Die Exposition des "Weber"-Films arbeitet, wie die klassische Symphonie, mit einem Hauptthema in der Grundtonart und einem Seitenthema in der Dominante: Kurze Bildsequenzen umreißen das Elend, den Hunger und die Depressionen der Heimarbeiter in der Region von Langenbielau im Eulengebirge Mitte der 1840er-Jahre. Es ist ein Blick auf das Volksleben in der ehemals zu wohlhabenden preußischen Randprovinz Schlesien. Einmal blickt die Kamera kurz in den Himmel, in dem Wolken aufziehen. Noch kürzere Gegenschnitte zeigen den Parchant-Händler Dreißiger im Kreise seiner Familie beim Speisen mit dem Herrn Pastor und dessen Gattin. Die Gans tranchiert er eigenhändig. Die Kamera wirft auch einen Blick auf die Hauptstadt Berlin, in der ein kurz zuvor als "Reformer" begrüßter neuer König – Friedrich Wilhelm IV. – den "Schwanenorden" ins Leben ruft, dessen glühendes bestreben es sein soll, mit Gottes Hilfe Elend und Hunger aus der Welt zu schaffen (daher gilt seine erste, von bewaffneten Kräften abgesicherte Mission den hungernden Negerkindern in Afrika).
Der Lohn der für Fabrikant Dreißiger malochenden Dörfler wird derweil von dessen gut geschultem Personal erst en Detail gedrückt, dann pauschal halbiert. Aber das ist zu viel zu viel. Ein kräftiger junger Weber murrt im Kontor, wird ausgesperrt – und zusammen mit dem frustriert vom Militärdienst zurückkehrenden Moritz Jäger zum Protagonisten des Aufruhrs.
Zunächst wollen die Entrechteten und Unterdrückten dem Fabrikanten nur ein Ständchen des Unmuts darbringen und singen das berühmte Lied "Hier im Ort ist ein Gericht, viel schlimmer als die Feme". Aber da Herr Dreißiger den "Rädelsführer" von seinen Färberknechten festnehmen lässt, eskaliert die Situation.
Die neue Filmmusik von Johannes Kalitzke verzichtet auf die nahe liegende Option, das Klage- und Kampflied zu zitieren und kunstgewerblich zu verarbeiten. Sie geht konsequent einen ganz eigenen neuen Weg – kontrapunktiert, auch in ihren Fließgeschwindigkeiten, mehr als dass sie begleitet. Sie antizipiert Entwicklungen im Film und bleibt, wo dieser der Aufregung Ausdruck verleiht, eher ruhig und zurückhaltend. Überhaupt waltet in ihr eine bemerkenswerte Ökonomie der Mittel. Und brüllen will diese Musik schon gar nicht. Sie lebt von neuer Sachlichkeit und großer inwendiger Spannung.
Polyfonie der Stilmittel, vor allem zu Beginn: Georg Grosz wirkte bei der Gestaltung der in den Stummfilm "Die Weber" eingeblendeten Zwischenüberschriften und zum Teil erstaunlich ausführlichen Dialog-Zusammenfassungen mit. Insbesondere steuerte er Grafiken bei, die Bilder des 19. Jahrhunderts "fortschrieben": Das Historische stieß auf moderne Kunstsprachen und diese verweisen ohne erhobenen Zeigefinger auf die Aktualität des Sujets. Friedrich Zelniks Film entstand just zu dem Zeitpunkt, als in Deutschland viele Arbeitermütter ihren Kindern "Milchwasser gaben" und Kurt Tucholsky dies in dem von Hanns Eisler vertonten Lied "Ruhe und Ordnung" als Skandal markierte. Freilich setzte Zelnik, der Hauptmanns Bühnenstück in einer Form für das Metier des Stummfilms adaptierte, die zurecht als "werkgetreu" charakterisiert werden darf, im Kontrast zu den drastischen Bildern des Elends und der Rebellion auch auf expressionistische Stilmittel. Das Outrieren der klassischen Stummfilmdarsteller wurde weithin herunter gepegelt im Zuge einer neuen Nüchternheit, stattdessen zeigen zum Beispiel rasche Schnittfolgen verzerrte Gesichter und mit ihnen einen Text hinter dem unausgesprochen bleibenden Text. Eine Traumszene, in der ein wg. allzu großen Hungers umgefallener Junge von den Reichtümern in der Fabrikantenvilla träumt, die er kurz sehen durfte, arbeitet mit Mehrfachüberblendungen. Die Bildsprache scheint unmittelbar von Eisenstein und Pudowkin geprägt, die musikalische Sprache aus vielfältigen Quellzuflüssen der neuen Musik genährt. So konstituiert sich, historisch vierfach gestaffelt, ein bemerkenswertes Film- und Musikereignis.
Der Lohn der für Fabrikant Dreißiger malochenden Dörfler wird derweil von dessen gut geschultem Personal erst en Detail gedrückt, dann pauschal halbiert. Aber das ist zu viel zu viel. Ein kräftiger junger Weber murrt im Kontor, wird ausgesperrt – und zusammen mit dem frustriert vom Militärdienst zurückkehrenden Moritz Jäger zum Protagonisten des Aufruhrs.
Zunächst wollen die Entrechteten und Unterdrückten dem Fabrikanten nur ein Ständchen des Unmuts darbringen und singen das berühmte Lied "Hier im Ort ist ein Gericht, viel schlimmer als die Feme". Aber da Herr Dreißiger den "Rädelsführer" von seinen Färberknechten festnehmen lässt, eskaliert die Situation.
Die neue Filmmusik von Johannes Kalitzke verzichtet auf die nahe liegende Option, das Klage- und Kampflied zu zitieren und kunstgewerblich zu verarbeiten. Sie geht konsequent einen ganz eigenen neuen Weg – kontrapunktiert, auch in ihren Fließgeschwindigkeiten, mehr als dass sie begleitet. Sie antizipiert Entwicklungen im Film und bleibt, wo dieser der Aufregung Ausdruck verleiht, eher ruhig und zurückhaltend. Überhaupt waltet in ihr eine bemerkenswerte Ökonomie der Mittel. Und brüllen will diese Musik schon gar nicht. Sie lebt von neuer Sachlichkeit und großer inwendiger Spannung.
Polyfonie der Stilmittel, vor allem zu Beginn: Georg Grosz wirkte bei der Gestaltung der in den Stummfilm "Die Weber" eingeblendeten Zwischenüberschriften und zum Teil erstaunlich ausführlichen Dialog-Zusammenfassungen mit. Insbesondere steuerte er Grafiken bei, die Bilder des 19. Jahrhunderts "fortschrieben": Das Historische stieß auf moderne Kunstsprachen und diese verweisen ohne erhobenen Zeigefinger auf die Aktualität des Sujets. Friedrich Zelniks Film entstand just zu dem Zeitpunkt, als in Deutschland viele Arbeitermütter ihren Kindern "Milchwasser gaben" und Kurt Tucholsky dies in dem von Hanns Eisler vertonten Lied "Ruhe und Ordnung" als Skandal markierte. Freilich setzte Zelnik, der Hauptmanns Bühnenstück in einer Form für das Metier des Stummfilms adaptierte, die zurecht als "werkgetreu" charakterisiert werden darf, im Kontrast zu den drastischen Bildern des Elends und der Rebellion auch auf expressionistische Stilmittel. Das Outrieren der klassischen Stummfilmdarsteller wurde weithin herunter gepegelt im Zuge einer neuen Nüchternheit, stattdessen zeigen zum Beispiel rasche Schnittfolgen verzerrte Gesichter und mit ihnen einen Text hinter dem unausgesprochen bleibenden Text. Eine Traumszene, in der ein wg. allzu großen Hungers umgefallener Junge von den Reichtümern in der Fabrikantenvilla träumt, die er kurz sehen durfte, arbeitet mit Mehrfachüberblendungen. Die Bildsprache scheint unmittelbar von Eisenstein und Pudowkin geprägt, die musikalische Sprache aus vielfältigen Quellzuflüssen der neuen Musik genährt. So konstituiert sich, historisch vierfach gestaffelt, ein bemerkenswertes Film- und Musikereignis.