Deutschen Unternehmern ist es egal, ob in ihren globalen Lieferketten Menschenrechte eingehalten werden oder nicht. Dieser Schluss liegt nahe, wenn man sich die Ergebnisse einer entsprechenden Umfrage der Bundesregierung anschaut. Von 3.000 angeschriebenen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern reagierten gerade mal 464. Lediglich 20 Prozent der befragten Firmen erfüllen Sozial- und Umweltstandards - so wie sich das die Politik vorstellt und viele Verbraucher erwarten.
"Das Ergebnis zeigt eindeutig: Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel. Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen!"
Frage nach Konsum auf Kosten von Menschenrechten
Gerd Müller, der Entwicklungsminister, hat die Geduld verloren. Der CSU-Mann drängt auf ein Lieferkettengesetz und holt Arbeitsminister Hubertus Heil mit ins Boot. Zum einen, weil sein Ministerium keine Gesetzgebungsbefugnis hat, zum anderen, weil die Thematik auch einem Sozialdemokraten am Herzen liegen müsste. Keine Kinderarbeit, keine Dumpinglöhne, keine Ausbeutung, faire Arbeitsbedingungen – das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit für alle Unternehmen sein, die im Ausland produzieren, meint Hubertus Heil:
"Globalisierung darf nicht mit Ausbeutung verwechselt werden. Mehr Konsum für uns alle darf nicht weniger Menschenrechte für andere bedeuten!"
Der Gesetzgeber ist gefordert
Bewegt sich die deutsche Wirtschaft nicht, kündigt die Bundesregierung für den kommenden Sommer an, ein sogenanntes Lieferkettengesetz einzubringen. Von Wettbewerbsnachteilen will der Arbeitsminister allerdings nichts wissen. Hubertus Heil verweist darauf, dass es zum Beispiel in Frankreich ein Lieferkettengesetz gibt. Und: Der SPD-Mann stellt in den Vordergrund, dass es durchaus einige bedeutende deutsche Firmen gibt, die sehr wohl auf Standards in ihrer Produktion achten.
"Unternehmen wie Ritter Sport, Tchibo, durchaus auch KiK - aus Schaden klug geworden - Hapag Lloyd und viele andere. Möglicherweise geht es auch um das Ansehen von Unternehmen dabei. Das ist ja nicht verkehrt, dass man auch auf sein Ansehen achtet, aber das sind Unternehmen, die solche Strukturen haben. Und warum sollten die, die sich kümmern im Wettbewerb gegenüber denen benachteiligt sein, die sich nicht kümmern?"
Schlechtes Vorbild: Die Textilindustrie
Dass sich weite Teile der deutschen Wirtschaft allem Anschein nach nicht um Menschenrechte scheren, konnte Entwicklungsminister Müller mit Blick auf sein Textilbündnis erleben. Viele Kunden wären bereit, mehr Geld für fair gehandelte Produkte auszugeben, glaubt Kathrin Krause vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Ohne ein Gesetz, das zeigt ihrer Ansicht nach das freiwillige Textilbündnis, wird es nicht gehen.
"Das Textilbündnis wurde nach der Katastrophe von Rana Plaza 2014 ins Leben gerufen. Nach fünf Jahren sehen wir leider, dass weniger als 50 Prozent der auf dem deutschen Markt vertretenen Textilunternehmen dort Mitglied sind. Was wir eigentlich bräuchten, ist eine gesetzliche Regelung, die für alle Unternehmen gilt, dass es keine Nachteile für die Unternehmen gibt, die nachhaltiger und besser produzieren, zum Beispiel bessere Löhne bezahlen, Umweltmanagement-System haben, ihre Lieferkette kennen."
Mit der Drohung aus Berlin kommt die Politik diesem Lieferkettengesetz nun einen Schritt näher. Auch die Kirchen hatten zuletzt immer wieder gefordert, per Gesetz die Auswüchse der Globalisierung zu bekämpfen.