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Späte Wiederentdeckung eines Malers

Die Ausstellung in der Galerie Nolan Judin zeigt rund 60 Zeichnungen, die Eugen Schönebeck in den 1950er und -60er Jahren schuf. Im dazugehörigen Katalog äußert sich der Künstler selber nach vielen Jahren wieder öffentlich über seine Kunst.

Von Carsten Probst |
    "Die Zeichnungen errichten eine Gegenwelt. Gezeichnet von einem, der auf sich selbst zurückgeworfen wird, weil er mit der Außenwelt nicht kommunizieren kann oder nicht will."

    So sagt es Eugen Schönebeck über sich selbst, in einem Gespräch mit der Kuratorin Pamela Kort aus dem Sommer letzten Jahres. Wer will, kann aus diesen Gesprächen vieles über das Selbstverständnis des Malers und Zeichners herauslesen, der sich jahrzehntelang fast nie öffentlich zu seinem Werk geäußert hat. Schon wegen des Kataloges mit diesem ungewöhnlich ausführlichen Interview ist die Ausstellung in der der Berliner Galerie Nolan Judin ein verdienstvolles Projekt dieses Winters. Die amerikanische Kuratorin Pamela Kort hat im Frühjahr 2011 bereits die große Ausstellung mit der Malerei Eugen Schönebecks in der Frankfurter Schirn eingerichtet. Der Versuch, diese Ausstellung weiterwandern zu lassen nach Berlin, wo Schönebeck lebt und wo sein Werk größtenteils entstanden ist, scheiterte. Die Berlinische Galerie, die einige Zeichnungen von Schönebeck besitzt, sagte ab. So sprang wieder einmal - typisch für Berlin - eine private Institution für eine öffentliche in die Bresche, zumindest bei den Zeichnungen.

    Die Ausstellung bei Nolan Judin ist im Vergleich zur Gesamtzahl von Schönebecks Arbeiten auf Papier eher klein, umfasst rund sechzig Zeichnungen für einen Zeitraum von gut zehn Jahren, zwischen 1957 und 1966, angefangen bei frühen tachistischen Versuchen aus der Zeit als Schönebeck aus Ost- nach Westberlin übergesiedelt war und an der dortigen Hochschule der Bildenden Künste bei Albert Klatt und Hans Jaenisch studierte, bis hin zu den stark figurativen Zeichnungen Mitte der sechziger Jahre, ehe Schönebeck aufhörte, als Künstler zu produzieren. Zeichnungen aus Schönebecks Studienzeit in der DDR oder aus seiner Dresdner Jugendzeit enthält die Ausstellung nicht, sie zeichnet Schönebecks Weg auch nicht mit akademischer Akkuratesse nach. Erstaunlich und höchst aufschlussreich für die deutsche Kunstgeschichte seit der Nachkriegszeit sind die inneren und äußeren Wechsel in Schönebecks Werk allemal. Aus dem figurzentrierten, orthodoxen Studium der DDR kommend bekennt Schönebeck in seinem Interview, dass er die sozialistischen Lehrsätze über die "Dekadenz des Westens" während seiner ersten Westberliner Jahre nie ganz ablegen konnte, während er sich in seinen Zeichnungen den Einflüssen des französischen und deutschen Informel der fünfziger Jahre näherte. Deutlich wird, dass er sich im Verlauf seiner Entwicklung bemühte, die in den fünfziger Jahren so dogmatisch umkämpfte Unterscheidung von Abstraktion und Figuration aufzulösen und beide einander anzunähern. Das Bild versehrter, verkrüppelter, verunstalteter Körper bot eine Möglichkeit, zugleich Anklage über die Gräuel des Zweiten Weltkriegs zu erheben.

    Kein Wort fällt nach wie vor über die Entzweiung der Künstlerfreundschaft mit Georg Baselitz, den er an der Westberliner Hochschule kennengelernt und mit dem er das "Erste und Zweite Pandämonische Manifest" verfasst hat, das sich gegen die Heiligsprechung der Abstraktion im Westen wendet. Beide Künstler halten sich seit ihrer Trennung an ihr gegenseitiges Gebot, nicht darüber zu reden. Schönebecks Zeichnungen aber verdeutlichen einen eigenen, scheinbar auch moralisch und politisch intendierten Weg der Kunst und verdeutlichen indirekt dadurch zugleich den Weg Baselitz': Die Abstraktion habe einen damals auf sich selbst zurückgeworfen, bekennt Schönebeck, und das habe sich so bei ihm ausgewirkt, dass Schabernack dabei herausgekommen sei. Seine versehrten, verkrüppelten Figuren als Schabernack, der das Ergebnis der Abstraktion ist, wirken so wie eine Enthüllung der Funktionen, die die Kunst nach dem Krieg haben sollte: Als gnädige Bemäntelung des Grauens. Und während Schönebeck sich seit 1967 standhaft und vermutlich auch aus Selbstzweifeln weigerte, dabei mitzutun, machte sein alter Kompagnon Baselitz weiter. Sehr erfolgreich sogar. Mit allen moralischen Vor- und Nachteilen, die das aus Schönebecks Sicht bedeuten muss.