Jens Dorendorf denkt gerne an das Jahr 2018 zurück. Damals gehörte er zu den glücklichen Gewinnern eines sogenannten "Bedingungslosen Grundeinkommens", das jedes Jahr von einem gemeinnützigen Verein in Berlin verlost wird – finanziert durch Crowdfunding. Der Sozialarbeiter bekam ein Jahr lang 1000 Euro im Monat ausgezahlt. Man könnte auch sagen: geschenkt. Dabei hatte der heute 33-Jährige zum damaligen Zeitpunkt eine Anstellung. Das Geld habe er darum dafür verwendet, Gutes zu tun, sagt er. Er spendierte seinem Jugendclub eine neue Musikanlage und betreute kostenlos das Kleinkind einer Bekannten.
"Ich konnte sozusagen gucken, wie ich das Geld nutzen konnte. Zum einen für mich, klar, jeder hat ja seine eigenen Wünsche, die er sich erfüllen möchte, aber ich konnte es andererseits auch weiterreichen. Und das war ein schönes Erlebnis zu sehen, wie frei man doch sein kann."
Frei und sorgenlos sein dank eines vom Staat ausgezahlten Bedingungslosen Grundeinkommens. Ohne Ansehen der Person, ohne Arbeitspflicht und ohne besonderen Nachweis der Bedürftigkeit. Seit Jahren schon geht diese radikale sozialpolitische Idee in Deutschland um – und nicht nur hier. Von Finnland bis Spanien wird über verschiedene Formen eines Grundeinkommens diskutiert.
In Deutschland brachte die Pandemie-Krise diesen Vorschlag wieder auf die Tagesordnung. In drei unterschiedlichen Petitionen an den Bundestag wird derzeit – mit Verweis auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie – die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens für alle gefordert – fast 800.000 Menschen haben diese Eingaben bereits unterschrieben. Der Bundestag will sich im Oktober damit beschäftigen. In der jüngsten Petition von Mitte März dieses Jahres heißt es:
"Dass aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Einkommensausfälle, kurzfristig und zeitlich begrenzt, aber solange wie notwendig, ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürgerinnen und Bürger eingeführt wird. Das Grundeinkommen muss existenzsichernd sein und die gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Vorstellbar ist ein Betrag von 1000 Euro pro Person."
Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung befürworten rund 50 Prozent der Deutschen ein Grundeinkommen. Die Zeit sei reif für eine ernsthafte Debatte über dieses Thema, fordern auch mehr als 20 Organisationen und 160 Persönlichkeiten aus Kultur, Politik, Kirchen und Zivilgesellschaft in einem Aufruf. Selbst der Papst fragte in einer österlichen Botschaft, ob "jetzt nicht die richtige Zeit sei, über ein universales Grundeinkommen nachzudenken".
Die Konzepte sind grundverschieden
Doch die Konzepte für ein Grundeinkommen sind so unterschiedlich wie die Schar seiner Unterstützer. Darunter sind Unternehmer wie der Chef der Deutschen Telekom, Tim Höttges, und der Gründer der Drogeriekette DM, Götz Werner. Auch die drei Parteivorsitzenden Robert Habeck von den Grünen, Katja Kipping von der Linken und Saskia Esken von der SPD haben sich zumindest als Sympathisanten eines Grundeinkommens zu erkennen gegeben haben.
Auch die Bezeichnungen unterscheiden sich: Mal ist es ein Bedingungsloses Grundeinkommen, bei dem der Staat allen Bürgern, also auch den Kindern, monatlich bis zu 1200 Euro zahlt. Mal heißt es "solidarisches Bürgergeld" oder bloß Grundeinkommen, das bestehende Transferleistungen wie Kindergeld, Bafög, Rente oder Wohngeld ersetzen soll – ein Modell, das eher bei liberalen und konservativen Vordenkern gehandelt wird, wie dem ehemaligen thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus von der CDU.
Michael Bohmeyer leitet den Verein "Mein Grundeinkommen", der dem Berliner Sozialarbeiter Jens Dorendorf ein Jahr lang ein Leben mit Bedingungslosem Grundeinkommen ermöglicht hat. Er ist einer von über 600 glücklichen Los-Gewinnern. Das Geld kam von 130.000 Groß- und Kleinspendern. Keiner der Bewerber wird gefragt, ob er oder sie die 1000 Euro im Monat wirklich braucht. Selbst Fabrikerben sollen schon darunter gewesen sein. Bohmeyer gehört zu den Verfechtern eines Grundeinkommens für alle, vom Kind bis zum Senior. Für ihn wäre das eine Art geldwerter Vertrauenszuschuss des Staates. Auf die Empfänger, so seine Erfahrung, wirke das befreiend:
"Man ist plötzlich auf die Eigenverantwortung zurückgeworfen. Und dann beginnt ein Gedankenprozess, der sehr spannend ist. Dann werden die Leute mutiger, dann werden sie kreativer, dann nehmen sie sich mehr Zeit für Freunde und Familie. Dann arbeiten sie aber trotzdem produktiver, weil es sich selbstbestimmter anfühlt. Weil sie jetzt suggeriert bekommen haben, ich kann ja auch gehen, ich habe jetzt wirklich die Freiheit Nein zu sagen. Und das sorgt für eine höhere Zufriedenheit und erstaunlicherweise auch für eine größere Gesundheit. Viele Leute sagen, dass sie besser schlafen, dass sie weniger Alltagsleiden haben. Wenn die Existenzangst weg ist, kann sich der Körper besser fühlen."
Der Aktivist gibt zu, dass sein Sozialexperiment nicht einfach auf die gesamte Gesellschaft übertragbar sei. Aber durch die Pandemie sieht er Bewegung in der Debatte um die Frage, wie man eine krisenfeste Grundsicherung aller Bürger erreicht. Der Staat zeige sich auf einmal flexibel und unkonventionell.
"Der Hartz-4-Antrag ist statt vieler Seiten nur noch fünf relativ überschaubare Seiten lang. Das war lange etwas, was undenkbar schien, und jetzt geht es plötzlich von heute auf morgen. Wir sehen in Bayern, dass dort angekündigt wurde, dass freischaffende Künstler drei Monate lang ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1000 Euro bekommen sollen. Ja, es stimmt, gerade in der Krise zeigt sich, dass der Staat für die Menschen etwas mehr als sonst da zu sein scheint. Deshalb liegt jetzt eine besondere Chance darin einmal auszuprobieren, wie es denn wäre, wenn wir nicht nur den Konzernen Milliardenhilfen geben, in der Hoffnung, dass es durch deren Strukturen durchsickert und in der Konjunktur landet. Oder geben wir das gleiche Geld einfach den Menschen bar in die Hand und vertrauen denen genauso wie wir anonymen Konzernen vertrauen, dass sie das gewinnbringend für die Gesellschaft einsetzen."
1000 Euro für alle als Antwort auf die Krise? Den Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge bringen solche Vorschläge in Rage. Er setzt sich seit Jahren kritisch mit den Argumenten der Grundeinkommen-Befürworter auseinander. Hätte man dieser Tage Corona-Hilfen pauschal an alle gezahlt, sei nur wenigen geholfen worden.
"Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen hätte man jetzt ja nicht zum Beispiel gezielt den Menschen geholfen, die in ihrer Existenz gefährdet sind. Also der Eck-Kneipier, der jetzt seine Gastwirtschaft schließen muss, dem helfen die 1000 Euro monatlich, die immer wieder genannt werden, ja relativ wenig. Dagegen gibt es viele Gruppen in der Gesellschaft, die diese 1000 Euro nicht brauchen. Und das ist meine Kritik am bedingungslosen Grundeinkommen, dass es so tut, dass alle Menschen nicht nur gleich wären, sondern auch die gleichen Bedarfe hätten. Und das ist nicht der Fall."
Ist das bezahlbar?
Wäre also ein solches wie auch immer geartetes Grundeinkommen für alle gerecht und vor allem bezahlbar? Daran scheiden sich die Geister. Bezahlte die Bundesregierung, wie in einer Petition gefordert, auch nur sechs Monate lang 1200 Euro an seine 80 Millionen Bürger, dann wäre das ein Betrag von 576 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt 2019 betrug 362 Milliarden Euro. In diesem Jahr der Krise allerdings gibt der Staat doppelt so viel für seine Bürger aus. Allein Kurzarbeitergeld, Soforthilfen, Mehrwertsteuersenkungen, Kaufprämien und die vielen anderen Rettungsmaßnahmen summieren sich bislang auf die gewaltige Summe von rund 280 Milliarden Euro. Für Kritiker des Bedingungslosen Grundeinkommens zeigt sich hier: Der Staat könne sich eine unterschiedslose Rundumabsicherung seiner Bürger höchstens für die Dauer von drei bis vier Monaten leisten, und das nur um den Preis einer riesigen Verschuldung. Eine dauerhafte pauschale Auszahlung von auch nur 800 Euro im Monat führe in den Staatsbankrott.
Katja Kipping, Co-Vorsitzende der Linken und Befürworterin eines Bedingungslosen Grundeinkommens, gibt zu, dass sich ein solches Vorhaben nicht einfach so aus dem Haushalt bezahlen lasse. Der Politikerin schwebt eine Finanzierung durch eine stärkere Umverteilung von oben nach unten vor. Und sie will Wohlhabenden den Zuschuss wieder abziehen.
"Erstens könnten wir einen Teil der bestehenden steuerfinanzierten Sozialleistungen wie Bafög, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II und die dahinterstehende kontrollierende Bürokratie zusammenfassen. Die zweite Finanzierungssäule, das ist eine ganz zentrale, ist eine 33-prozentige Grundeinkommensabgabe auf alle Netto-Einkommen. Alle bekämen erst einmal das Grundeinkommen, das heißt, niemand muss sich auf dem Amt nackig machen, um zu beweisen, dass er es braucht. Er bekommt es erst einmal. Aber dann schaut schon das Finanzamt drauf, dass derjenige, der mehr Einkommen hat, durch das Grundeinkommen nicht noch eine zusätzliche Förderung bekommt. Und eine dritte Finanzierungsquelle ist ein volkswirtschaftlicher Effekt: Wir wissen, wenn Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen mehr Einkommen haben, dass das vor allem in den Konsum fließt, also die Binnenkaufkraft ankurbelt. Und dann über Mehrwertsteuer und Umsatzsteuer für jeden Euro, den Arme und mittlere Haushalte bekommen, 33 Cent wieder zurückfließen in den Staatshaushalt."
Eine riskante Wette, meinen die Forscher des Ifo-Instituts. Die haben sich bereits im Jahr 2016 in einer Studie eingehend mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen beschäftigt und kommen zu dem Schluss, dass ein solches im Prinzip finanzierbar sei: über eine "negative Einkommenssteuer", das heißt über einen steuerlichen Freibetrag, der nur dann zur Auszahlung kommt, wenn kein Einkommen erzielt wird. Doch aber nur, wenn das Bedingungslose Grundeinkommen nicht wesentlich über den heute gültigen Sozialhilfebeträgen liege. Dann wäre ein solches Grundeinkommen nicht länger bedingungslos, denn es bekämen ja nur diejenigen, die es brauchten – nicht viel anders als es dem derzeit herrschenden Sozialstaatsprinzip entspricht.
Warum dann nicht das bestehende System verbessern, fragt Christoph Butterwegge? Ein Bedingungsloses Grundeinkommen würde an der sich vertiefenden Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland seiner Ansicht nach nicht viel ändern. Und die Vorstellung, ein jeder könne je nach Bedarf zum Grundeinkommen dazuverdienen, sei gefährlich.
"Dann hieße das natürlich auch, dass das Grundeinkommen eine Art Kombi-Lohn für alle wäre. Die Unternehmer müssten nur noch wenig Lohn zahlen, wegen der Unterstützung des Staates, der ja dafür sorgen würde, dass die Miete bezahlt werden kann, in manchen Regionen vielleicht auch noch ein Teil des Lebensunterhalts. Dann müsste der Unternehmer nur noch wenig oben drauflegen. Das heißt, der Niedriglohnsektor, der schon fast ein Viertel aller Beschäftigten umfasst, würde durch ein Grundeinkommen noch breiter werden. Ein Grund mehr für mich das Bedingungsloses Grundeinkommen abzulehnen."
Statt auf ein großgesellschaftliches Experiment mit ungewissem Ausgang zu setzen, solle lieber das bestehende System armutsfest gemacht werden, schlägt Butterwegge vor. Das Berliner Modellprojekt "Solidarisches Grundeinkommen" - eine weitere Variante des Begriffs Grundeinkommen – zeige in die richtige Richtung. Der rot-rot-grüne Senat bietet seit August vergangenen Jahres für fünf Jahre bis zu 1000 Arbeitslosen einen nach Tarif oder Mindestlohn bezahlten Job – als Alternative zu Hartz IV. Die Tätigkeiten sollen sich, wie es heißt, am Gemeinwohl orientieren: Hausmeistertätigkeiten in Kitas oder Schulen etwa. Ziel sei es, die Betroffenen später in eine dauerhafte Beschäftigung zu bringen. Die Annahme einer solchen Tätigkeit ist freiwillig. Bis Ende Mai konnten erst 336 Stellen besetzt werden. Die Sozialsenatorin Elke Breitenbach von den Linken ist dennoch zufrieden.
"Wenn sie sich angucken, was jetzt in der Pandemie passiert ist, dann werden sie feststellen, dass Menschen, die nicht ausreichend sozial abgesichert sind, auch nicht ausreichend vor Armut abgesichert sind. Und daraus müssen wir lernen. Und da ist tatsächlich das solidarische Grundeinkommen mit einem armutsfesten Mindestlohn oder auch einer Tarifbindung, ein Vorzeigeprojekt. Da müssen wir weiter dran arbeiten, dass Menschen abgesichert sind, dass Menschen von ihrer Arbeit gut leben können, und eben auch dauerhaft leben können."
Testlauf in Finnland
Auch in Finnland gab es zwischen Januar 2017 und Dezember 2018 ein Modellprojekt mit einer Art Grundeinkommen: 2.000 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Arbeitslose zwischen 25 und 58 Jahren erhielten zwei Jahre lang einen Betrag von monatlich 560 Euro steuerfrei. Zusätzlicher Verdienst wurde damit nicht verrechnet. Die Finnen wollten herausfinden, ob das Grundeinkommen einen positiven Beschäftigungseffekt hat. Würden die arbeitslosen Versuchspersonen mit Grundeinkommen also schneller in den regulären Arbeitsmarkt oder in die Selbstständigkeit zurückkehren, als diejenigen, die weiterhin das übliche Arbeitslosengeld bezogen?
Im Mai dieses Jahres legte die finnische Sozialversicherungsbehörde ihren Abschlussbericht zum Modellversuch vor. Fazit: Das Grundeinkommen hatte einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden der Empfänger, sie erlebten weniger psychischen Stress und waren zufriedener mit ihrem Leben. Sie empfanden ihre wirtschaftliche Situation auch als positiver. Einen Beschäftigungseffekt konnte die Behörde allerdings nicht feststellen. Ob jemand Grundeinkommen oder Arbeitslosengeld bekommt, scheine in dieser Hinsicht keine Rolle zu spielen.
Ob Absicherung durch staatlich finanzierte Arbeit, wie im Berliner Modell "solidarisches Grundeinkommen", oder ein Grundeinkommen als Anreiz zur Arbeitssuche wie in Finnland: den Verfechtern eines Bedingungslosen Grundeinkommens greifen beide Modelle zu kurz. Denn dahinter steht der herkömmliche Gedanke, dass der Mensch grundsätzlich durch Arbeit seinen gesamten Lebensunterhalt bestreiten soll.
Die Gerechtigkeitsvorstellung der Grundeinkommensanhänger ist dagegen nicht primär an Arbeit, sondern am Bedarf orientiert: Jeder soll bekommen, was er braucht. Ihnen geht es vornehmlich um eine zufriedene Gesellschaft, in der durch die finanzielle Absicherung Wohlbefinden und Verantwortung wachsen, was wiederum auch zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen würde. Die Linken-Politikerin Katja Kipping sagt:
"Dass es in dieser Gesellschaft manchmal ganz schnell passieren kann, dass man von heute auf morgen vor dem Nichts steht, kein Einkommen mehr hat und es deswegen gut wäre, wenn man in einer Gesellschaft lebt, wo alle sicher sein können, dass sie niemals ins Bodenlose fallen. Eine Gesellschaft, wo alle wissen, es gibt einen garantierten Grund, wo man immer zu stehen kommt und wo man sich nicht demütigen lassen muss, wo man sich nicht bei irgendjemandem beweisen muss."
Die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen ist, so belegt die stetig wachsende Zahl der Entwürfe, vom linken Utopieentwurf zu einem ernsthaft diskutierten Modell mutiert. Selbst der Berliner "Tagesspiegel", ansonsten linker Fantastereien unverdächtig, fordert den Bundestag auf, sich einer Debatte über ein Grundeinkommen nicht länger grundsätzlich zu verschließen.
"Wo so viel geändert wird, wo so viel plötzlich möglich ist, wo Milliarden hin und her geschoben werden, da sollte doch wenigstens eine Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen drin sein. Die kostet ja noch nichts. Was ist falsch an dem Gedanken, eine staatliche Leistung für alle Bürger zu garantieren, die Ernährung, Bildung und – Achtung! – Gesundheit sichert? Unabhängig davon, ob der Empfänger arbeitet oder Vermögen hat."
Der Verein "Mein Grundeinkommen" will die Erfahrungen der mittlerweile über 600 Empfängern von Grundeinkommen demnächst in einer wissenschaftlichen Studie auswerten lassen. Michael Bohmeyer kann sich dieser Tage vor Medienanfragen kaum retten. Er glaubt, dass sich gerade in dieser Krise immer mehr Menschen die Frage stellten, wie wir als Gesellschaft in Zukunft leben wollten. In diesem Zusammenhang sei ihr zivilgesellschftliches Experiment zu verstehen.
"Es ist eine erste Annäherung, ein erster Versuch, diese ideologische, diese sehr glaubensbasierte Debatte zu unterfüttern. Dass wir uns angucken, was passiert denn eigentlich in der Praxis. Und natürlich ist unser Versuch unzulänglich. Er geht nur für ein Jahr, es ist nur eine Person. Man hat also keine kollektive Wirkung. Wir testen kein Finanzierungsmodell, unser Modell skaliert für ganz Deutschland. Das wäre ja so nicht finanzierbar. Deshalb ist es nur eine begrenzte Erfahrung, aber es ist der erste Schritt auf einer Reise zur Erkenntnis."
Wichtige Erkenntnisse hat auch Jens Dorendorf gewonnen, der Sozialarbeiter aus Berlin, der ein Jahr lang in den Genuss eines Bedingungslosen Grundeinkommens gekommen war. Erkenntnisse, die sein Leben geprägt hätten: "Festzustellen, dass nur weil man existiert, es schon ein Grund ist eine Existenzsicherung zu bekommen."
Die Diskussion ist im Gange. Ob es aber in absehbarer Zeit eine politische Mehrheit für ein wie auch immer gestaltetes Bedingungsloses Grundeinkommen geben wird, ist fraglich. Zwar gibt es Gegner wie Befürworter eines Grundeinkommens in allen Parteien, ebenso wie in Medien, Kirchen, den Gewerkschaften und der Wissenschaft. Doch die zahlreichen Konzepte und Erwartungen weichen zu stark voneinander ab. Und es fehlt an verlässlichen Erfahrungen mit einem Grundeinkommen. Vor einem Sozialstaatsumbau von solcher Tragweite würde darum derzeit wohl noch jeder politisch Verantwortliche zurückschrecken.