Die EU-Kommission zeigte sich heute von der russischen Entscheidung unbeeindruckt. Man habe den Verzicht auf die Gaspipeline South Stream zur Kenntnis genommen, erklärte eine Kommissionssprecherin. Gestern Abend hatte der russische Präsident Wladimir Putin völlig überraschend bei einem Staatsbesuch in der Türkei den Rückzug aus dem 16-Milliarden-Euro Projekt erklärt und der EU eine Mitschuld gegeben. Brüssel habe das Projekt blockiert, so der Vorwurf. Das wies die Kommissionssprecherin zurück:
"Die Position der Kommission gegenüber South Stream hat sich nicht verändert. Der Betrieb von Gas-Pipelines in Europa muss mit dem geltenden Wettbewerbsrecht übereinstimmen. South Stream kann wie andere Projekte in Europa nur dann entwickelt werden, wenn man die geltenden Gesetze achtet. Ansonsten würde dies das Funktionieren des Binnenmarktes ernsthaft gefährden."
"Putin wollte seine Verluste vermindern"
Nach europäischer Lesart hatte der russische Gaskonzern Gazprom gegen diese Grundsätze verstoßen. Denn der Erdgaslieferant sollte gleichzeitig auch den Zugang zu South Stream kontrollieren. Zudem sollten keine anderen Lieferanten Zugang zu der Pipeline haben. Brüssel hatte deshalb auf das Transit- und Mitgliedsland Bulgarien in den letzten Monaten massiv Druck ausgeübt, um den Bau zu stoppen.
Sofia hatte schließlich im Sommer dieses Jahres eingewilligt. Aus dieser Entwicklung, so die renommierte Politikwissenschaftlerin Amanda Paul von der Brüsseler Denkfabrik "European Policy Center", habe Putin jetzt die Konsequenzen gezogen:
"Das geht jetzt seit mehreren Monaten, dass die EU das Projekt eingefroren hat. Den Russen war klar, dass es hier keine Fortschritte mehr geben würde. Zumal angesichts der ungelösten Krise in der Ukraine. Putin wollte deshalb seine Verluste vermindern und nach einer anderen Lösung suchen."
Keine Auswirkungen auf Versorgung
Tatsächlich dürfte die Ukraine-Krise bei der harten Haltung der EU eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Zudem hätte South Stream die Abhängigkeit Europas von den russischen Gaslieferungen nicht verringert, im Gegenteil. Doch Versuche, ein eigenes europäisches Pipeline-Projekt namens Nabucco zu starten, waren 2012 gescheitert. Der überraschende Verzicht Moskaus auf South Stream jetzt, so die Expertin Paul, dürfte daher in Brüssel für Feierstimmung gesorgt haben:
"Das ist eine der wenigen diplomatischen Erfolgsgeschichten der EU. Sie haben es tatsächlich geschafft, geschlossen und robust in dieser Frage aufzutreten, auch wenn natürlich gerade Bulgarien alles andere als glücklich über diese Situation war. Die Konsequenz ist jetzt, dass Putin South Stream aufgegeben hat. Trotzdem wird das Gas jetzt über eine andere Route nach Europa kommen. Die Alternative heißt Türkei."
So hat Putin angekündigt, die Gasexporte in die Türkei massiv aufzustocken. Die EU wiederum will nun den Ausbau des Energiebinnenmarktes weiter forcieren – mit einer besseren Anbindung der südeuropäischen Staaten an das europäische Gasnetz. Ansonsten dürfte das Aus für South Stream keine Auswirkungen auf die europäische Erdgasversorgung haben.