Mittlerweile sprechen die Sozialforscher bereits von einem Armutsparadox das sich in Deutschland im letzten Jahrzehnt herausgebildet habe. Denn trotz der guten wirtschaftlichen Lage und der deutlich gestiegenen Beschäftigungsquote steigt die Armutsquote in Deutschland weiter an. Mittlerweile gelten knapp 16 Prozent der Bevölkerung als arm.
"Die Früchte des Wachstums kommen eben nicht allen zu Gute. In den unteren Gruppen gibt es sogar reale Verluste. Auch zahlreiche weitere Befunde zur abnehmenden Duchlässigkeit bei wachsender Spreizung zeigen, die soziale Mobilität ist zunehmend blockiert. Das gilt ganz ausgeprägt bei den Kindern und Jugendlichen aus einkommensarmen Haushalten und betrifft seit Jahren relativ stabil eine Zahl von 2,5 Mio. Kindern und Jugendlichen."
Dadurch aber verbaue sich die Gesellschaft ein Potential, das es eigentlich zu fördern gelte, betont Rolf Rosenbrock, der Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbandes. Die Bundesregierung habe mit dem 5. Armuts- und Reichtumsbericht zwar eine Analyse vorgelegt, die diese Entwicklung weitgehend widerspiegele. Ihr sei es aber nicht gelungen dem spürbar etwas entgegenzusetzen.
"Mehr für die soziale Bildung tun"
"Wir haben ja gerade auch in den letzten Jahren die sozialpolitische Gesetzgebung resümiert und wenn wir da scheuen, was wird denn konkret getan, dann finden wir in der Tat die entschlossenen Schritte nicht. Um Armut und Ungleichheit […. ]tatsächlich wirksam zu bekämpfen",
sagt Joachim Rock, der Autor des Paritätischen Jahresgutachtens. Die Zahlen an sich seien nicht wirklich neu, etwa bei der hohen Kinderarmut. Da hätte die Politik gerade in der Zeit, wo die öffentliche Hand deutliche Zugewinne bei den Steuereinnahmen verzeichnet, die öffentlichen Kassen also gut gefüllt sind, mehr für die soziale Bildung tun können, kritisiert der Verband, denn:
"Alles, was jetzt nicht an Bildungsausgaben tatsächlich an die benachteiligten Kinder in der Breite fließt, das lässt sich nur sehr langsam aufholen. Deshalb wäre wirklich jetzt der Zeitpunkt, um da entschlossen ran zu gehen, gerade aufgrund der guten wirtschaftlichen Konjunktur."
Bildungsoffensive und Mindestarbeitslosengeld
Der Paritätische Wohlfahrtsverband stellt deshalb sechs konkrete Forderungen an die Parteien im Wahlkampf. Allen voran eine Bildungsoffensive für Kinder aus benachteiligten Familien, um schulische Sackgassen zu vermeiden. Ein Mindestarbeitslosengeld um das abrutschen in Hartz 4 zu verhindern und höhere Niveaus bei allen sozialen Leistungen. Darunter fällt auch die Abhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent. Finanziert werden sollen die Ausgaben durch eine andere Steuerpolitik.
"Für uns als Paritätischen ist klar: die Vermögensteuer muss reaktiviert werden angesichts der extremen Vermögensspreizung ist dies ein Gebot sowohl der Gerechtigkeit als auch einfach der Vernunft. Zweitens: Die Erbschaftssteuer ist so auszugestalten , dass sie bei 300 Milliarden Euro, die alljährlich vererbt werden auch zu nennenswerten Steuereinnahmen führt."
Auch der Spitzensteuersatz für höhere Einkommen sollte deutlich angehoben werden, betont Rosenbrock, um dem Armutsparadox wirksam begegnen zu können und mittlere Einkommen zu entlasten.