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Späte Sühne für die Opfer aus Ex-Jugoslawien

Vor fast genau 18 Jahren begann das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag mit seiner mühseligen Arbeit, die Verbrechen im ehemaligen Jugoslawien aufzuarbeiten. Heute nun fällt das Urteil gegen den kroatischen Ex-General Ante Gotovina: Zusammen mit zwei weiteren Männern soll er 1995 eine Schlüsselrolle bei der sogenannten Operation Sturm gespielt haben: Damals vertrieb die kroatische Armee rund 90.000 Serben aus der Region Krajina. Das Tribunal setzt zum Endspurt an. 2014 soll es die Akten schließen.

Von Kerstin Scheighöfer |
    Auch die niederländischen Medien haben regelmäßig über den Prozess gegen den ehemaligen kroatischen General Ante Gotovina berichtet - zählte er doch zu den meistgesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrechern der Jugoslawienkriege. 2005 war Gotovina auf der Kanareninsel Teneriffa verhaftet worden. Während der so genanten Operation Sturm 1995, als die Kroaten 90.000 Serben aus der Region Krajina vertrieben, soll sich Gotovina der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Verstöße gegen das Kriegsrecht schuldig gemacht haben. Die Anklagebehörde in Den Haag hat in ihrem Schlussplädoyer 27 Jahre Haft gefordert, sagt Frederick Swinnen, Sprecher und Berater von Chefankläger Serge Brammertz:

    "Der Prozess gegen Gotovina ist eines von insgesamt acht Verfahren, die derzeit noch laufen, zwei weitere dieser acht stehen ebenfalls kurz vor der Urteilsverkündung."

    In diesen acht Verfahren geht es um insgesamt 36 Angeklagte; sie kommen aus allen Teilen des auseinandergebrochenen Jugoslawiens. Prominentester Angeklagter ist zweifellos Radovan Karadzic. Zwölf Jahre lang wurde er gesucht; am 31. Juli 2008 erschien er dann erstmals vor den Richtern:

    " - Good morning. This is case ...
    - Mister Karadzic ... full name and date of birth? ... "
    Insgesamt hat das Tribunal seit seiner Gründung 1993 bereits 125 Angeklagten den Prozess gemacht. Nur noch zwei mutmaßliche Kriegsverbrecher sind immer noch auf freiem Fuß: der serbisch-kroatische Politiker Goran Hadzic und General Ratko Mladic, der 1995 zusammen mit Karadzic wegen Völkermordes in Srebrenica angeklagt wurde. Im letzten Jahr noch hatte Chefankläger Brammertz der serbischen Regierung vorgeworfen, nicht genug zur Verhaftung von Mladic und Hadzic zu tun; aber trotz dieser Kritik beschloss Brüssel, das EU-Beitrittsverfahren von Serbien weiter voranzutreiben. Und das, obwohl das Jugoslawientribunal unter gr0ßem Zeitdruck steht: Schon 2014 soll es schließen. Dann müssen alle laufenden Verfahren abgeschlossen sein, erklärt Swinnen:

    "Das jedenfalls ist der Wunsch des UNO-Sicherheitsrates. Ob wir das schaffen, ist schwer einzuschätzen, in den weitaus meisten Fällen verläuft alles planmäßig. Aber der Prozess gegen Karadzic braucht mehr Zeit. Derzeit präsentiert die Anklage ihre Beweise, dazu benötigt sie noch ein paar Monate. Dann ist die Verteidigung am Zuge. Zu einem Urteil in erster Instanz wird es vor 2013 nicht kommen, und es ist nicht auszuschließen, dass Karadzic oder die Anklagebehörde dann in Berufung gehen."

    Das Verfahren gegen Karadzic ist nicht nur äußerst komplex, es zögert sich auch immer wieder hinaus, da der Angeklagte darauf besteht, sein eigener Verteidiger zu sein. Anfangs machte Karadzic den Richtern auch das Leben schwer, indem er einfach nicht zu seinem Prozess erschien.

    Dennoch soll das Tribunal in seiner jetzigen Form ab 2014 durch einen so genannten "residual mechanisme" ersetzt werden. Diese Restbehörde wird sich um die Archive kümmern, um den Zeugenschutz und um die Verurteilten, die ihre Haftstrafen in den Gefängnissen der verschiedensten Länder aussitzen.

    Außerdem kann diese Restbehörde Richter, Ermittler und Verteidiger anstellen, um ein Ad-hoc-Tribunal ins Leben rufen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die beiden letzten Angeklagten Hadzic und Mladic einer Verurteilung entkommen. Denn soweit, betont Chefankläger Brammertz, darf es niemals kommen:

    "Denn es muss ganz klar sein, dass wann auch immer und wo auch immer die verbleibenden Flüchtlinge festgenommen werden, in zwei Jahren, in fünf Jahren, in zehn Jahren, es muss ganz klar sein, dass da eine internationale Strafverfolgung stattfinden wird und dass es nicht heißen kann: Wir sitzen jetzt die zwei Jahre noch aus, und dann kann uns nichts mehr passieren."