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Spaltung einer Stadt

Im Juni 1947 bestimmte die Berliner Stadtverordnetenversammlung Ernst Reuter zum Oberbürgermeister. Doch die Teilung der Stadt war zu dieser Zeit schon so weit fortgeschritten, dass Reuter sein Amt nicht mehr ausüben konnte.

Von Otto Langels |
    "Ein Programm zu entwickeln, große Worte zu gebrauchen, große Versprechungen zu machen, dafür ist weder die allgemeine Zeit geeignet, noch ist der Zeitpunkt dafür der richtige."

    Ernst Reuter am 24. Juni 1947 nach seiner Wahl zum Oberbürgermeister Berlins.

    Reuter, 1889 geboren, war 1912 in die SPD eingetreten, hatte sich aber während des Ersten Weltkriegs der kommunistischen Bewegung angeschlossen und wurde Generalsekretär der KPD. Nach putschistischen Aktionen der deutschen Kommunisten wechselte er 1922 wieder zu den Sozialdemokraten. Er machte sich in der Weimarer Republik einen Namen als Berliner Stadtrat für Verkehr, bis er nach der Machtübernahme der Nazis in die Türkei emigrieren musste. Ende 1946 kehrte er in das vom Krieg zerstörte Berlin zurück.

    Kurz zuvor hatten dort freie Wahlen in allen vier Sektoren stattgefunden. Die SPD erhielt fast die Hälfte der Stimmen, die SED nur ein Fünftel. Ernst Reuter wurde wieder Stadtrat für Verkehr und städtische Betriebe, sein Parteifreund Otto Ostrowski Oberbürgermeister. Dieser zeichnete ein katastrophales Bild der Lage Berlins.

    "Wir haben vor unseren Augen eine bis aufs Äußerste von Kälte und Hunger gemarterte Stadt, zu sehr leidet die Stadt schon. Sie kann ihr Haupt nicht mehr erheben aus der Verzweiflung."

    Doch nicht die schwierige wirtschaftliche und soziale Lage, sondern der Kalte Krieg zwischen der Sowjetunion und den Westmächten beherrschte zusehends die Landespolitik. So musste Otto Ostrowski im April 1947 als Oberbürgermeister wegen des Vorwurfs zurücktreten, zu nachgiebig auf sowjetische Forderungen reagiert zu haben. Berlin wurde, wie der designierte Nachfolger Ernst Reuter feststellte, zu einem Krisenherd im Ost-West-Wonflikt.

    "Die Meinungsverschiedenheiten, die zu unserem Leidwesen zwischen den Besatzungsmächten in großen Fragen bestehen, sind für uns kein Vorteil, am wenigsten, wenn sie sich auch in den kleinen Dingen der Berliner täglichen Fragen widerzuspiegeln beginnen. Was uns trennt, kommt mehr von außen an uns heran."

    Als die Stadtverordneten im Juni 1947 im Ost-Berliner Stadthaus Ernst Reuter mit großer Mehrheit zum Oberbürgermeister wählten, legten die Sowjets ihr Veto ein. Den Bruch mit der KPD hatten sie dem inzwischen konsequenten Antikommunisten nicht verziehen. An seiner Stelle mussten die Sozialdemokratin Louise Schröder und später der Christdemokrat Ferdinand Friedensburg die Geschäfte führen. Reuter blieb Stadtrat für Verkehr.

    "Es gibt Pessimisten, die glauben, Berlin sei in seiner heutigen Situation nicht zu halten. Ich teile diesen Pessimismus nicht. Berlin muss durch seine Vertreter überall darauf aufmerksam machen, dass es da ist, dass es auch ein Teil von Deutschland ist und ein, wie wir glauben nicht ganz unwesentlicher Teil."

    Um eine weitere Spaltung der Stadtverwaltung zu vermeiden, bestätigte die alliierte Kommandantur im August das sowjetische Veto. Die Westmächte waren noch bereit, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, während der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher bereits nüchtern konstatierte:

    "Es ist ja nicht so, dass jetzt vom Westen her Deutschland zerrissen wird. In Wahrheit ist Deutschland bereits seit zwei Jahren durch den Eisernen Vorhang gespalten."

    Nach massiven Störungen der Sitzungen durch kommunistische Demonstranten zogen die meisten Stadtverordneten und der Magistrat im September 1948 in den Westteil der Stadt. Nur die SED-Mitglieder blieben im Ostsektor und konstituierten dort eine eigene Vertretung. Die politische Teilung der Stadt war damit vollzogen. Die Neuwahl des Berliner Parlaments im Dezember fand nur im Westen statt. Ernst Reuter wurde einstimmig zum Oberbürgermeister gewählt.

    Sein Amt konnte er jedoch nur in West-Berlin antreten. Im Osten bestimmte die SED Friedrich Ebert, den Sohn des ersten Reichspräsidenten, zum neuen Oberbürgermeister. So existierten Ende 1948 zwei Stadtverwaltungen. Beide erhoben den Anspruch, für ganz Berlin zuständig zu sein, ihre Befugnisse reichten jedoch jeweils nur so weit wie die Macht der hinter ihnen stehenden Alliierten.