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Soziale Immunität

Entomologie. - Bienen haben gegen Parasiten und Krankheitserreger eine erfolgreiche Strategie entwickelt. Alle Individuen kooperieren, um die Gesamtheit des Volkes zu schützen, dafür ist das Immunsystem des Individuums schwächer als normal. Wie diese Mechanismen im einzelnen funktionieren, das war jetzt ein Thema auf der internationalen Konferenz "Eurbee 5" in Halle/Saale.

Von Joachim Budde |
    Wenn Ammenbienen kranke Larven in einer Wabe aufspüren, werfen sie die Infektionsquelle aus dem Stock. Die Bienen haben verschiedene, seit langem bekannte Verhaltensweisen entwickelt, um sich der Parasiten, Viren und Bakterien zu erwehren. Für zwei dieser Mechanismen haben Wissenschaftler um Dr. Cédric Alaux vom Institut national de la recherche agronomique im französischen Avignon jetzt die Prozesse entschlüsselt, die dabei im Körper ablaufen. Denn im Gegensatz zu allein lebenden Insektenarten haben die Bienen ein eher schwaches Immunsystem, sagt der Biologe.

    "Im Vergleich zu einzeln lebenden Insekten fehlen bei der Honigbiene zwei Drittel der Gene, die für das Immunsystem eine Rolle spielen. Die Abwehr der einzelnen Biene ist also etwas schwächer. Bienen haben aber eine neue Immunität entwickelt, Soziale Immunität. Dabei ist das Hygieneverhalten wichtig: Sie werfen kranke oder tote Individuen sofort aus dem Nest. Wir haben uns jetzt die genetischen Grundlagen dieses Hygieneverhaltens angesehen."

    Dazu haben Alaux und seine Kollegen untersucht, welche Gene in den Gehirnen junger Bienen aktiv waren, die besonders effektiv solche Larven aufgespürt haben, die mit der Varroa-Milbe infiziert waren.

    "Wir haben etwa 30 Gene gefunden. Die meisten davon spielen bei der Entwicklung des Geruchssinns eine Rolle. Im dunklen Stock erkennen die Bienen kranke Larven daran, dass sie anders riechen. Ist dieser Sinn besonders ausgeprägt, können die Bienen kranke Tiere sehr effektiv aus dem Stock werfen, ehe sich der Parasit ausbreitet."

    Die Varroa-Milbe ist der bedeutendste Parasit für Honigbienen. Die Milbe schwächt die Tiere. Imker müssen befallene Bienenvölker das ganze Jahr über behandeln, damit die Bienen stark genug sind, um durch den Winter zu kommen. Die Milbe befällt nicht nur Larven sondern auch erwachsene Tiere. Wenn die merken, dass sie krank werden, ergreifen sie selbst die Initiative, um den Rest des Volkes zu schützen: Normalerweise übernehmen Bienen in den ersten Tagen ihres Lebens Aufgaben im Innern des Stocks, sie füttern die Brut oder pflegen die Königin, ehe sie am Ende ihres Lebens ausfliegen, um Nektar und Pollen zu sammeln. Alaux:

    "Wir wissen, dass kranke Bienen schneller den Stock verlassen als gesunde Bienen. Was aber genau in der Biene passiert, war bisher unbekannt. Darum haben wir Bienen Teile von Bakterien gespritzt, die zwar keine Erkrankung auslösen – diese Bienen lebten genauso lang wie normale Bienen – die Injektion regte aber das Immunsystem an."

    Die Biologen beobachteten, dass diese Bienen Aufgaben außerhalb des Nests übernahmen. Damit minimierten sie die Gefahr, die Königin oder die Brut zu infizieren. Die Bienen veränderten sich außerdem körperlich: Die Drüsen, mit denen Ammenbienen den Futtersaft für die Larven erzeugen, bildeten sich bei den immunstimulierten Bienen zurück. Sie verwandelten sich in Sammelbienen. Von ihren Erkenntnissen erhoffen sich die Wissenschaftler einen Vorteil im Kampf etwa gegen die Varroa-Milbe:

    "Es wäre ideal, wenn wir auf Basis der Gene, die wir gefunden haben, Bienenstämme züchten könnten, deren Hygieneverhalten so ausgeprägt ist, dass sie gegen Krankheiten wie die Varroa resistent sind. Denn die Varroa-Milbe schwächt die Biene nicht nur, indem sie ihren Körpersaft saugt, sie überträgt auch Viren. Was bei der Zucht allerdings schwierig ist: Oft geht die Selektion eines Merkmals zu lasten eines anderen, zum Beispiel der Honigproduktion. Wir bräuchten aber Bienenvölker die beides können: Der Varroa-Milbe widerstehen und genug Honig produzieren."