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Sozialbeiträge von Eltern
"Pro Kind eine Entlastung"

Der CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß hat sich gegen einen Zuschlag für Kinderlose in den Sozialversicherungen ausgesprochen, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ihn vorgeschlagen hat. Für Eltern solle es aber eine Entlastung pro Kind geben, sagte Weiß im Dlf. Das sei ein Unterschied.

Peter Weiß im Gespräch mit Martin Zagatta | 10.11.2018
    Peter Weiß, Vorsitzender der CDU/CSU-Arbeitnehmergruppe im Bundestag
    Peter Weiß, Vorsitzender der CDU/CSU-Arbeitnehmergruppe im Bundestag (Imago/Metodi Popow)
    Martin Zagatta: Kinderlose sollen höhere Sozialbeiträge zahlen, auch mehr in die Rentenkasse als Eltern. Mit diesem Vorstoß sorgt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn jetzt für einige Aufregung. Und der Minister und Kandidat für den CDU-Vorsitz bekommt ganz schön Gegenwind, wie Frank Capellan berichtet.
    - Aus Berlin Informationen von Frank Capellan. Und mitgehört hat Peter Weiß. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der Bundestagsfraktion von CDU und CSU und auch deren rentenpolitischer Sprecher. Guten Tag, Herr Weiß!
    Peter Weiß: Guten Tag!
    Zagatta: Herr Weiß, auch höhere Rentenbeiträge für Kinderlose. Ist das jetzt ein Vorstoß, ein Alleingang von Jens Spahn, oder steht Ihre Fraktion, steht die Union da voll und ganz dahinter?
    Weiß: Die Debatte und die Meldungen dazu zeigen, dass da ja sehr vieles durcheinandergeworfen wird. Richtig ist, unsere Sozialversicherungen leben davon, dass es Kinder gibt, die eines Tages als Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, aber auch als Pflegekräfte und Kranken.. uns mithelfen, dass das System weiter funktioniert. Und deswegen haben wir übrigens auch einen klaren Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, Kinder und Erziehungsleistungen in den Sozialversicherungen besonders zu berücksichtigen. Das machen wir übrigens auch.
    Zagatta: Bei der Pflegeversicherung.
    Weiß: Bei der Rentenversicherung haben wir die Kindererziehungszeiten als zusätzliche Leistung für Kindererziehung. Wir haben die Kinderberücksichtigungszeiten. Und wir haben bei der Witwenrente einen Kinderzuschlag. Das sind Milliardenbeträge, die wegen Kindern gezahlt werden. Wie haben in der gesetzlichen Krankenversicherung die kostenlose Mitversicherung der Kinder und eventuell auch des nicht berufstätigen Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung. Und in der Pflegeversicherung haben wir seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts diese Differenzierung zwischen kinderlos und mit Kindern. Ich finde, dass damals das Urteil falsch umgesetzt worden ist. Und zwar finde ich, es ist nicht richtig, den Kinderlosen einen Zuschlag abzuverlangen, sondern man müsste pro Kind eine Entlastung des Beitragszahlers machen. Dann macht die Sache Sinn.
    Zagatta: Aber das klingt doch dann nur anders. Fakt wäre doch dann genauso, Kinderlose müssten dann auch mehr zahlen als Eltern. Wäre das nicht viel mehr als Etikettenschwindel?
    Weiß: Ja, aber das ist der klare Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, muss ich sagen.
    Zagatta: Etikettenschwindel?
    Weiß: Und das Bundesverfassungsgericht hat recht gehabt mit seinem Urteil, nämlich dass es uns als Gesetzgeber verpflichtet, für die Kindererziehung in den Sozialversicherungen eine besondere finanzielle Berücksichtigung vorzusehen, weil die Kinder die Zukunft der Versicherung sind. Und Sie können natürlich sagen, das ist doch Jacke wie Hose. Ich glaube, dass es schon ein Unterschied ist, ob ich einen Zuschlag für Kinderlose mache, oder ob ich eine Entlastung pro Kind mache.
    "Auch in der Rentenversicherung beim Beitrag eine Differenzierung"
    Zagatta: Das heißt, Sie sprechen sich dann auch eindeutig dafür aus, für das, was Spahn jetzt vorschlägt, also auch unterschiedliche Beiträge für Kinderlose und Eltern, dann auch bei den Rentenbeiträgen?
    Weiß: Im Wahlprogramm der CDU und CSU im Jahr 2005 war der Vorschlag enthalten, dass wir auch bei der Rentenversicherung während der Kindererziehungszeiten eine Ermäßigung des Beitrags ermöglichen. In den dann anschließenden Koalitionsverhandlungen mit der SPD ist was anderes rausgekommen, nämlich dass wir bei der Riesterrente einen höheren Zuschlag pro Kind bezahlen. Das ist auch schön, aber das ist eigentlich nicht das, was sinnvoll gewesen wäre und was dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts tatsächlich auch entsprochen hätte. Also erstens, wir haben heute schon Kinderentlastungs- oder kinderbezogene Zusatzleistungen in unseren Sozialversicherungen. Und sicherlich, finde ich, ist es richtig, wenn man auch in der Rentenversicherung in der Zukunft beim Beitrag schon eine Differenzierung macht.
    Zagatta: Also da unterstützen Sie den Jens Spahn. Haben diese Vorschläge denn eine Rolle gespielt in den langen Koalitionsverhandlungen? Das ist ja nicht so vereinbart worden, sonst käme der Widerstand von der SPD nicht. Kommen die jetzt, weil sich Jens Spahn da vielleicht profilieren muss ein bisschen als Bewerber für den CDU-Vorsitz?
    Weiß: Ich glaube, es wäre – wir haben natürlich jetzt innerparteilichen Wahlkampf in der CDU. Das ist auch okay. Es ist doch schön, dass wir mehrere qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten zur Auswahl haben. Und davon absetzen sollte man jetzt noch mal das Sachthema, das man, glaube ich, in aller Ruhe diskutieren muss. Sie wissen, dass in den Koalitionsverhandlungen zur Bildung dieser Bundesregierung uns wichtig war, dass wir bei der Mütterrente noch mal einen Zuschlag machen. Das haben wir am vergangenen Donnerstag endlich im Deutschen Bundestag beschlossen. Ab dem 1. Januar 2019 wird es für alle vor '92 geborenen Kinder zusätzlich ein halbes Kindererziehungsjahr zusätzlich in der Rente geben. Und damit haben wir ja auch als Gesetzgeber zusammen mit den Sozialdemokraten ein deutliches Zeichen gesetzt: Ja, wir wollen Kindererziehung in der Rente ganz besonders berücksichtigen.
    "Differenzierte Position zu dem, was Jens Spahn vorschlägt"
    Zagatta: Herr Weiß, darf ich das, was Sie sagen, jetzt vielleicht mal so zusammenfassen: Sie sind dafür, Jens Spahn mit seinen Vorschlägen da zu folgen, also Kinderlose höhere Rentenbeiträge zahlen zu lassen beziehungsweise Eltern dann weniger zahlen zu lassen, so haben Sie sich ausgedrückt. Aber nachdem die SPD hier so klar nein dazu sagt, heißt das dann auch, dass Kinderlose – also dazu sagt, dass Kinderlose da mehr zahlen müssen –, heißt das dann auch, diese Pläne haben vorerst keinerlei Chance, auch umgesetzt zu werden?
    Weiß: Wir haben ja einen Koalitionsvertrag geschlossen, in dem haben wir die verbesserte Mütterrente miteinander vereinbart. Das haben wir jetzt ins Gesetz gegossen. Das ist ein großer Erfolg auch für die Union. Mehr haben wir nicht vereinbart. Und wir sind jetzt mal gehalten, in dieser Koalition das zu regeln, was wir im Koalitionsvertrag stehen haben. Das ist schon eine ganze Menge, auch zugunsten von Kindern. Zu recht ist ja erwähnt worden, dass wir auch noch das Familienentlastungsgesetz gemacht haben in dieser Woche und dass wir ja beim Kinderzuschlag und beim Kindergeld noch was neu regeln wollen. Da wird eine Menge getan, worauf wir auch gerade als Union als Verhandlungserfolg stolz sind. Zweite Frage ist, reicht das für die Zukunft aus. Und wie ich ja schon dargelegt habe, habe ich da eine differenzierte Position zu dem, was Jens Spahn vorschlägt, weil ich glaube, dass das, was wir bei der Pflegeversicherung gemacht haben mit dem Zusatzbeitrag für den Kinderlosen, eigentlich das Falsche ist. Das sieht ja auch immer so ein bisschen danach aus, na ja, also die Kinderlosen müssen jetzt, weil sie keine Kinder haben, was Zusätzliches zahlen. Das ist aber nicht der Punkt. Der Punkt ist, wir sind, finde ich, als Gesetzgeber gehalten, auch in der Sozialversicherung, Familien mit Kindern für die Zeit der Kindererziehung eine Entlastung zu gewähren. Und die Idee, die wir als Union 2005 in unserem Wahlprogramm hatten, Entlastung pro Kind, halte ich nach wie vor für eine gute Idee, über die wir in der Zukunft reden und diskutieren sollten. Im Übrigen wird es ja noch in dieser Legislaturperiode einen Bericht geben, wie in den Sozialversicherungen die Kinderentlastung und die Familienentlastung tatsächlich funktioniert. Und dann ist auch der Tag da, an dem über solche Konzepte neu beraten muss.
    Zagatta: Die Kritik, die ist aber jetzt schon da, und da heißt es auch, wir haben im Moment die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten. Und dann sagt die Union jetzt trotzdem, wir sollten bestimmte Menschen jetzt noch mehr belasten. Wie passt das zusammen?
    Weiß: Ja, genau, das ist das Fatale in dieser Diskussion. Ich würde nicht über Mehrbelastung von Menschen sprechen. Das eine ist, wir haben diese hohen Steuereinnahmen, deswegen ist ja auch die Steuerentlastung richtig. Deswegen wäre es auch gut, wenn wir den Soli insgesamt abschaffen könnten. Das ist schwierig in dieser Koalition derzeit durchzusetzen, aber wir fangen ja damit an, mit der Entlastung. Und das Zweite ist, vielleicht ist jetzt durch diese ja in einem innerparteilichen Wahlkampf auch positionierte Äußerung einfach auch eine sachgerechte Diskussion vielleicht auch nicht möglich. Und deswegen zähle ich darauf, dass wir im Hinblick auf die nächste Bundestagswahl uns erstens noch mal anschauen, funktioniert das ausreichend, was wir als Kindererziehungs- und Familienentlastung in unserem Sozialsystem haben. Oder müssen wir das verbessern. Ich glaube, dass man es weiter verbessern kann, und ich glaube, dafür gäbe es auch eine große Mehrheit in Deutschland, weil jeder sieht, Kinder groß ziehen, das ist eine großartige Leistung, das ist auch eine finanziell fordernde Leistung. Deswegen muss das im Steuerrecht berücksichtigt werden, aber es muss auch angemessen in der Sozialversicherung berücksichtigt werden.
    Zagatta: Herr Weiß, innerparteilicher Wahlkampf, da geben Sie mir schon das Stichwort. Jens Spahn ist ja einer der Kandidaten für den CDU-Vorsitz. Sie sind Sozialpolitiker. Können Sie uns schon sagen, ob Sie für Spahn stimmen werden?
    Weiß: Jetzt lassen Sie uns doch mal diesem innerparteilichen Wahlkampf geschehen. Alle drei Kandidaten werden sich jetzt auf mehreren Regionalkonferenzen vorstellen und werden natürlich auch mit ihren Herzensanliegen für sich werben. Deswegen glaube ich, dass dieses Thema nur eines von vielen Themen sein wird, die wir diskutieren werden. Meine Wahlempfehlung werde ich dann schon noch bei mir zu Hause geben, ja.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.