Weltall ohne Regeln
Der Wirtschaft sind im Weltraum kaum Grenzen gesetzt

2024 war ein Rekordjahr für die Raumfahrt. Noch nie schossen Staaten und Unternehmen mehr Raketen ins All und beförderten so viele Satelliten in die Erdumlaufbahn. Die wirtschaftliche Bedeutung des Alls wächst, doch es gibt kaum Regulierung.

    Eine SpaceX-Rakete vor dem Mond. Sie bringt Satelliten in die Erdumlaufbahn.
    Eine SpaceX-Rakete transportiert Satelliten zur Erdumlaufbahn. (IMAGO / UPI Photo / IMAGO / JOE MARINO)
    Rund 13.000 Satelliten kreisen mittlerweile um die Erde. Der weltweite Umsatz der privaten Weltraumwirtschaft ist laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft zwischen 2013 und 2023 um 23 Prozent auf 285 Milliarden Dollar gestiegen. Hinzu kommen weitere 114 Milliarden in der staatlichen und der kommerziellen bemannten Raumfahrt. Davon entfällt nur ein sehr kleiner Teil auf Weltraumtourismus. In der deutschen Raumfahrtindustrie lagen die Umsätze 2023 bei rund drei Milliarden Euro und es gab dort rund 10.000 Arbeitsplätze.
    Neue ökonomische Möglichkeiten im Weltall ergeben sich durch den technologischen Fortschritt und die großen Freiheiten für private Unternehmen im All. Dazu kommt die steigende Nachfrage nach Satelliten und Trägerraketen, die sie ins All bringen sowie den wachsenden Bedarf an Technologie auf der Erde zur Nutzung der Datenströme, die via Satellit übertragen werden.

    Inhalt

    Wer sind die wirtschaftlichen Akteure der Weltraumökonomie?

    Seit ihren Anfängen war die Raumfahrt eine Angelegenheit von Staaten. Noch heute dominieren sie die bemannte Raumfahrt in die Erdumlaufbahn oder zum Mond. Diese dient vor allem wissenschaftlichen Zwecken. An der Entwicklung und der Fertigung von Satelliten, Raketen und anderem Gerät für den Weltraum waren in den USA oder Europa von Beginn an private Firmen beteiligt. Doch die Staaten führten die Regie, sie traten sozusagen als Generalunternehmer auf.
    Das hat sich zumindest in den USA geändert. Vor allem das Raumfahrtunternehmen SpaceX von Eigentümer Elon Musk agiert dort selbst als Generalunternehmer. Und private Unternehmen betreiben mittlerweile auch selbst bemannte Raumfahrt. Gleichzeitig sind mehr Staaten als früher im Weltraum aktiv: 2022 unterhielten mehr als 70 Staaten Raumfahrtbehörden. Neben den lange tätigen und führenden Nationen USA, Russland, China und der EU sind mittlerweile auch Indien, der Iran oder Süd- und Nordkorea aktiv.

    Was treibt das Wachstum in der Raumfahrt voran?

    Das größten Wachstumsfelder sind der Bau, Betrieb und Transport von Satelliten ins All sowie die mit dem Datentransport verbundenen Geräte auf der Erde. Erdbeobachtungssatelliten stellen ein großes Geschäftsfeld dar. Man nutzt sie unter anderem für die Klimaforschung, für die Landwirtschaft oder beim Krisenmanagement nach Naturkatastrophen wie Erdbeben.
    Außerdem werden Satelliten für alltägliche Anwendungen benötigt, wie zum Beispiel Telefonieren, Fernsehen, Navigieren und vor allem zur Übertragung von Internetdaten. Hinzu kommen militärische Zwecke, angesichts der Zunahme der geoökonomischen Spannungen ist das ebenfalls ein wachsendes Geschäftsfeld. Vor allem Satelliten sind gewöhnlich sowohl militärisch als auch zivil nutzbar. Fachleute sprechen von „Dual-Use-Gütern“.
    Militärisch nutzen Staaten Satelliten vor allem für Aufklärung, Überwachung, Frühwarnsysteme oder die Navigation von Raketen. Weil Satelliten selbst und deren Transport durch den technologischen Fortschritt deutlich günstiger geworden sind, schicken Unternehmen und Staaten immer mehr ins Weltall, vor allem für den Ausbau des Internets.
    Deswegen sinken auch die Preise für den Transport von hohen Datenvolumen. Daher rechnet es sich für immer mehr Unternehmen auf der Erde, häufiger Prozesse über Satelliten zu steuern und zu kontrollieren. So überwachen Bahn- oder Stromunternehmen ihre Netze mithilfe von Satellitenbildern. Damit beobachten sie beispielsweise den Bewuchs an Bahn- oder Stromtrassen.

    Welcher rechtliche Rahmen gilt im Weltraum?

    1957/58 brachten die USA und die Sowjetunion erste Satelliten ins All. Zehn Jahre später gab es für den Weltraum bereits einen völkerrechtlichen Vertrag, gewissermaßen die Verfassung, welche die menschlichen Aktivitäten im All regelt. So dürfen Staaten keine Hoheitsrechte an Teilen des Weltraums oder von Himmelskörpern beanspruchen, was aber mittlerweile wieder in Frage gestellt wird. Private Unternehmen sind wenig beschränkt.
    Mehr Regulierung, vor allem mit Blick auf Umweltaspekte, hält Stephan Hobe für notwendig, Direktor des Instituts für Weltraumrecht an der Universität zu Köln. Wer den Weltraum nutze, verbrauche Natur und sollte dafür zahlen. Die Mittel könnten in einen internationalen Fonds fließen und damit die Säuberung der Erdumlaufbahn von Weltraumschrott finanzieren. Aber für das Weltraumrecht gilt bei den Vereinten Nationen das Konsensprinzip, beispielsweise im Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums. Änderungen des Rechts scheiterten bislang vor allem an den USA, Russland und China.

    Was sind die aktuellen Entwicklungen in der Weltraumwirtschaft?

    258 erfolgreiche Raketenstarts gab es 2024, mehr als jeden zweiten in den USA und mehr als jeden vierten in China. Die Zahlen stammen aus dem anerkannten alljährlichen Report des Harvard-Astrophysikers Jonathan McDowell. Alle Raketen zusammen beförderten mehr als 2.000 neue Satelliten in den Weltraum. In Deutschland sind in den vergangenen Jahren eine Reihe neuer Unternehmen entstanden, die mit Weltraumaktivitäten Geschäfte machen wollen.
    Dank des technologischen Fortschrittes können mittlerweile auch kleinere Geräte gebaut werden. Einige deutsche Firmen entwickeln beispielsweise kleinere Trägerraketen, die aber noch in der Testphase sind, andere bauen kleinere Typen von Satelliten. Aufgrund der geoökonomischen Spannungen gibt es auch Bestrebungen, Raketenstarts künftig in Europa durchzuführen. Bislang erfolgen sie im südamerikanischen Französisch-Guyana oder den Vereinigten Staaten.

    Was bedeutet die riesige Menge an Satelliten im Weltraum?

    Im Weltraum kreisen mehr als 13.000 Satelliten um die Erde. Es dürften noch viel mehr werden, denn staatliche Unternehmen aus China wollen tausende Satelliten in den Weltraum befördern, ebenso der US-Konzern Amazon. Gar 42.000 Satelliten will SpaceX künftig betreiben.
    Manche ausgefallenen Satelliten können wieder ans Laufen gebracht werden, indem man sie mit neuer Energie versorgt. Das ist ebenso ein Geschäftsfeld wie die Entsorgung von Satelliten. Voraussetzung für größere Umsätze wäre aber, dass Staaten oder Unternehmen die Kosten für die Beseitigung des Schrotts übernehmen. Zwar haften Staaten prinzipiell für Schäden, die durch ihre Weltraumobjekte verursacht werden. Aber in der Praxis scheitert die Entsorgung beispielsweise oft daran, dass sich viele Trümmerteile keinem Staat zuordnen lassen.

    Welche Schäden richtet der Weltraumschrott an?

    Nicht mehr funktionstüchtige Satelliten sind Teil des Schrotts auf der Umlaufbahn der Erde, genauso wie Überbleibsel von Raketenstarts oder Kollisionen oder Gegenstände, die Astronauten bei Weltraumspaziergängen verloren haben, wie Handschuhe oder Kameras.
    Mehr als 35.000 Objekte mit einer Größe von mehr als zehn Zentimetern kreisen nach Schätzungen der Europäischen Raumfahrtagentur um die Erde. Schon kleinste Teile ab einem Millimeter Größe können schwere Schäden anrichten und größere Teile ganze Satelliten zerstören.

    Wie beeinflusst die Weltpolitik die Aktivitäten im Weltraum?

    Staaten arbeiten im Weltraum mit Blick auf die Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse zusammen, über ideologische Grenzen hinweg. Das Symbol dafür ist die Internationale Raumfahrtstation ISS, aber diese kommt langsam an ihr Lebensende. Für die Zeit danach planen die USA mit kommerziellen Raumstationen. Russland dürfte eng mit China zusammenarbeiten oder eine eigene Raumstation ins All bringen.
    Für europäische Raumfahrtunternehmen ist es schwieriger geworden, Geschäfte mit Russland oder China zu tätigen. Noch viel schwieriger würde es, wenn sie auch noch den Markt in den USA verlören. Schließlich investiert die US-Raumfahragentur NASA deutlich mehr Geld als die Europäischen Raumfahrtagentur ESA.

    Caspar Dohmen