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Soziale Medien
Influencer der "Neuen Rechten"

Beinahe unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit ist in den sozialen Netzwerken eine eigene, sehr erfolgreiche Szene rechtsextremer Influencerinnen und Influencer gewachsen. In Kochsendungen und rechten Werbevideos verbreiten sie eine Weltsicht, die auf Konflikt, Krieg und Rassismus beruht.

Von Burkhard Schäfers |
Das Foto zeigt Martin Sellner, einen der Anführer der rechten Identitären Bewegung in Österreich, hier in Garmisch-Partenkirchen im September 2018.
Mitglieder der Identitären Bewegung, wie Martin Sellner, betreiben auf YouTube und Instagram Kanäle über die sie gezielt rassistische Inhalte platzieren - unter dem Deckmantel von Lifestyle-Videos (imago)
"Das ist eine heiße Kartoffel – und diese Stärke, die an den Händen klebt: Ich mag das nicht, ich bin kein Kartoffel-Freund. Ich hab mal einen Vortrag eines Anthroposophen gehört, der gemeint hat, die Kartoffel wäre keine gute Frucht für Mitteleuropäer, sie kommt aus dem Ausland."
In diesem Video steht Martin Sellner in seiner Küche und lacht in die Kamera. Der Sprecher der Identitären in Österreich ist der erfolgreichste Youtuber der "Neuen Rechten" im deutschsprachigen Raum. Sellner hat knapp 100.000 Abonnenten und postet fast täglich Filme – zu Themen wie Migranten oder Sozialbetrug, manchmal aber auch mit Zubereitungs-Tipps zu Kaiserschmarrn und Wiener Schnitzel, sagt der Journalist Patrick Stegemann.
Die Kartoffel aus dem Ausland: rassistische Narrative in Kochshows
"Man kann natürlich auf diese Kochshow auf Youtube beispielsweise gelangen, indem man einfach sucht: Schweineschnitzel kochen. Das ist etwas, was Leute ja tatsächlich auf Youtube viel tun. Und dann kommt man auf einmal auf diesen Inhalt und bekommt dann halt erzählt, dass die Kartoffel vielleicht doch kein europäisches Gemüse ist, sondern aus dem Ausland kommt und deswegen nicht so gut zu uns passt. Da wird unter der Hand ein rassistisches Narrativ bedient in einer Kochshow."
Stegemann und seine Kollegen haben für eine Dokumentation des Jugendangebots funk recherchiert, wie sich die jungen Rechten im Netz darstellen. Eine beliebte Strategie: Sie geben sich wie Youtube-Stars, sogenannte Influencer:
Junge Rechte im Netz geben sich als Influencer
"Die machen Selfies, es ist ein Filter drüber, sie machen Naturbilder, sie fotografieren ihre Schuhe, ihre Klamotten. Die sind dann teilweise von Klamottenmarken der extremen Rechten. Aber auf den ersten Blick unterscheidet sie eigentlich kaum etwas."
Indem sie in Videos und auf Fotos aussehen wie beste Kumpels, wenden sich rechte Influencerinnen und Influencer an eine breite Zielgruppe – gerade auch an akademische, urbane Milieus. Sie schüren Angst vor Fremden, vor dem Verlust heimischer Kultur und Identität. Etwa mit Prognosen zum sogenannten "Bevölkerungsaustausch", einem Propagandabegriff der "Neuen Rechten". Um konkrete Politik indes gehe es selten, sagt Filmemacher Patrick Stegemann.
Zielgruppe: akademische, urbane Milieus
"Weil das zum Beispiel auf Instagram auch gar nicht funktioniert. Niemand möchte da etwas über Gewerbesteuerhebesätze hören. Sondern es geht darum, eine bestimmte Weltsicht zu normalisieren. Eine Weltsicht, die auf Konflikt, auf Krieg beruht, die zutiefst rassistisch ist."
Ziel sei es, das Meinungsklima schrittweise zu verändern. Zudem geben die Influencer Wahlempfehlungen für rechte Parteien. Aber lassen sich solche Netz-Aktivitäten in Stimmen ummünzen, etwa bei der bevorstehenden Europawahl? Julia Ebner forscht am ‚Institute for Strategic Dialogue‘, einer Londoner Denkfabrik, zum Thema Rechtsextremismus.
Weltsicht normalisieren, die auf Konflikt, Krieg und Rassismus beruht
"Es ist schwierig, eine Aussage zu treffen, inwiefern diese Kampagnen wirklich das Wählerverhalten beeinflussen. Aber es ist auf jeden Fall so, dass es eine längerfristigere Investition ist, und die großen EU-Themen der Migration, Klimawandel, aber auch Journalismus sehr stark beeinträchtigt werden könnten beziehungsweise sie es auch schaffen könnten, den Diskurs hier in genau ihre Richtung und zugunsten von Rechtspopulisten zu lenken."
Die Wissenschaftler untersuchten zuletzt politische Online-Kampagnen rund um Wahlen in Deutschland, Italien, Schweden und Spanien. Eine Erkenntnis:
Rechte Wahlkampagnen finden auf paneuropäischer und internationaler Ebene statt
"Die Kampagnen der Neuen Rechten finden auf paneuropäischer, wahrscheinlich sogar eher internationaler Ebene statt. Wir sehen ein Muster, dass es in den unterschiedlichen Ländern sehr ähnliche Themenschwerpunkte gibt, es aber trotzdem rechte Bewegungen schaffen, ihre Verschwörungstheorien, ihre Falschmeldungen sehr stark auf den lokalen Kontext anzupassen."
Die Internet-Promis der "Neuen Rechten" lassen sich von Formaten im Ausland inspirieren. Sie interviewen sich gegenseitig, verweisen aufeinander – und sorgen so dafür, dass ihre Videos mehr Reichweite bekommen. Brittany Pettibone, die Verlobte von Identitären-Sprecher Sellner, ist als rechte Video-Bloggerin in den USA aktiv. Zusammen geben sie vor der Kamera das smarte Paar.
Geschäftsmodelle von Internetplattformen hinterfragen
Eine mögliche Folge: Durch ihre Art der Ansprache im Netz – charismatisch, gepaart mit populistischen Argumenten – könnten sie gerade Jüngere, noch unentschlossene, überzeugen, rechte Parteien zu wählen. Um die Demokratie besser vor solchen Aktivitäten zu schützen, müssten Parlamente die großen Plattformen konsequent regulieren, fordert Extremismusforscherin Ebner:
"Dass zum Beispiel auf Youtube verschwörungstheoretische Inhalte oder auch extremistische Videos einfach immer weiter empfohlen werden und die Algorithmen das eigentlich vor allem verstärken, das ist etwas, wo die Geschäftsmodelle der großen Tech-Firmen nochmal hinterfragt werden müssen."
Das indes hieße, auch vermeintlich unpolitische Inhalte wie Kochshows künftig stärker zu kontrollieren.