Szenen aus dem Islamkundeunterricht an einer Grundschule. Was bisher "Islamkunde" hieß und als Modellversuch an ausgewählten Schulen praktiziert wurde, heißt künftig "Islamischer Religionsunterricht" und wird nun schrittweise als reguläres Fach an Nordrhein-Westfalens Grundschulen eingeführt. Rechtzeitig zum Schulbeginn hat ein deutscher Verlag nach eigenen Angaben das "erste bekenntnisorientierte Schulbuch für den Islamischen Religionsunterricht" herausgebracht.
"Dem würde ich offen gestanden widersprechen. Wir haben mittlerweile durchaus eine Reihe von Lehrwerken, die gleichfalls aus der Binnenperspektive der Religion, also des Islams, berichten – also insofern macht der Verlag hier ein wenig Werbung in eigener Sache."
"Miteinander auf dem Weg" – so der Titel – hebe sich nicht durch die bekenntnisorientierten Inhalte von den beiden bisherigen Islambüchern für die Grundschule ab, sagt der Islamwissenschaftler Michael Kiefer. "Mein Islambuch" oder "Die schöne Quelle" – bisher im Islamkundeunterricht der Grundschule verwendet – hätten ebenso bekenntnisorientierte Elemente, also Normen und Werte vermittelnde Inhalte. Neu hingegen sei, dass das Buch mit aufwendigen Illustrationen ausgestattet ist.
"Das ist natürlich bei einem Lehrwerk der ersten und zweiten Klasse besonders wichtig, denn man darf natürlich nicht vergessen, dass insbesondere Schüler der ersten Klasse noch nicht lesen können – also insofern kommt dem Bildmaterial eine besondere Bedeutung zu."
Freundlich, bunt und mit viel Liebe gezeichnet, führen die Protagonisten Sarah und Bilal die Erst- und Zweitklässler durch einen Alltag, der die Lebenswirklichkeit der Schüler möglichst widerspiegeln soll:
"Gut gefallen hat mir insbesondere der interreligiöse Teil, weil den Kindern hier fundierte Informationen zum Judentum und zum Christentum vermittelt werden. Was mir nicht so gut gefallen hat, ist, dass die Akteure Sarah und Bilal als Migrantenkinder dargestellt werden, deren Eltern nach Deutschland zugewandert sind. Ich hätte mir hier gewünscht, dass der Islam nicht so sehr unter der Perspektive der Ausländerreligion dargestellt wird. Denn wir dürfen ja nicht vergessen, wir haben im letzten Jahr 50 Jahre Anwerberabkommen mit der Türkei gefeiert, das heißt wir sind in der vierten Generation der hier lebenden Muslime."
Sarahs Eltern kommen aus Saudi-Arabien, Bilals Eltern sind aus der Türkei zugewandert, lernen die Schüler am Anfang des Buches. Doch welche religiösen Werte und Normen leben diese beiden Akteure vor? Sind es die eher traditionellen Lesearten des Korans oder finden sich auch moderne Elemente einer aufgeklärten, liberalen Islamischen Theologie? Dazu Mouhanad Khorchide, Herausgeber und Autor des Buches:
"Unsere Intention war es, ein Islambuch zu machen, das von allen getragen wird. Die islamische Community hat auch ihre Erwartungen, einen gewissen traditionellen Islam hier zu bewahren, die islamische Identität zu bewahren. Und das sind die Herausforderungen, wo wir versucht haben, immer die Mitte zu treffen."
Mit sechs weiteren Autoren, teils von den vier größten islamischen Verbänden, hat Mouhanad Khorchide versucht, den Erwartungen der Wissenschaft, der Islamverbände sowie der Eltern und Schüler gerecht zu werden. In diesem Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Moderne, zwischen Staat und Religion waren offenbar Kompromisse nötig.
"Thema Kopftuch. Als wir so ein Bild hatten im Schulbuch, mit einer Lehrerin in der Klasse: Da erwartet dann die muslimische Community, dass sie ein Kopftuch trägt. Eine Lehrerin mit Kopftuch aber wird seitens der Politik nicht zugelassen. Wie geht man damit um? Wir haben das erst einmal pragmatisch so gelöst, dass wir in den Zeichnungen einen männlichen Lehrer dargestellt haben."
Zuhause tragen Sarahs und Bilals Mutter keine Kopfbedeckung – wie es in muslimischen Familien auch tatsächlich üblich ist. Und im öffentlichen Leben? Da werden Musliminnen mit und ohne Kopfbedeckung dargestellt, was einerseits der Lebenswirklichkeit der Schüler entspricht, andererseits aber auch zeigt, dass es innerhalb der muslimischen Community unterschiedliche Auffassungen zum Kopftuch gibt.
Kritik hinsichtlich der Kompromisse aber gibt es auch noch an ganz anderer Stelle: Im Buch ist im islamischen Kontext stets von "Allah" die Rede, was auf Deutsch schlicht "Gott" heißt. Ist also "Allah" der Gott der Muslime und "Gott" der andere, der fremde Gott der Christen, fragen Kritiker wie die islamische Religionspädagogin und Publizistin Lamya Kaddor:
"Ich denke, wenn man als Religionspädagoge, als Herausgeber so ein Buch verantwortet, finde ich, kann man da keine Kompromisse machen. Er steht doch in der Verantwortung für Menschen, die in den nächsten Generationen durch Islamunterricht geprägt werden. Und wenn das soweit führt, dass Schüler denken, Allah und Gott sind nicht dieselben und nur unser Gott heißt Allah und der Gott der Anderen heiß irgendwie Gott. Ich könnte das nicht verantworten. Das wäre für mich eine Sache, die wäre unverhandelbar."
Mouhanad Khorchide, der das Münsteraner Zentrum für Islamische Theologie leitet, wird auch künftig den Spagat zwischen unterschiedlichen Auffassungen innerhalb des Islams meistern müssen, aber auch zwischen Gesetz und Religion. Das Buch lehrt etwa, dass Muslime an jedem Ort zu Gott beten können – aus religiöser Sicht. Laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem vergangenen Jahr gilt das aber zumindest für öffentliche Schulen nicht uneingeschränkt. Weitere sensible Themenfelder, wo Religion auf Wirklichkeit trifft, sind die Schächtung von Tieren oder aber die Beschneidung von Jungen.
"Miteinander auf dem Weg" für die erste und zweite Klasse ist der Auftakt einer ganzen Reihe, die muslimische Schüler künftig bis zur letzten Klasse des Gymnasiums begleiten soll. Bis die Bücher aber wirklich in die Schultaschen der Schüler kommen, wird es noch etwas dauern. Noch ist der Lehrplan für das neue Fach nicht verabschiedet. Erst danach kann der Titel "Miteinander auf dem Weg" durch den muslimischen Beirat und das nordrhein-westfälische Kultusministerium als Schulbuch genehmigt werden.
"Dem würde ich offen gestanden widersprechen. Wir haben mittlerweile durchaus eine Reihe von Lehrwerken, die gleichfalls aus der Binnenperspektive der Religion, also des Islams, berichten – also insofern macht der Verlag hier ein wenig Werbung in eigener Sache."
"Miteinander auf dem Weg" – so der Titel – hebe sich nicht durch die bekenntnisorientierten Inhalte von den beiden bisherigen Islambüchern für die Grundschule ab, sagt der Islamwissenschaftler Michael Kiefer. "Mein Islambuch" oder "Die schöne Quelle" – bisher im Islamkundeunterricht der Grundschule verwendet – hätten ebenso bekenntnisorientierte Elemente, also Normen und Werte vermittelnde Inhalte. Neu hingegen sei, dass das Buch mit aufwendigen Illustrationen ausgestattet ist.
"Das ist natürlich bei einem Lehrwerk der ersten und zweiten Klasse besonders wichtig, denn man darf natürlich nicht vergessen, dass insbesondere Schüler der ersten Klasse noch nicht lesen können – also insofern kommt dem Bildmaterial eine besondere Bedeutung zu."
Freundlich, bunt und mit viel Liebe gezeichnet, führen die Protagonisten Sarah und Bilal die Erst- und Zweitklässler durch einen Alltag, der die Lebenswirklichkeit der Schüler möglichst widerspiegeln soll:
"Gut gefallen hat mir insbesondere der interreligiöse Teil, weil den Kindern hier fundierte Informationen zum Judentum und zum Christentum vermittelt werden. Was mir nicht so gut gefallen hat, ist, dass die Akteure Sarah und Bilal als Migrantenkinder dargestellt werden, deren Eltern nach Deutschland zugewandert sind. Ich hätte mir hier gewünscht, dass der Islam nicht so sehr unter der Perspektive der Ausländerreligion dargestellt wird. Denn wir dürfen ja nicht vergessen, wir haben im letzten Jahr 50 Jahre Anwerberabkommen mit der Türkei gefeiert, das heißt wir sind in der vierten Generation der hier lebenden Muslime."
Sarahs Eltern kommen aus Saudi-Arabien, Bilals Eltern sind aus der Türkei zugewandert, lernen die Schüler am Anfang des Buches. Doch welche religiösen Werte und Normen leben diese beiden Akteure vor? Sind es die eher traditionellen Lesearten des Korans oder finden sich auch moderne Elemente einer aufgeklärten, liberalen Islamischen Theologie? Dazu Mouhanad Khorchide, Herausgeber und Autor des Buches:
"Unsere Intention war es, ein Islambuch zu machen, das von allen getragen wird. Die islamische Community hat auch ihre Erwartungen, einen gewissen traditionellen Islam hier zu bewahren, die islamische Identität zu bewahren. Und das sind die Herausforderungen, wo wir versucht haben, immer die Mitte zu treffen."
Mit sechs weiteren Autoren, teils von den vier größten islamischen Verbänden, hat Mouhanad Khorchide versucht, den Erwartungen der Wissenschaft, der Islamverbände sowie der Eltern und Schüler gerecht zu werden. In diesem Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Moderne, zwischen Staat und Religion waren offenbar Kompromisse nötig.
"Thema Kopftuch. Als wir so ein Bild hatten im Schulbuch, mit einer Lehrerin in der Klasse: Da erwartet dann die muslimische Community, dass sie ein Kopftuch trägt. Eine Lehrerin mit Kopftuch aber wird seitens der Politik nicht zugelassen. Wie geht man damit um? Wir haben das erst einmal pragmatisch so gelöst, dass wir in den Zeichnungen einen männlichen Lehrer dargestellt haben."
Zuhause tragen Sarahs und Bilals Mutter keine Kopfbedeckung – wie es in muslimischen Familien auch tatsächlich üblich ist. Und im öffentlichen Leben? Da werden Musliminnen mit und ohne Kopfbedeckung dargestellt, was einerseits der Lebenswirklichkeit der Schüler entspricht, andererseits aber auch zeigt, dass es innerhalb der muslimischen Community unterschiedliche Auffassungen zum Kopftuch gibt.
Kritik hinsichtlich der Kompromisse aber gibt es auch noch an ganz anderer Stelle: Im Buch ist im islamischen Kontext stets von "Allah" die Rede, was auf Deutsch schlicht "Gott" heißt. Ist also "Allah" der Gott der Muslime und "Gott" der andere, der fremde Gott der Christen, fragen Kritiker wie die islamische Religionspädagogin und Publizistin Lamya Kaddor:
"Ich denke, wenn man als Religionspädagoge, als Herausgeber so ein Buch verantwortet, finde ich, kann man da keine Kompromisse machen. Er steht doch in der Verantwortung für Menschen, die in den nächsten Generationen durch Islamunterricht geprägt werden. Und wenn das soweit führt, dass Schüler denken, Allah und Gott sind nicht dieselben und nur unser Gott heißt Allah und der Gott der Anderen heiß irgendwie Gott. Ich könnte das nicht verantworten. Das wäre für mich eine Sache, die wäre unverhandelbar."
Mouhanad Khorchide, der das Münsteraner Zentrum für Islamische Theologie leitet, wird auch künftig den Spagat zwischen unterschiedlichen Auffassungen innerhalb des Islams meistern müssen, aber auch zwischen Gesetz und Religion. Das Buch lehrt etwa, dass Muslime an jedem Ort zu Gott beten können – aus religiöser Sicht. Laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem vergangenen Jahr gilt das aber zumindest für öffentliche Schulen nicht uneingeschränkt. Weitere sensible Themenfelder, wo Religion auf Wirklichkeit trifft, sind die Schächtung von Tieren oder aber die Beschneidung von Jungen.
"Miteinander auf dem Weg" für die erste und zweite Klasse ist der Auftakt einer ganzen Reihe, die muslimische Schüler künftig bis zur letzten Klasse des Gymnasiums begleiten soll. Bis die Bücher aber wirklich in die Schultaschen der Schüler kommen, wird es noch etwas dauern. Noch ist der Lehrplan für das neue Fach nicht verabschiedet. Erst danach kann der Titel "Miteinander auf dem Weg" durch den muslimischen Beirat und das nordrhein-westfälische Kultusministerium als Schulbuch genehmigt werden.