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Sozialer Sprengstoff
Diskussion über Mindestlohn bei Flüchtlingen

2016 werden sich viele Flüchtlinge auf Jobsuche begeben. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, ist der Auffassung, dass sie auch für einfachere Arbeiten den gesetzlichen Mindestlohn erhalten sollten. Wirtschaftsverbände sehen das anders. Droht sich das Armutsproblem in Deutschland zu verschärfen, weil Zuwanderer zur Konkurrenz für Geringverdiener werden?

Von Frank Capellan |
    Flüchtlinge arbeiten bei der Initiative "Arrivo"
    Flüchtlinge arbeiten bei der Initiative "Arrivo" (dpa / picture alliance / Rainer Jensen)
    Immer wieder kommt das Thema auf die Tagesordnung, auch in Interviews zum Weihnachtsfest. Muss es künftig Ausnahmen beim Mindestlohn geben, um den vielen Flüchtlingen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern? Eigentlich ist das eine politische Diskussion, an der ich mich nicht beteiligen möchte, meint Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit gegenüber der Deutschen Presseagentur, aber er macht das dann doch: Flüchtlinge sollen wie andere beschäftigte den gesetzlichen Lohn von 8,50 Euro die Stunde bekommen, daran darf nicht gerüttelt werden, meint Weise, der zugleich auch Leiter des Bundesamtes für Migration ist.
    Ich möchte die Neuankömmlinge schnell dahin bringen, dass sie so viel leisten, dass sie den Lohn auch verdienen, betont Weise. Bloß nicht Flüchtlingen und einheimische Arbeitnehmer gegeneinander ausspielen, warnt auch der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, Reint Gropp. "Das wird zu neuen Konflikten führen!" Wird sich das Armutsproblem in Deutschland also verschärfen, weil Zuwanderer zur Konkurrenz für Geringverdiener werden? Die Gefahr besteht, meint der Kölner Soziologe Christoph Butterwegge im Gespräch mit dem Deutschlandfunk.
    Zweierlei Lohn für Flüchtlinge und deutsche Geringverdiener?
    "Ich fürchte schon, dass durch die Flüchtlinge sich die Armut verstärken wird. Es besteht sogar die Gefahr, dass es zu einer dauerhaften ethnischen Unterschichtung unserer Gesellschaft kommt, besonders dann, wenn der Sozialstaat weiter abgebaut wird und wenn nicht dafür gesorgt wird, dass Ghettoisierung zum Beispiel von Flüchtlingen vermieden wird."
    Zweierlei Lohn für Flüchtlinge und deutsche Geringverdiener? Aus der Wirtschaft kommen weiter entsprechende Forderungen. Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie und Handelskammertages, möchte Flüchtlinge zumindest so behandeln wie Langzeitarbeitslose, bei denen der Mindestlohn für eine gewisse Zeit nicht gilt. Immer mehr Menschen, die nach Arbeit und Wohnungen suchen, das birgt erheblichen sozialen Sprengstoff, fürchtet der Kölner Caritas-Direktor Frank Johannes Hensel. Im Südwestrundfunk meint der Sprecher der Nationalen Armutskonferenz, einem Zusammenschluss von Verbänden der Wohlfahrtspflege: Jetzt rächt sich, dass in der Vergangenheit viele staatliche Aufgaben nicht angegangen wurden.
    "Das Finden von bezahlbarem Wohnraum, das ist eine echte soziale Schwierigkeit. Wir haben ja über 300.000 wohnungslose Menschen schon hier, und jetzt findet ein großer Zuzug statt. Der gesamte soziale Wohnungsbau, der ist ja liegengelassen worden, damit fehlt uns das heute!"
    "Gefahr, dass Rechtspopulismus anwächst"
    Mit staatlichen Wohnungsbauprogrammen allein ist es nicht getan, meint Hensel. Er drängt auf steuerliche Anreize für Wohnungseigentümer, die Immobilien günstig an Geringverdiener vermieten. Wenn die Probleme nicht schnell gelöst werden, werden Rechtspopulisten den Sozialneid gegenüber den Zuzüglern weiter schüren, warnt Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge.
    "Wenn man das historisch betrachtet, dann hat ein verunsichertes Kleinbürgertum, das Angst hat, sozial abzustürzen immer damit reagiert, dass es politisch sich nach Rechtsaußen gewendet hat. Deswegen besteht durchaus die Gefahr, wenn man die Armen gegen die noch Ärmeren ausspielt, wenn man also sagt, ihr bekommt den Mindestlohn, aber andere bekommen ihn nicht, und wenn man sagt, soziale Leistungen müssen gekürzt werden, weil mehr Flüchtlinge ins Land strömen, dann besteht natürlich die Gefahr, dass Rechtspopulismus anwächst!"
    Schon jetzt machten sich AFD und Pegida genau das zunutze.