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Souveränität ohne Ihre Majestät

Die Schotten sollen über die Unabhängigkeit ihres Landes abstimmen. Das ist der Plan der Regionalregierung. Doch ohne die Zustimmung Großbritanniens ist ein Referendum gar nicht möglich.

Von Jochen Spengler |
    Bislang haben Sie nur übereinander geredet und sich dabei eher angegiftet. Seit Wochenbeginn reden sie immerhin miteinander: die Regierung ihrer Majestät des Vereinigten Königreichs mit Sitz im Londoner Stadtteil Westminister und die Regionalregierung Schottlands mit Sitz in Edinburgh.

    "Ich glaube, dass die gute Nachricht ist, dass beide Regierungen sich zusammengesetzt haben, um einen gemeinsamen Nenner für ein legales, faires und klares Referendum zu finden zu diesem zentralen Punkt, ob wir hier in Schottland weitermachen sollten innerhalb des Vereinigten Königreichs."

    Sagt Michael Moore, der Schottlandminister der britischen Regierung, nach einem ersten knapp zweistündigen Treffen mit Alex Salmond, dem Regierungschef der schottischen Regierung. Das war es dann aber auch schon mit den guten Nachrichten. Denn eine Annäherung der Positionen ist nicht zu vermelden, auch wenn Alex Salmond, der schon im Herbst 2014 über die Unabhängigkeit abstimmen lassen will, hinterher verkündet:

    "Mein Gefühl sagt mir, dass der Zeitplan mehr oder weniger akzeptiert ist; es mag Meinungsunterschiede über die Weisheit des Zeitpunkts geben, aber was die schottische Regierung vorgelegt hat, ist ein vernünftiger Vorschlag."

    Salmonds Gefühl trügt, sagt dagegen Schottlandminister Moore, der am liebsten so schnell wie möglich abstimmen lassen würde:

    "Wir stimmen nach wie vor nicht beim Zeitplan überein. Wir könnten die Volksabstimmung sehr viel früher als im Herbst 2014 durchführen. Klarheit wäre gut für Schottland und die schottischen Unternehmen."

    Die Regierung in Westminister vertritt den Rechtsstandpunkt, dass Schottlands Regionalregierung keine eigene verfassungsrechtliche Befugnis habe, ein Referendum abzuhalten. Das sei nur möglich, wenn die britische Regierung zustimme und über die Modalitäten mitentscheide. Beide Seiten haben vor Wochen Grundsatzpapiere veröffentlicht, über die nun diskutiert wird.
    Umstritten ist schon die Frage, die Alex Salmond zur Abstimmung vorlegen will:

    "Sind Sie dafür, dass Schottland ein unabhängiges Land sein sollte?"
    London bevorzugt eine andere Formulierung, nämlich:

    "Sind Sie dafür, dass Schottland das Vereinigte Königreich verlassen sollte?"

    Außerdem will die Regierung Cameron das Referendum zuspitzen auf ein klares Ja oder Nein für die Unabhängigkeit.

    Alex Salmond dagegen möchte ein Hintertürchen einbauen, eine zweite Frage, mit der die Schotten über einen dritten Weg abstimmen: die weitgehende Autonomie innerhalb Großbritanniens. Tatsächlich steckt Kalkül dahinter: Umfragen ergeben eine Zwei-Drittel-Mehrheit für die Autonomie, aber keine Mehrheit für die völlige Unabhängigkeit.
    "Wir haben doch nicht genug Industrie im Rücken, wir bleiben besser Teil der Union als allein zu stehen. Alles in allem wäre es besser, unabhängig zu werden. Die Leute wollen, dass es besser wird. Sie mögen glauben, Unabhängigkeit werde das bewirken. Ich habe meine Zweifel."

    Noch überwiegt die Skepsis der Schotten, auch wenn die Zahl der Unabhängigkeitsfreunde stetig zuzunehmen scheint.
    Doch egal sie ob am Ende eine oder zwei Fragen beantworten sollen - für Salmond steht fest, wer über die Fragestellung letztlich entscheidet. Die Regierung schlage vor, die Wahlkommission berate und das Parlament entscheide.

    "Das schottische Parlament wohlgemerkt, in dem seine sozialdemokratische Nationalpartei über eine absolute Mehrheit verfügt."
    Mit ihrer Hilfe will Salmond auch durchsetzen, dass schon 16jährige über Schottlands Zukunft abstimmen können. Schottlandminister Moore widerspricht auch hier. Wenn, dann müssten 16-Jährige bei allen Wahlen gefragt werden und nicht nur bei diesem einen Referendum.

    Die Verhandlungen stehen noch ganz am Anfang und dürften schwierig werden, zumal sie mit Prestigefragen befrachtet sind. Schottlands First Minister Alex Salmond wäre gern mehr als nur Landesfürst und sieht sich im Grunde schon jetzt als Regierungschef, dem es zustehe, nicht mit Moore, sondern mit David Cameron, dem Premierminister Großbritanniens auf Augenhöhe zu verhandeln.

    Am Donnerstagnachmittag treffen sich beide zum Meinungsaustausch in Edinburgh. Das Büro des Premierministers wird nicht müde zu versichern, dass Cameron nicht eigens nach Schottland fahre, um Salmond zu begegnen. Vielmehr sei das Gespräch mit dem First Minister in den normalen Terminplan des Premiers eingefügt worden.