerman.
Er ist in dem Projekt SONYC, kurz für "Sounds of New York City", zuständig für das Sammeln der Daten. Seine Kollegen nehmen die Aufnahmen, um ein Programm auf die spezifischen Sounds der Stadt zu trainieren. Hat es einmal gelernt, wie New York klingt, soll dieses Programm automatisch Lärmquellen identifizieren können. An rund 100 Stellen der Stadt wollen die Forscher Minicomputer mit Mikrofonen anbringen.
Damit könnten sie kontinuierlich messen, wie sich die Lärmbelastung entwickelt, statt sich auf einmalige Messungen zu verlassen. Die Minicomputer sollen die Geräusche direkt selbst auswerten und nur noch das Ergebnis speichern beziehungsweise an einen Server weiterleiten. Statt einer Tonaufnahme wird also nur die Information "Feuerwehrauto" übertragen, oder "Vorschlaghammer" oder "Straßenmusiker". Diese Geräuschinformationen bekommt dann ein weiteres Mitglied des Forschungsteams, Harish Doraiswamy. Seine Aufgabe ist es, die Daten in einem 3D-Modell der Stadt mit anderen Datensätzen zu kombinieren.
"Wir haben Daten über Kriminalität, Autoverkehr und U-Bahnen. Wir wissen auch wo Baugenehmigungen vergeben wurden. Und mit all diesen Daten können wir dann sehen, wie verschiedene Aspekte die Lärmbelastung beeinflussen. In welchen Vierteln es besonders schlimm ist und wie an verschiedenen Orten damit umgegangen wird."
Mehr Daten sammeln
Eine verlässliche Datenquelle hätten die Forscher damit. Doch die Daten sind immer noch punktuell. Die ganze Stadt mit Mikrofonen abzudecken, ist unmöglich. Deshalb wollen Claudio Silva und seine Kollegen auch noch Datenquellen nutzen, die das 3D-Modell genauer machen. Daten über die Beschaffenheit von einzelnen Gebäuden. Etwa, welche Baumaterialien verwendet wurden.
"Wenn wir die Geometrie von Gebäuden und Straßen kennen und die Baumaterialien, aus denen sie bestehen, ist es theoretisch möglich, die physikalischen Gegebenheiten zu simulieren", sagt Claudio Silva.
Basierend auf den punktuellen Daten der Geräuscherfassung ließe sich so eine stets aktuelle Lärmkarte der kompletten Stadt erstellen.