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Soziologe Armin Nassehi
"Die Maske ist eine Zivilisierungsübung"

Die Maske sorge für Distanz und ermögliche darüber Nähe, sagte der Soziologe Armin Nassehi im Dlf. Damit symbolisiere sie im Grunde alltägliches Verhalten im Zusammenleben großer Gruppen. Denn Distanz halten zu können, sei da essenziell, um Konflikte zu vermeiden.

Armin Nassehi im Gespräch mit Michael Köhler |
"Masken Weg!" steht auf dem "Mundschutz" eines Teilnehmers einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen.
Ob man die Maske trage oder nicht, sei inzwischen auch ein stark politisiertes Thema, sagte der Soziologe Armin Nassehi (dpa/Michael Kappeler)
Die Mund-Nasen-Masken, die die Corona-Pandemie bremsen sollen, könne man auch als Sinnbild für unser ganz normales urbanes Alltagsverhalten deuten, sagte der Soziologe Armin Nassehi im Deutschlandfunk. Distanz wahren zu können, sei schließlich zwingend notwendig, um konfliktfrei mit vielen Menschen auf engem Raum leben zu können. Man mische sich ja beispielsweise in der U-Bahn nicht einfach in Gespräche ein. Dadurch zeichne sich schließlich auch Zivilisierung aus: "Man sagt nicht alles ungefiltert, was einem durch den Kopf geht". Man schätze also immer ab, ob man für andere eine Zumutung sein könnte. Und da sei die Parallele zur Maske, denn man gehe mit anderen in Kontakt, ohne dabei eine Gefährdung, eine Zumutung zu sein. "Die Maske ist in der Tat eine Zivilisierungsübung".
Porträt von Armin Nassehi.
Armin Nassehi, Soziologe an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München (Picture Alliance / Ulrich Baumgarten)
Es gebe eine Art Dialektik der Distanz, ein widersprüchliches Verhältnis. Die Maske sei ja schließlich auch ein "Nähe-Medium". "Ich muss mich verhüllen, damit ich mich zeigen kann", sagte Nassehi. Dazu käme eine weitere Dialektik, denn man schütze ja vorwiegend nicht sich selbst, sondern den anderen und umgekehrt.
"Wer protestieren will, wird keine Maske tragen"
Gleichzeitig seien Masken inzwischen stark politisiert. "Man kann die Maske eigentlich kaum mehr dafür tragen, wofür sie da ist, nämlich für den Infektionsschutz". Wer die Maske trägt, zeige dadurch sein Bewusstsein für die Krise. Sie werde dadurch zu einem Symbol für richtiges Verhalten und für Anpassung, "wer protestieren will, wird keine Maske tragen und wird eine Form von Kontext produzieren, in dem das Tragen der Maske dann mit Peinlichkeit in Verbindung gebracht wird." Das zeige auch, wie stark sich Normalität verschieben lasse: Am Anfang seien Masken schließlich ungewöhnlich gewesen, inzwischen sei es abweichendes Verhalten, keine Maske zu tragen.
Kommunikation sei durch die Masken in jedem Fall aufwendiger geworden, denn viele nonverbale Kommunikationsformen seien nun nicht mehr möglich. Das reiche von Gesichtszügen, die unter Masken nicht gut erkennbar sind, bis hin zu räumlicher Nähe und Berührungen. Wir seien aber dazu in der Lage, diesen Verlust zu kompensieren: "Wir finden aber Formen, die tatsächlich jetzt nicht unbedingt sozial so arm sind, dass wir nicht der Lage sind, uns auszudrücken. Aber in der Tat, es ist anstrengender, weil wir tatsächlich jetzt uns womöglich sogar Gedanken machen müssen über das, was vorher gedankenlos geradezu automatisch funktioniert hat."
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